Abstimmung im griechischen Parlament Grünes Licht für gewaltiges Sparpaket
Das griechische Parlament hat mit knapper Mehrheit ein umfassendes Sparpaket verabschiedet und so den Weg für neue Hilfen freigemacht. Ministerpräsident Samaras sprach von der wichtigsten Entscheidung seit Langem. Die Opposition nannte die Koalition "Merkelisten", Zehntausende demonstrierten.
Das griechische Parlament hat das umstrittene Sparpaket in Höhe von 13,5 Milliarden Euro gebilligt. Dafür stimmten 153 Abgeordnete, dagegen votierten 128 Parlamentarier. 18 Abgeordnete enthielten sich der Stimme. Ein Parlamentarier fehlte bei der Abstimmung. Damit ist das Sparprogramm unter Dach und Fach.
Bei einem Nein wäre Griechenland praktisch pleite gewesen. Das Paket ist Voraussetzung für weitere Hilfen aus dem Ausland in Höhe von 31,5 Milliarden Euro.
Abweichler ausgeschlossen
In den Reihen der Regierungsfraktionen gab es sechs Abweichler bei den Sozialisten und einen bei der konservativen Partei Nea Dimokratia. Alle Abweichler wurden sofort aus ihren Parteien ausgeschlossen und sind nun unabhängig. Von den 16 Abgeordneten des kleinsten Koalitionspartners, der Demokratischen Linken, stimmte niemand für das Paket.
Ministerpräsident Antonis Samaras lobte das Votum und sprach von einem "entscheidenden und optimistischen Schritt". Der Konservative hatte die Abstimmung zuvor zur wichtigsten Entscheidung seit Jahrzehnten erklärt: Es sei "eine Entscheidung zwischen Euro oder Drachme". "Heute ändern wir alles ein für alle Mal. Wir schaffen Privilegien ab und bekämpfen die Steuerhinterziehung. Das ist eine Revolution", fügte Samaras hinzu.
"Sie sind Merkelisten"
Der Chef der stärksten Oppositionspartei, Alexis Tsipras vom Bündnis der Radikalen Linken (Syriza), forderte Neuwahlen, weil das Land die Sparprogramme nicht mehr ertragen könne. "Das Volk wird Sie dazu zwingen", sagte Tsipras. Er warf der Koalitionsregierung aus Konservativen, Sozialisten und der Demokratischen Linken vor, nur Befehle von Bundeskanzlerin Angela Merkel auszuführen. "Sie sind Merkelisten", sagte Tsipras.
Der Chef der mitregierenden Sozialisten, Evangelos Venizelos, befürwortete dagegen die Billigung des Sparprogramms. Er warnte aber die Partner in der EU. Viele hätten nicht verstanden, dass das griechische Volk mit seinen Kräften "am Ende" sei. Noch mehr Sparmaßnahmen würden die griechische Gesellschaft ins Chaos stürzen. Der Chef des kleineren Koalitionspartners Demokratische Linke, Fotis Kouvelis, erklärte, seine Partei werde sich der Stimme enthalten. Mit dem reinen Sparprogramm sei er einverstanden. Er lehne aber tiefe Einschnitte im Arbeitsrecht wie leichtere Entlassungen und Kürzungen der Abfindungen ab.
Renten- und Lohnkürzungen geplant
Das Sparprogramm sieht unter anderem Rentenkürzungen von bis 15 Prozent vor. Das Rentenalter wird von 65 auf 67 Jahre angehoben. Staatsbediensteten wird abermals der Lohn gekürzt, um bis zu 20 Prozent.
Die Oppositionsparteien warfen der Regierung vor, mit den geplanten Einschnitten die griechische Verfassung zu verletzen. Die mehrere hundert Seiten umfassende Vorlage sei außerdem zu komplex, um sie in nur einer Sitzung zu debattieren. "Das ist Erpressung", erklärte Zoi Constantopoulou von der Radikalen Linken.
Zehntausende protestieren vor dem Parlament
Vor dem Parlament gab es den ganzen Nachmittag und Abend über Proteste. Daran beteiligten sich Zehntausende - die allermeisten friedlich. Am Rande kam es aber auch zu Ausschreitungen. Zum Teil vermummten Krawallmachern gelang es am Abend, die Demonstration ins Chaos zu stürzen. Rund 200 von ihnen warfen Brandflaschen auf die Polizei. Die Beamten setzten Tränengas und Wasserwerfer ein. Tausende Menschen flüchteten in Panik von dem Platz vor dem Parlament.
Landesweit beeinträchtigten Streiks das Leben ganz erheblich. U-Bahnen und Straßenbahnen in Athen standen bis zum Nachmittag still, vom Hafen Piräus lief keine Fähre zu den Inseln aus. Die meisten Banken und Postämter blieben ebenso geschlossen wie Museen und antike Stätten. Schulen blieben zu, Taxis fuhren nicht. Ärzte behandelten in Krankenhäusern nur Notfälle. Schon am Dienstag waren Hunderttausende dem Aufruf der Gewerkschaften gefolgt, in den Ausstand zu treten.
Griechenland will mit dem neuen Sparprogramm die Staatshaushalte um 13,5 Milliarden Euro bis Ende 2014 entlasten. Weitere 3,4 Milliarden Euro sollen anschließend bis 2016 eingespart werden.
- Die Rentner müssen mit Kürzungen um fast 4,8 Milliarden Euro rechnen. Alle Renten von 1000 Euro aufwärts werden um fünf bis 15 Prozent gesenkt. Das Weihnachtsgeld für Rentner wird abgeschafft; es war bereits von einer Monatsrente auf 400 Euro gekürzt worden. Die Gewerkschaften rechneten aus, dass damit die Rentner im Durchschnitt 2000 Euro im Jahr verlieren werden.
- Die Abfindungen für entlassene Arbeitnehmer werden drastisch gesenkt. Arbeitgeber dürfen Verträge mit jedem einzelnen Arbeitnehmer schließen. Damit werden praktisch Tarifverhandlungen umgangen.
- Auch den Staatsbediensteten werden die jeweils verbliebenen 400 Euro vom Weihnachtsgeld sowie vom Urlaubsgeld gestrichen. Viele Löhne und Gehälter sollen um sechs bis 20 Prozent verringert werden. Bis Ende 2012 sollen 2000 Staatsbedienstete in die Frühpensionierung gehen oder entlassen werden. Bis zum Eintritt des Rentenalters erhalten sie dann 60 Prozent ihres letzten Gehalts.
- Im Gesundheitswesen sollen 1,5 Milliarden Euro eingespart werden. Unter anderem sollen die Versicherten sich mit höheren Eigenbeiträgen beim Kauf von Medikamenten beteiligen. Zahlreiche Krankenhäuser sollen schließen. Andere sollen sich zusammenschließen.
- Die Gehälter der Angestellten der öffentlich-rechtlichen Betriebe, wie beispielsweise der Elektrizitätsgesellschaft (DEI), sollen denen der Staatsbediensteten angeglichen werden. Dies bedeutet für die Betroffenen nach Berechnungen der Gewerkschaften bis zu 30 Prozent weniger Geld.
- Familien, die mehr als 18.000 Euro im Jahr verdienen, haben keinen Anspruch auf Kindergeld mehr.
- Das Rentenalter wird für alle von 65 Jahre auf 67 Jahre angehoben.
Weitere Details des Sparprogramms sollen mit Gesetzen geregelt werden, die in den kommenden Monaten gebilligt werden sollen.
Quelle: dpa