Darüber stimmte der Bundestag ab Das Milliarden-Paket für Griechenland
144 Seiten umfasste der Antrag, den Finanzminister Schäuble den Abgeordneten zur Abstimmung vorlegte. Doch worüber wurde genau entschieden? Und wann kann Griechenland mit wie viel Geld rechnen? tagesschau.de erläutert die Details.
Worüber hat der Bundestag abgestimmt?
Die Abgeordneten entschieden über das gesamte Hilfsprogramm für Griechenland sowie über die Freigabe einer ersten Tranche von Hilfen in Höhe von 26 Milliarden Euro. Mit dem Votum des Bundestags hat Deutschland das Programm aber noch nicht endgültig gebilligt. Denn die Abgeordneten konnten formal nur darüber entscheiden, ob Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble als deutscher Vertreter im Gouverneursrat des Rettungsschirms ESM dem Rettungspaket verbindlich zustimmen darf oder nicht.
Wie viel Geld bekommt Griechenland?
Das steht noch nicht genau fest. Der Beschluss des Bundestags sieht Hilfen des Europäischen Rettungsschirms ESM von "bis zu 86 Milliarden Euro" vor. Sie sollen den Finanzbedarf Griechenlands bis zum August 2018 decken. Die Summe basiert auf einer gemeinsamen Schätzung von EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und ESM, die bereits die Folgen des ausgehandelten Reform- und Sparprogramms berücksichtigt.
Vom wem stammen die Milliardenhilfen?
Der Europäische Rettungsschirm ESM, über den die Euro-Staaten neue Hilfsprogramme laufen lassen, stellt laut der Vereinbarung mit Griechenland die bis zu 86 Milliarden Euro bereit. Die Euro-Staaten hoffen aber, dass diese Summe durch eine Beteiligung des IWF noch sinken wird. Der Beschluss des Bundestags sieht aber ausdrücklich vor, dass der ESM die Gesamtsumme auch alleine finanzieren müsste. Es ist lediglich von einer "erwarteten finanziellen Beteiligung des IWF" die Rede.
Gewährt der IWF Griechenland ebenfalls Hilfen?
Das ist noch unklar. Bis März 2016 läuft noch ein Hilfsprogramm des IWF, das parallel zum zweiten Griechenland-Rettungspaket der Europäer gestartet wurde. Eine finanzielle Beteiligung am dritten Hilfsprogramm macht der IWF von zwei Bedingungen abhängig: Griechenland muss demnach die vereinbarten Reformen angehen und umsetzen und die Europäer müssen dem Land Schuldenerleichterungen gewähren. Einen Schuldenschnitt schließen die Euro-Staaten aus. Über Schuldenerleichterungen wie längere Laufzeiten der Kredite oder niedrigere Zinsen wollen die Regierungen aber erst im Herbst entscheiden, wenn sie überprüfen, ob Griechenland seine Reformverpflichtungen umsetzt. Mit einer Entscheidung des IWF über eine Beteiligung an dem dritten Griechenland-Programm ist daher kaum vor Oktober zu rechnen.
Welche Bedingungen muss Griechenland erfüllen?
Die Hilfen werden nur unter Auflagen gewährt. Die Kredite werden in mehreren Schritten überwiesen - und zwar erst dann, wenn Griechenland die vereinbarten Bedingungen erfüllt. Das Land muss in den nächsten Jahren sparen und schrittweise Primärüberschüsse erzielen - also Überschüsse im Haushalt, wenn man die Tilgung der Schulden und Zinszahlungen ausklammert. Zudem hat sich die Regierung zu Privatisierungen und zahlreichen Reformen verpflichtet. Das betrifft Bereiche wie das Steuersystem, das Rentensystem, den Arbeitsmarkt und die Modernisierung der Verwaltung. Diese Auflagen sind im sogenannten "Memorandum of understanding" festgehalten. Die ersten der geforderten Reformen billigte das griechische Parlament bereits.
Wie lange läuft das Hilfsprogramm?
Das dritte Hilfsprogramm des ESM läuft von August 2015 bis August 2018. Die ersten Milliardenhilfen sollen am 20. August 2015 nach Athen überwiesen werden. Die letzte Möglichkeit, die Auszahlung von bis dahin noch nicht geflossenen Geldern zu beantragen, hat Griechenland am 20. August 2018.
