Kommission legt Gesetzentwurf vor Ein Hauch von Emotionen für die Finanzsteuer
Jahrelang wurde gestritten, 2014 soll sie in elf Euro-Staaten kommen: Die Finanztransaktionssteuer. Nach dem Willen der EU muss sie alle Akteure auf den Finanzmärkten treffen. Der zuständige Kommissar zeigte sich bei der Präsentation der Vorschläge so emotional wie selten.
Von Wolfgang Landmesser, WDR-Hörfunkstudio Brüssel
Der litauische EU-Steuerkommissar fiel in Brüssel bisher nicht durch große Gefühlsausbrüche auf. Aber heute war es Algirdas Semeta ein sehr großes Vergnügen, einen besonderen Vorschlag zu präsentieren - das letzte noch fehlende Stück für eine Finanztransaktionssteuer in der EU. Bis hier hin war es ein langer Weg.
Großbritannien und Schweden außen vor
Bereits vor eineinhalb Jahren hatte die EU-Kommission den ersten Vorschlag für eine Finanztransaktionssteuer gemacht - und zwar für die EU insgesamt. Schon bald war klar, dass nicht alle Mitgliedsländer von den Plänen begeistert waren. Vor allem Großbritannien und Schweden machten Stimmung dagegen. Aber Deutschland und Frankreich wollten die Finanzmarktsteuer unbedingt - fanden genügend Verbündete.
Jetzt sind es vorerst elf Staaten, die eine solche Steuer einführen wollen. Das Ziel der EU-Kommission: Alle Akteure an den Finanzmärkten und deren Produkte soll es treffen. "Sobald eine Verbindung zu einem der elf Länder besteht, wird die Steuer fällig. Entweder, wenn der Händler aus dem Land stammt oder das Finanzprodukt."
Konkret müssen die Händler bei Aktien und Anleihen einen Aufschlag von 0,1 Prozent pro Transaktion zahlen. Bei sogenannten Derivaten - also für Finanzwetten auf Rohstoffpreise oder Aktienkurse - werden 0,01 Prozent erhoben.
Kleinaktionäre sollen geschont werden
Kleinaktionäre würden dagegen geschont, sagt Semeta: "Die Realwirtschaft wird geschützt, indem wir alltägliche Finanzgeschäfte von Bürgern und Unternehmen ausgenommen haben; genauso wie Aktivitäten, um Kapital aufzunehmen." Gemeint sind Börsengänge oder wenn Staaten Anleihen auf den Markt bringen. Auch der Euro-Rettungsfonds bleibt nach dem Entwurf von der Finanztransaktionssteuer verschont.
Allerdings könnten Kunden von Aktien- und Investmentfonds indirekt zur Kasse gebeten werden, wenn die Unternehmen die Kosten des Handels auf sie abwälzen. Die Kosten für die Sparer seien aber überschaubar - gerade bei Fonds mit einer eher konservativen Anlagestrategie, schätzt die EU-Kommission. Der Vorschlag ist seiner Ansicht nach umfassend und ausgewogen.
Jetzt seien die elf Staaten an der Reihe. Schon im kommenden Jahr könnten sie die Finanztransaktionssteuer einführen. Nichts stehe mehr im Weg, sagte Semeta am Ende - auch nicht völlig emotionslos.
Eine Finanztransaktionssteuer soll bei jedem Kauf oder Verkauf von Aktien, Devisen, festverzinslichen Wertpapieren und anderen wichtigen Finanzprodukten gezahlt werden. Die Abgabe könnte dazu beitragen, Spekulationsgeschäfte einzudämmen.
Vor allem Globalisierungskritiker fordern seit Jahren eine solche Spekulationssteuer - die Rede ist von 0,1 bis 0,25 Prozent. Selbst ein geringerer Steuersatz von lediglich 0,01 bis 0,05 Prozent für den Handel mit Finanzprodukten würde nach früheren Berechnungen allein in Deutschland zu Steuereinnahmen zwischen zehn und 20 Milliarden Euro führen.
Die Idee einer Finanztransaktionssteuer geht auf den US-Ökonomen James Tobin zurück. Er brachte 1972 eine Steuer auf alle grenzüberschreitenden Devisenspekulationen ins Spiel und hatte eine Abgabe von einem Prozent vorgeschlagen.