Debatte über umstrittene Fördermethode Lohnt sich heimisches Fracking?
In Großbritannien wurde das Fracking-Moratorium aufgelöst. Damit ist die Gewinnung von Erdöl und -gas aus tiefen Gesteinsschichten wieder möglich. In Deutschland und auch in anderen Ländern laufen die Debatten über Fracking auf Hochtouren.
In Großbritannien ist die umstrittene Erdöl- und Erdgasgewinnungsmethode Fracking seit gestern wieder möglich. Die neue britische Regierung unter Premierministerin Liz Truss hob das 2019 eingeführte Fracking-Moratorium auf. Auch in Deutschland, wo kommerzielle unkonventionelle Fracking-Vorhaben nicht zulässig sind, läuft eine Debatte über ein mögliches Ende des Verbots.
Hydraulic Fracturing - kurz Fracking genannt - ist ein Verfahren, um Öl und Gas mit der Hilfe von Druck und Chemikalien aus tiefen Gesteinsschichten herauszuholen. Das konventionelle Fracking erfolgt dabei vor allem in Sandstein, während unkonventionelles Fracking in schwer zu erschließenden Gesteinsschichten wie Schieferstein oder etwa Kohleflözgestein stattfindet.
Die Folgen für die Umwelt und Natur reichen dabei jedoch von hohem Wasserverbrauch und Verschmutzung des Grundwassers zu Erdbeben, weshalb die Technik stark in der Kritik steht. Aufgrund der teils erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt haben viele europäische Länder ihre Fracking-Pläne vor einigen Jahren auf Eis gelegt. In Deutschland, Frankreich, Dänemark, Bulgarien oder den Niederlanden ist das Fracking aus unkonventionellen Lagerstätten verboten worden.
Fracking in den USA
In den USA ist das Verfahren dagegen noch in vielen Bundesstaaten erlaubt und wird dort seit Jahren erfolgreich durchgeführt. Innerhalb weniger Jahre haben sich die Vereinigten Staaten unabhängig von Energieimporten aus dem Ausland gemacht und sind vor drei Jahren gar zum Netto-Energieexporteur aufgestiegen. Nicht ganz ohne Stolz bezeichnete sich etwa der US-Bundesstaat Pennsylvania als "Saudi-Arabien des Erdgases". In den USA führte der Fracking-Boom zunächst zu einem deutlichen Rückgang des Gaspreises.
Durch den Krieg Russlands in der Ukraine und den gedrosselten russischen Energielieferungen an Europa wird Fracking-Gas aus den USA zur zunehmend wichtigen Energiequelle für Europa. Das gefrackte Gas wird verflüssigt und mit Schiffen nach Europa transportiert. Über die Hintertür erhalten die europäischen Staaten also bereits Fracking-Gas - zusätzliche 15 Milliarden Kubikmeter Flüssiggas (LNG) sollen allein in diesem Jahr nach Europa verschifft werden. Der größte Teil davon wird via Fracking gewonnen.
Heimische Förderung eine Option?
Europa sei gut beraten, alle sinnvollen Optionen der heimischen Förderung zu verfolgen, schrieb Ludwig Möhring, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG), diesen Monat. Klimapolitisch sei das ratsam, da bei LNG 20 Prozent des Erdgases benötigt werde, um es zu verflüssigen, zu transportieren und wieder zu regasifizieren - mit entsprechendem CO2-Fußabdruck. "Die Schiefergasproduktion wäre für Deutschland eine Option", so Möhring weiter.
Politisch ist das Thema umstritten. Im ARD-Deutschlandtrend vom August zu den energiepolitischen Maßnahmen hielten die Förderung von sogenanntem Fracking-Gas in Deutschland nur 27 Prozent für richtig, 56 Prozent für falsch. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) äußerte in einem ARD-Interview diesen Monat, dass man Fracking-Kapazitäten da nutzen solle, wo es verantwortbar sei. "Nicht an jeder Stelle, aber wo keine Gefahr für das Trinkwasser besteht, wo geologisch keine Gefahr besteht, da sollte das auch möglich werden."
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sagte der "Rheinischen Post", dass Fracking in einer Region, "in der wir viel von unserem Trinkwasser aus oberflächennahen Wasserschichten holen, die beim Fracking durchstoßen werden müssten, nicht verantwortbar" sei. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sprach sich dagegen im "Tagesspiegel" im August noch für die Förderung von Fracking-Gas in Deutschland als Ersatz für russisches Erdgas aus.
Großbritannien geht einen Schritt weiter
In Großbritannien ist man bereits einen Schritt voraus und will alle Optionen zur Energiegewinnung prüfen - auch das Fracking. "Keine Option sollte vom Tisch sein, um unsere Energiesicherheit zu verbessern, denn das ist das Hauptproblem, mit dem wir konfrontiert sind", sagte Premierministerin Truss dazu. Ihr Vorgänger Boris Johnson stand der Form der Erdgasgewinnung noch skeptischer gegenüber. "Ich habe, muss ich sagen, meine Zweifel, dass es sich als Allheilmittel herausstellen wird", sagte er noch im vergangenen Monat. Truss zufolge könnte bereits in sechs Monaten mit der Förderung von Schiefergas begonnen werden.