Wann bekommt Griechenland wie viel Geld?
Die Gesamtsumme soll in mehreren Tranchen zwischen 2015 und 2018 ausbezahlt werden. Von den 25 Milliarden Euro, die für Finanzspritzen oder die Abwicklung von Banken reserviert sind, sollen zehn Milliarden Euro unmittelbar nach dem Start des Hilfsprogramms und die restlichen 15 Milliarden Euro bis spätestens 15. November 2015 bereitgestellt werden. Von den sonstigen Geldern, die überwiegend in die Rückzahlung von alten Schulden fließen, soll der ESM bereits am 20. August 13 Milliarden Euro überweisen. Weitere drei Milliarden Euro sollen im Herbst (bis spätestens 30. November 2015) fließen. Von 2016 bis August 2018 folgend dann - orientiert am jeweiligen Finanzbedarf - gestaffelt weitere Auszahlungen.
Zeitraum | Geplante Auszahlung |
---|---|
August/September 2015 | 25,0 Milliarden Euro |
Oktober bis Dezember 2015 | 21,7 Milliarden Euro |
Januar bis März 2016 | 4,9 Milliarden Euro |
April bis Juni 2016 | 4,5 Milliarden Euro |
Juli bis September 2016 | 3,8 Milliarden Euro |
Oktober bis Dezember 2016 | 1,0 Milliarden Euro |
Januar bis März 2017 | 1,3 Milliarden Euro |
April bis Juni 2017 | 7,5 Milliarden Euro |
Juli bis September 2017 | 3,5 Milliarden Euro |
Oktober bis Dezember 2017 | 4,5 Milliarden Euro |
Januar bis März 2018 | 2,4 Milliarden Euro |
April bis Juni 2018 | 2,0 Milliarden Euro |
Juli/August 2018 | 3,3 Milliarden Euro |
GESAMT | 85,5 Milliarden Euro |
Wann muss Griechenland das Geld zurückzahlen?
Für die einzelnen Tranchen werden bei Auszahlung die genauen Rückzahlungstermine festgelegt. Die durchschnittliche Laufzeit der Hilfen darf gemäß der Vereinbarung bei maximal 32,5 Jahren liegen. Damit müsste Griechenland den Großteil des Geldes in den Jahren 2048 bis 2050 zurückzahlen.
Wofür braucht Griechenland das Geld?
54,1 Milliarden Euro benötigt Griechenland bis August 2018 allein für den Schuldendienst: 37,5 Milliarden Euro fließen in dieser Zeit in die Tilgung alter Schulden und 16,6 Milliarden Euro in Zinszahlungen. Als zweitgrößter Posten sind bis zu 25 Milliarden Euro für die Rekapitalisierung der griechischen Banken vorgesehen. Hinzu kommen 7,0 Milliarden Euro, um Zahlungsrückstände zu begleichen, und 7,6 Milliarden Euro, um die zuletzt massiv geschrumpften Reserven wieder aufzubauen. Daraus ergibt sich eine Gesamtsumme von rund 94 Milliarden Euro. Weil aber ein Teil dieses Geldes über Privatisierungen und die Primärüberschüsse im Haushalt hereinkommen soll, umfasst das Hilfsprogramm nur die nach dieser Schätzung noch benötigten rund 86 Milliarden Euro.
Braucht Griechenland noch mehr Geld?
Das ist noch nicht klar. Denn das Hilfsprogramm basiert auf einer Schätzung des Finanzbedarfs. Diese Schätzung berücksichtigt neben festen Zahlungsterminen bereits die von Griechenland zugesagten Primärüberschüsse. Diese sollen bis 2018 etwa zwei Milliarden Euro ausmachen. Weitere 6,2 Milliarden Euro sind als Erlöse aus geplanten Privatisierungen einkalkuliert. Beide Posten sind - allerdings in unterschiedlicher Höhe - seit langem in den Schätzungen der Institutionen zum Finanzbedarf Griechenlands berücksichtigt. Der sogenannte Bruttofinanzbedarf des Landes liegt also deutlich über dem Volumen des Hilfsprogramms. Viele weitere Faktoren wie das prognostizierte Wirtschaftswachstum, das den Schätzungen zugrunde liegt, oder die Wirkung der vereinbarten Reformen können den tatsächlichen Bedarf in den kommenden Jahren beeinflussen.