Ein Jahr nach Rettung vor Bankrott Trotz Hilfe keine Wende in Griechenland
Griechenland hat im Mai 2010 als erstes Euro-Land Finanzhilfen bekommen. Doch bis heute konnte sich das Land nicht aus der Krise befreien. Möglicherweise muss die Regierung gar ein neues Sparpaket auflegen - doch schon bei der ersten Kürzungsrunde gingen die Menschen auf die Barrikaden.
Von Steffen Wurzel, ARD-Hörfunkstudio Istanbul
Vor knapp einem Jahr wurde Griechenland vor der Pleite gerettet. Mit Hilfskrediten der Euro-Staaten, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Höhe von 110 Milliarden Euro. Doch die Probleme bleiben. Keiner weiß, wie es weitergehen soll, wenn die Kredite nicht mehr fließen.
Der griechische Staat hat es zwar geschafft, seine Ausgaben massiv zu kürzen, auf der Einnahmenseite sieht es aber wesentlich schlechter aus. Obwohl viele Steuern gestiegen sind - allein der Mehrwertsteuersatz wurde um vier Prozentpunkte erhöht - bleiben die Steuereinnahmen hinter den Erwartungen zurück.
"Wir liegen mit den Einnahmen zurzeit hinter unseren Erwartungen. Das liegt daran, dass im letzten Quartal 2010 die Wirtschaft stärker geschrumpft ist als wir geschätzt hatten. Und das beeinflusst auch die Einnahmen der ersten Monate 2011", erklärt der stellvertretende Finanzminister Griechenlands, Philippos Sachinidis.
Mehr als zehn Prozent Defizitquote möglich
Ende vergangenen Jahres rechnete man in Athen noch mit einer Defizitquote von 9,4 Prozent. Nach neuesten Schätzungen dürften es aber mehr als zehn Prozent werden. Erlaubt sind gerade einmal drei Prozent. Die genaue Zahl zur Defizitquote Griechenlands wird das europäische Statistikamt Eurostat in den nächsten Wochen vorlegen.
Fest steht: Die griechische Wirtschaft leidet vor allem daran, dass der Konsum in sich zusammengesackt ist. Weil nicht nur die Steuern erhöht, sondern auch Löhne und Renten gekürzt wurden. Die meisten Griechen sparen das wenige Geld oder schaffen es, wenn sie können, ins Ausland.
Leere Geschäfte und Räumungsverkäufe
In den Großstädten des Landes sieht man, dass kein Geld mehr ausgegeben wird. Vielerorts bietet sich ein düsteres Bild: leere Geschäfte, Räumungsverkäufe und ehemalige Einkaufsstraßen, die heute wie leer gefegt sind. Im Großraum Athen ist inzwischen jedes dritte Geschäft geschlossen.
Gleichzeitig verlieren immer mehr Menschen ihre Arbeit. Das Land steckt in einer Rezessionsspirale. Der sozialdemokratische Ministerpräsidenten Giorgios Papandreou versucht, Optimismus zu verbreiten und mahnt zum Durchhalten. "Das Ganze ist ein Marathon-Lauf", sagt er - und räumt ein: "Begonnen haben wir mit einem Sprint. Für das griechische Volk ist das nicht einfach. Ihm werden viele Opfer abverlangt. Aber das griechische Volk hat den großen Willen, das Land zu reformieren. Um Europa stabil zu halten und Griechenlands Zukunft zu sichern."
Nötiges Wachstum: 8,4 Prozent - 23 Jahre lang
Seit einigen Tagen wird in Griechenland und anderen EU-Staaten wieder vermehrt über eine mögliche Umschuldung spekuliert. Sowohl die griechische Regierung als auch der Internationale Währungsfonds wollen davon nichts wissen. Diverse Wirtschaftsinstitute sagen allerdings: Um eine Umschuldung, um einen Schuldenschnitt kommt Griechenland nicht herum. So rechnet die in Brüssel ansässige europa- und wirtschaftspolitische Denkfabrik BRUEGEL vor, dass die griechische Wirtschaft in den kommenden 23 Jahren pro Jahr um jeweils 8,4 Prozent wachsen müsste, um seinen Schuldenstand spürbar zu reduzieren. Eine nicht gerade realistische Perspektive.
Immer wahrscheinlicher wird ein neues Sparpaket der Regierung Papandreou, mit neuen, noch härteren Maßnahmen für die griechische Bevölkerung. Ob die Regierung neue Einschnitte allerdings politisch durchsetzen könnte, ist ungewiss. Viele Griechen sagen inzwischen: Noch mehr Sparen geht nicht, wir haben das Ende der Fahnenstange erreicht.