2019 hatte die britische Regierung ein Fracking-Moratorium verhängt. 2018 und 2019 lösten Explorationen eine Serie von Erdbeben in der Grafschaft Lancashire aus - die stärkste Erschütterung hatte eine Stärke von 2,9 auf der Richterskala. Der britische Wirtschaftsminister Jacob Rees-Mogg sagte, dass Aktivitäten von 2,5 und darunter "Millionen Mal pro Jahr auf der ganzen Welt vorkommen".
Chris Cornelius, Geologe und Gründer des Unternehmens Cuadrilla Resources, das in Lancashire frackte, sagte im Interview mit dem "Guardian", dass er die Fracking-Unterstützung der britischen Regierung lediglich für eine politische Geste halte. Für die nahe Zukunft schloss er Fracking in Großbritannien aus. Kein vernünftiger Investor würde das Risiko eingehen, sich auf große Projekte einzulassen, so Cornelius. Die Geologie dort sei im Vergleich zu Nordamerika herausfordernder.
"Selbst wenn sich die Risiken als überschaubar und akzeptabel erweisen sollten, würde sich Schiefergas nur dann signifikant auf die Versorgung des Vereinigten Königreichs auswirken, wenn in den nächsten zehn Jahren Tausende erfolgreicher Bohrungen durchgeführt würden", sagte Andrew Aplin, Professor an der Durham University.
Fracking eine Option?
In Deutschland sei Fracking lange kein Thema gewesen, sagt Mirko Schlossarczyk vom Energieberatungshaus Enervis. Viele Jahre sei der Gaspreis so niedrig gewesen, dass sich das Fracking nicht gelohnt habe. Laut Schätzungen von Enervis ist in Nordamerika Gas-Fracking schon ab einem Erdgaspreis von knapp 20 Euro je Megawattstunde wettbewerbsfähig. Europa und insbesondere Deutschland benötige einen Erdgaspreis von etwa 40 bis 60 Euro je MWh. Auch wenn der Gaspreis zuletzt gesunken ist, kostet eine Megawattstunde Gas noch immer rund 190 Euro. Unter der heutigen Gaspreisnotierung sei Fracking also wirtschaftlich interessant, so der Energiefachmann gegenüber tagesschau.de.
Allerdings sei dafür ein geeigneter und langfristig stabiler Rechtsrahmen nötig. Und selbst wenn solch ein Rechtsrahmen geschaffen würde - die Unternehmen könnten dann noch immer sagen, dass sich das nicht lohne. Die komplette Infrastruktur lässt sich aus Sicht von Schlossarczyk nicht etwa schnell aufbauen, schließlich ginge es um große Investitionen und auch um den Bergbau.
Zudem seien die Umweltbedenken beim Thema Fracking nicht von der Hand zu weisen. So seien Deutschland und Europa weitaus dichter besiedelt als etwa die Vereinigten Staaten. Die Auswirkungen des Frackings in Form von Erdbeben seien in Europa daher deutlich spürbarer als in den USA, sagt Schlossarczyk.
Von lokalen Gegebenheiten abhängig
Charlotte Krawczyk, Professorin für Geophysik und Vorsitzende der Expertenkommission Fracking, sagt tagesschau.de, dass man für ein mögliches Fracking unkonventioneller Lagerstätten in Deutschland keine generalisierte Aussage vorab treffen könne. Ob und in welcher Ausgestaltung Bohrungen möglich seien, sei vor allem von lokalen Gegebenheiten abhängig. Um das natürliche System einschätzen zu können, empfiehlt die Expertenkommission daher eine Überwachung von einem Jahr. Der "Exploitation", also der Ausbeutung von Ressourcen, gehe immer die Exploration, also die Erkundung voran, so Krawczyk.
Nicht alles an dem Prozess sei dabei komplett neu, in Deutschland gebe es bereits Bohrgeschehen an konventionellen Lagerstätten. Um unkonventionelle Lagerstätten fracken zu können, sei aber eine Gesetzesänderung notwendig, zudem hätten auch die Bundesländer Mitspracherecht, und alle bergrechtlichen Belange müssten abgearbeitet werden. Das sei auch eines der Argumente, warum es für diesen Winter keine schnelle Lösung geben werde, merkt Krawczyk an.
Bei vielen Lagerstätten sei zudem das tatsächliche Potential nicht vollständig bekannt. Im Mittel wird in Deutschland laut Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) mit Vorkommen von insgesamt 800 Milliarden Kubikmetern Schiefergas gerechnet - die Ressourcen würden also bei einem jährlichen Verbrauch in Deutschland von etwa 90 Milliarden Kubikmetern nicht einmal zehn Jahre ausreichen. Zwar könne der Wert deutlich darüber liegen, aber auch weit darunter.