Griechenland verhandelt über Hilfen Athen wehrt sich gegen EU-Eingriffe in den Etat
Bei den Verhandlungen mit den privaten Gläubigern rechnet Griechenlands in den nächsten Tagen mit einer Einigung. Parallel laufen Gespräche über zusätzliche Kredite der Partner. Die deutsche Idee eines EU-Sparkommissars, der in die Etathoheit des Landes eingreifen darf, stieß aber auf Empörung.
Von Thomas Bormann, ARD-Hörfunkstudio Istanbul
Soll die griechische Regierung einen EU-Sparkommissar vor die Nase gesetzt bekommen, der in Finanzfragen das letzte Wort hat, der sogar Entscheidungen des griechischen Parlaments stoppen kann? Die griechischen Sonntagszeitungen reagieren empört auf diesen Vorschlag, der offenbar in Berlin ausgearbeitet wurde. Deshalb richtet sich die Wut vor allem an die Bundesregierung: "Merkel fordert bedingungslose Kapitulation", so die Schlagzeile der Zeitung "To Vima". Ein Fernsehkommentator schimpfte gar, nun wolle Berlin wohl "einen Gauleiter" in Griechenland einsetzen.
Weniger zugespitzt aber genauso ablehnend reagierten griechische Politiker: Nein - es sei eine Frage der nationalen Souveränität, selbst über den Haushalt und die Staatsfinanzen zu entscheiden. Über solche Vorschläge rede man nicht.
Venizelos erwartet Einigung mit Privatgläubigern
Finanzminister Evangelos Venizelos ging auf den Vorschlag eines Sparkommissars gar nicht ein. Er konzentriert sich auf die Verhandlungen mit den Kreditgebern. Nach den gestrigen Gesprächen mit privaten Gläubigern sagte er: "In der kommenden Woche werden wir den Schuldenschnitt unter Dach und Fach haben. Parallel verhandeln wir über das neue Rettungspaket und neue Hilfskredite."
Auch der Verhandlungsführer der Banken und der anderen privaten Gläubiger, Charles Dallara, gab sich optimistisch. Demnach werden die privaten Gläubiger auf die Hälfte des Geldes verzichten, das Griechenland ihnen schuldet. Für die restliche Hälfte der Schulden, immerhin auch noch 100 Milliarden Euro, ist ein Zinssatz von unter vier Prozent im Gespräch.
Griechenland braucht vermutlich höhere Kredite
Parallel dazu verhandelt Griechenland mit der EU, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds über ein zweites Paket mit Hilfskrediten. Es sollte einen Umfang von 130 Milliarden Euro haben. Aber möglicherweise braucht Griechenland noch mehr Kredite. Jedenfalls muss das Land noch mehr sparen und das lässt die Bürger verzweifeln. "Es ist furchtbar. Überall wird gekürzt", klagt ein Passant. "Von uns wird immer nur genommen, genommen; nie wird uns etwas gegeben. Was wird bleiben?"
Finanzminister Venizelos kennt diese Sorgen gut. Deshalb versucht er, die Bürger zu beruhigen und gleichzeitig mit Durchhalteappellen alle Griechen weiter auf den Sparkurs einzuschwören. "Wir dürfen nichts tun, was die Rezession jetzt noch verschlimmert", erklärt er. "Wir müssen alles tun, damit wir wieder Wachstum bekommen." In den nächsten Tage stehe die Weichenstellung für das kommende Jahrzehnt an. "Was jetzt passiert, hat historische Bedeutung. Dafür müssen wir alle zusammenarbeiten", sagt Venizelos.