Studie der "Energy Watch Group" Fracking wird gewaltig überschätzt
"Vergesst Peak Oil, die Zeit des knappen Erdöls ist vorbei, Öl- und Gaspreise werden sinken. Energiewende ist nicht mehr nötig, denn dank Fracking haben wir bald Öl und Gas im Überfluss" - so oder so ähnlich ist es derzeit auf fast jeder Energiekonferenz irgendwo in Deutschland zu hören. Doch das Potenzial des Frackings, bei dem mit Wasser und Chemie bislang unzugängliche Öl- und Gasquellen erschlossen werden, wird gewaltig überschätzt, sagt eine aktuelle Studie der "Energy Watch Group", die heute in Berlin vorgestellt wurde.
Von Jürgen Döschner, WDR
Seit einigen Jahren werden in den USA durch den Vormarsch des Frackings, also dem Aufbrechen des Gesteins mit Hilfe von Wasser und Chemikalien, gewaltige Erdöl- und Erdgasvorkommen erschlossen, die bislang unzugänglich waren. Die Internationale Energie Agentur, IEA, sieht die USA auf dem Weg zum größten Erdölproduzenten der Welt und zur Unabhängigkeit von ausländischen Öl- und Gasimporten.
Industrie und Politik in Europa und anderen Teilen der Welt scheinen gleichermaßen elektrisiert von der Vorstellung, dass sich die Erfolgsgeschichte des Fracking auf andere Länder übertragen ließe. "Peak Oil" und explodierende Preise waren gestern, die Zukunft bringt Öl und Gas im Überfluss und zu Spottpreisen. Doch das Potenzial des Frackings wird gewaltig überschätzt, sagt eine aktuelle Studie der "Energy Watch Group", die heute in Berlin vorgestellt wird.
Keine Alternative für konventionelle Erdölförderung
Nach wie vor wichtigster Energieträger und damit auch zentraler Punkt der Studie ist das Erdöl. Unbestritten ist in der Fachwelt, dass die konventionelle Erdölförderung bereits im Jahr 2005 ihren Höhepunkt erreicht hat.
Die entscheidende Frage ist, ob der seitdem eingetretene Rückgang der konventionellen Förderung durch die Erschließung unkonventioneller Quellen, zum Beispiel Ölsande, Tiefseeöl oder eben per Fracking gewonnenes Schiefer-Öl, diesen Rückgang ausreichend und dauerhaft ausgleichen kann.
Die Autoren kommen in ihrer Studie zu einem klaren Nein. Zum einen, so argumentieren sie, haben in den USA bestimmte geologische, politische und ökonomische Voraussetzungen den Fracking-Boom überhaupt erst möglich gemacht. Und diese Voraussetzungen sind in keinem anderen Teil der Welt so wieder zu finden.
Ein anderes Argument ist die Geologie. Nach Erkenntnissen der vorliegenden Studie erreichen jene Öl-Quellen, die per Fracking ausgebeutet werden, wesentlich schneller als konventionelle Quellen ihr Fördermaximum. Und der darauf folgende Abfall der Förderrate ist erheblich dramatischer - im Schnitt rund 30 Prozent pro Jahr. Die Folge ist ein sich immer mehr beschleunigender Wettlauf: Für die immer schneller erschöpften alten Quellen müssen immer schneller und immer mehr neue erschlossen werden - bei steigenden Kosten, niedrigerem Ertrag und sinkender Zahl der Felder.
Unkonventionelle Quellen schneller beim Fördermaximum
Der Ablauf ist im Prinzip derselbe wie bei konventionellen Quellen - genauso wie das Ergebnis: Irgendwann erreichen auch die unkonventionellen Quellen ihren Höhepunkt, aber eben schneller. Nach der vorliegenden Studie dürfte dies in den USA zwischen 2015 und 2017 der Fall sein. Dann trifft eine steil abfallende Förderung von Fracking-Öl auf eine sinkende konventionelle Ölproduktion.
Weltweit, so haben die Autoren der Studie errechnet, dürfte die Ölförderung bis 2030 rund 40 Prozent niedriger liegen als heute - und das bei weiter steigendem Bedarf.
Ähnliche Werte bei Erdgas
Mit gewissen Abweichungen kommt die Studie beim Erdgas zu denselben Schlüssen wie beim Erdöl, nur dass hier beispielsweise der Produktionsrückgang sogar bei 70 bis 80 Prozent pro Jahr liegt. Weltweit wird danach bereits 2020 das Fördermaximum beim Erdgas erreicht sein.
Dabei sind die Zahlen und Prognosen keineswegs aus der Luft gegriffen. Die Autoren haben für ihre Berechnungen vor allem Daten aus der Vergangenheit ausgewertet und auf deren Basis die weitere Entwicklung hochgerechnet. Es sind belastbare Daten von bestehenden Öl- und Gasfeldern, akribisch aufgeführt und anschaulich dargestellt - und vor allem schwer zu widerlegen.
Rohstoffe immer knapper und immer teurer
Das Ergebnis dieser Studie ist dramatisch: Erdöl und Erdgas, aber auch Kohle und selbst Uran werden in den kommenden Jahren immer knapper und damit teurer. Daran wird auch der Fracking-Boom in den USA nichts ändern Die Versorgung der Welt mit ihren "traditionellen" Energierohstoffen ist alles andere als sicher.