Suche nach einem Ausweg IWF-Rate: Nicht bezahlt! Tagesplan: Weiter beraten!
Griechenland ist das erste Industrieland, das einen Kredit an den IWF nicht zurückgezahlt hat. Das Land gilt damit faktisch als zahlungsunfähig. Was nun folgt, sind Beratungen an allen Orten. Auch ein neuer Brief aus Athen sorgt für Gesprächsstoff.
Griechenland ist seiner 1,5 Milliarden Euro schweren Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Internationalen Währungsfonds (IWF) bis Mitternacht nicht nachgekommen. Das bestätigte der Fonds in einer knappen Mitteilung. Das Land gilt nun faktisch als zahlungsunfähig. Es sind historische Dimensionen, denn Griechenland ist damit das erste Industrieland, das einen IWF-Kredit nicht zurückzahlt.
Athen könne nun nur weitere Mittel bekommen, sobald die Rückstände ausgeräumt seien, sagte IWF-Sprecher Gerry Rice. Der IWF bestätigte zudem, dass Griechenland noch in letzter Minute gebeten habe, die Zahlung erst später leisten zu müssen. Darüber werde der IWF zu gegebener Zeit beraten, ergänzte der Sprecher. Was das bedeutet, sagte er nicht. Über unmittelbare Sanktionsmöglichkeiten wegen der nicht gezahlten Rate verfügt der IWF im übrigen nicht. Er kann lediglich Mahnungen aussprechen.
12,7 Milliarden Euro aus Rettungsschirm verfallen
Ebenfalls um Mitternacht ist das griechische Hilfsprogramm der Euro-Partner ausgelaufen. Damit verfallen auch 12,7 Milliarden Euro bislang nicht ausbezahlter Hilfskredite des Euro-Rettungsschirms EFSF, über den das Programm lief. Die Euro-Finanzminister hätten am Abend in einer Telefonkonferenz den kurzfristig von Griechenland vorgelegten Antrag abgelehnt, das Hilfsprogramm "für einen kurzen Zeitraum" zu verlängern, bis ein neues Rettungsprogramm in Kraft sei, teilte Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem mit.
Nach Einschätzung von zwei Ratingagenturen steht das Land kurz vor der völligen Zahlungsunfähigkeit. Die Ratingagentur Fitch stufte am Dienstagabend das hoch verschuldete Land von CCC auf CC zurück und folgte damit der Agentur Standard & Poor's, die das bereits am Montag so eingeschätzt hatte.
Wie es nun weitergeht
Ab 17.30 Uhr wollen die Finanzminister der Eurogruppe über die Lage beraten. Das ist sechs Stunden später als geplant. Griechenland will laut Dijsselbloem bis dahin neue Vorschläge in der Schuldenkrise unterbreiten, die dann diskutiert werden sollen. Nach Informationen von ARD-Korrespondent Rolf-Dieter Krause traf ein Brief aus Athen bereits bei der EU-Kommission in Brüssel ein. "Wir haben einen Brief geschickt, der die Differenzen weiter verkleinert", sagte der stellvertretende Ministerpräsident Gianis Dragasakis im Staatsfernsehen. "Wir machen eine zusätzliche Anstrengung. Es gibt sechs Punkte, wo diese Anstrengung gemacht werden kann", erklärte er. "Sie schließen Renten und Arbeitsmarktfragen ein."
EZB berät über Notkredite für Banken
Auch die Europäische Zentralbank berät heute. Thema ist der Umgang mit den sogenannten ELA-Notkrediten für Griechenlands Banken. Die griechische Notenbank bat nach Angaben von Vize-Regierungschef Yannis Dragasakis die EZB, eine Erhöhung der ELA-Nothilfen in Betracht zu ziehen. Diese waren am Wochenende zwar aufrechterhalten, aber zugleich auf den bisherigen Stand von etwa 90 Milliarden Euro eingefroren worden.
Daraufhin ordnete die griechische Regierung an, dass die Banken zunächst geschlossen bleiben. Sie begrenzte zugleich Abhebungen an Geldautomaten und ging mit weiteren Kapitalverkehrskontrollen gegen den drohenden Kollaps der griechischen Banken vor. Heute sollen allerdings knapp 1000 Banken im Land für drei Tage öffnen, um ausschließlich Renten auszuzahlen. In Griechenland ist es üblich, Renten in bar auszuzahlen. Und viele Rentner haben keine Bankkarte.
Sondersitzung im Bundestag
In Deutschland wird sich der Bundestag in einer eigens angesetzten Debatte ab dem Mittag mit der Lage in Griechenland beschäftigen. Neben Bundeskanzlerin Angela Merkel werden auch Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Finanzminister Wolfgang Schäuble sprechen.
Demonstration in Athen
Am Abend hatten in Athen mehr als 10.000 Menschen für ein Ja zu den EU-Vorschlägen bei der Volksabstimmung am Sonntag demonstriert. Viele riefen: "Wir bleiben in Europa", obwohl ein Gewitter über die sie hereinbrach, trotzen viele dem Regen und blieben auf dem Syntagma-Platz.
Auch der Bund der griechischen Tourismusindustrie (Sete) forderte die griechische Bevölkerung auf, beim Referendum mit "Ja" zu stimmen. Sete gehören demnach 14 nationale Verbände aus der Touristik an, darunter Hotels, Anbieter von Ferienwohnungen, Reisebüros, Fluggesellschaften, Fähr- und Kreuzfahrtunternehmen sowie andere Einzelunternehmen aus der Tourismuswirtschaft. Insgesamt vertritt Sete nach eigenen Angaben mehr als 50.000 Unternehmen mit mehr als 400.000 Beschäftigten.
Auf dem Wahlzettel für die von der griechischen Regierung geplanten Volksabstimmung wird ohne weitere Erläuterung auf das jüngste Angebot der Geldgeber verwiesen, über das keine Einigung erzielt wurde: "Muss der Entwurf einer Vereinbarung von Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds akzeptiert werden, der am 25.06.2015 eingereicht wurde und aus zwei Teilen besteht, die in einem einzigen Vorschlag zusammengefasst sind?" Es gibt zwei mögliche Antworten: "Nein" und "Ja".
Der erste der beiden angesprochenen Teile ist das Dokument namens "Reforms for the Completion of the Current Program and Beyond", und das zweite heißt "Preliminary Debt Sustainability Analysis".
Am 5. Juli sollen die Wahllokale von 7.00 bis 19.00 Uhr geöffnet sein. Nach Angaben des Innenministeriums kostet das Referendum rund 20 Millionen Euro - halb so viel wie die Parlamentswahlen im Januar. Wahlberechtigt sind rund 9,8 Millionen Griechen über 18 Jahre.