Angst vor russischem Lieferstopp Gaspreis springt auf über 300 Euro
Gas wird immer teurer: Wegen der befürchteten zunehmenden Knappheit ist der Preis an der Energiebörse in Amsterdam heute über 300 Euro je Megawattstunde geklettert. Damit nähert er sich seinem Rekordniveau.
Wie hoch steigt der Gaspreis noch? Seit einem Jahr hat er sich an den Terminmärkten um mehr als 1000 Prozent verteuert. Im August 2021 hatte der für den europäischen Gashandel richtungsweisende Terminkontrakt TTF an der Energiebörse in Amsterdam noch 26 Euro je Megawattstunde gekostet. Jetzt liegt er schon bei 316 Euro je Megawattstunde.
Nur 30 Euro unter dem Rekordniveau
Heute zog der Preis erneut um sechs Prozent an, nachdem er bereits zu Wochenbeginn kräftig angezogen hatte. Nun fehlen nur noch neun Prozent bis zum Rekordniveau von Anfang März. Damals hatte der Gaspreis im europäischen Handel seinen Zenit von 345 Euro je Megawattstunde erreicht.
Grund für den neu angefachten Höhenflug beim Gaspreis ist laut Händlern die bevorstehende erneute Unterbrechung der russischen Gaslieferungen nach Europa durch die Pipeline Nord Stream 1. Russland hatte am vergangenen Freitag angekündigt, wegen Wartungsarbeiten Gaslieferungen über die Ostseepipeline Nord Stream 1 ab dem 31. August für drei Tage zu unterbrechen. Das heizt die Befürchtungen an, dass Moskau bald komplett den Gashahn zudreht.
Offiziell beteuert Russland aber, dass nach den Wartungsarbeiten täglich wieder 33 Millionen Kubikmeter Erdgas geliefert werden sollen. Das wären 20 Prozent der maximalen Kapazität und somit weiterhin das Niveau, auf das die Lieferungen vor ein paar Wochen verringert wurden.
E.ON-Chef erwartet dauerhaft hohe Energiepreise
Der Chef des Energiekonzerns E.ON, Leonhard Birnbaum, prophezeit, dass die Energiepreise dauerhaft hoch bleiben. "Ich rechne nicht damit, dass wir zu den Preisen vor der Krise zurückkommen", sagte er auf dem "Deutschen Energierechtstag 2022" in Essen. Er warnte gleichzeitig davor, den Blick auf die Gaspreise zu verengen. Auch Strom habe sich massiv verteuert.
So kletterten die deutschen Strompreise in dieser Woche erstmals auf über 600 Euro pro Megawattstunde. Das ist eine Versechsfachung gegenüber dem Niveau von vor einem Jahr. Damals lag der Preis noch bei 100 Euro pro Megawattstunde. E.ON-Chef Birnbaum zeigt sich daher beunruhigt: "Bei 600 Euro pro Megawattstunde haben wir ein Problem."
Strompreise auf Rekordhoch
Seit der Ankündigung Russlands Mitte Juni, die Gaslieferungen auf 40 Prozent der möglichen Kapazität zu senken, haben sich die Großhandelspreise für Strom verdreifacht. Das Niedrigwasser im Rhein, das die Schifffahrt beeinträchtigt, heizte die Preise zusätzlich an. Der deutsche Strom kommt zur Hälfte aus fossilen Quellen, darunter russisches Gas und auch russische Steinkohle.
Gasspeicher jetzt zu 80 Prozent gefüllt
Noch sind die Gasspeicher in Deutschland gut gefüllt. Aktuell liegt die Füllmenge bei 80,65 Prozent. Das für September gesteckte Ziel von 75 Prozent dürfte also erreicht werden. Schwieriger wird es jedoch für die Folgemonate. Zum 1. Oktober wird ein Füllstand von 85 Prozent, zum 1. November gar ein Niveau von 95 Prozent angestrebt.
Torsten Frank, Geschäftsführer von Trading Hub Europe, ist skeptisch, ob das erreicht werden kann. "Wir werden viele Speicher, aber nicht alle bis zum November zu 95 Prozent füllen können", sagte er der "Rheinischen Post". Er rechne zwar nicht mit einer bundesweiten Gasmangel. Regional könne es aber zu Mangel-Lagen kommen, warnt der Experte.