Im Regen: Logo des Medienunternehmens ProSiebenSat.1 an einem Schild vor einem Konzerngebäudex

Aktie abgestürzt Warum steckt ProSiebenSat.1 in der Krise?

Stand: 28.04.2023 10:28 Uhr

ProSiebenSat.1 hat überraschend seine Dividende nahezu komplett gestrichen. Das löst an der Börse einen heftigen Kurssturz aus. Was ist los beim Medienkonzern?

Für ProSiebenSat.1-Aktionäre ist es ein rabenschwarzer Tag: Papiere des Medienkonzerns brechen im frühen Handel bis zu 18,9 Prozent auf 7,92 Euro ein. Die Aktie löscht damit auf einen Schlag ihren gesamten Jahresgewinn aus. Eine Unternehmensmeldung vom Vorabend erwischt die Anleger auf dem völlig falschen Fuß.

Dividendenrendite nahe null

ProSiebenSat.1 hatte gestern nach Börsenschluss bekannt gegeben, dass es für 2022 nur noch fünf Cent Dividende geben soll. Zum Vergleich: Für das Jahr 2021 hatte das Unternehmen noch 80 Cent je Aktie ausgeschüttet. Analysten hatten für 2022 mit 66 Cent gerechnet. Die Dividendenrendite sinkt damit von 6,8 Prozent auf fast null.

Schwerer als die heftige Dividendenkürzung wirkt aber der Vertrauensverlust. Der Ruf des Medienkonzerns als Dividendenbringer ist erst einmal zerstört; es dürfte Jahre dauern, das Vertrauen der Anleger wieder aufzubauen.

Womöglich "erhebliche" finanzielle Belastungen

Dessen dürfte sich auch der ProSiebenSat.1-Vorstand bewusst sein. Warum also wagt er diesen krassen Schritt? Das Unternehmen selbst verweist auf eine veränderte Dividendenpolitik, die nun auch "mit besonderem Fokus ein angemessenes Niveau des Verschuldungsgrads" berücksichtige.

Tatsächlich dürften es aber in erster Linie rechtliche Probleme mit seiner Tochter Jochen Schweizer mydays sein, die das Unternehmen dazu nötigen, weniger Geld an die Aktionäre auszuschütten und dafür mehr auf die hohe Kante zu legen. "Die möglichen finanziellen Belastungen für den Konzern im Zusammenhang mit den behördlichen Untersuchungen sind derzeit noch nicht abschätzbar, könnten aber erheblich sein", teilte ProSiebenSat.1 mit.

Regulatorische Fragen bei Jochen Schweizer mydays

Hintergrund sind zahlreiche regulatorische Fragen, die zuletzt zum Geschäft von Jochen Schweizer mydays aufgetaucht waren. Deshalb hatte ProSiebenSat.1 sogar seine Bilanz-Vorlage verschieben müssen und wäre fast vorübergehend aus dem MDAX geflogen, denn so etwas sieht die Deutsche Börse in ihren Auswahlindizes nicht gern. Es war die Frage aufgekommen, inwieweit Teile der Geschäftstätigkeit von Jochen Schweizer und mydays unter das sogenannte Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) fallen.

Gestern Abend erklärte der Konzern, das Produktangebot sei im März angepasst worden und könne ohne Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) weiter betrieben werden. Derzeit stimmten beide Firmen Details mit der BaFin ab, um die Gutscheinprodukte abzuwickeln, die vor der Angebotsanpassung ausgegeben wurden und einer Erlaubnis der BaFin nach dem ZAG bedurften.

ProSiebenSat.1 unter Beobachtung der Staatanwaltschaft

"Zudem hat die Staatsanwaltschaft München I einen Beobachtungsvorgang eingeleitet", erklärte der bayerische Medienkonzern. ProSiebenSat.1 und die betroffenen Töchter kooperierten umfassend mit den zuständigen Behörden. Vor dem Hintergrund dieser Neuigkeiten verblassen ein wenig die Geschäftszahlen für 2022, die ProSiebenSat.1 ebenfalls am Abend vorlegte.

Danach fielen die Erlöse wegen schwacher Werbemärkte um 7,4 Prozent auf 4,16 Milliarden Euro, das operative Ergebnis (bereinigtes EBITDA) brach um fast 20 Prozent auf 678 Millionen Euro ein. Für dieses Jahr rechnet der Konzern mit einem stagnierenden Umsatz von 4,1 Milliarden Euro, der um 150 Millionen Euro nach oben oder unten abweichen könne. Das operative Ergebnis dürfte auf etwa 600 Millionen (plus/minus 50 Millionen) Euro sinken.

Berlusconi-Firma von Dividendenkürzung besonders betroffen

Besonders herbe trifft die Dividendenkürzung übrigens dies Familie des früheren italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. Deren Firma Media For Europe (MFE) ist größter Einzelaktionär von ProSiebenSat.1. MFE hält nach eigenen Angaben 25,01 Prozent der Anteile und besitzt durch Finanzinstrumente eine Option auf bis zu 29,9 Prozent. Im Februar war zudem der tschechische Mischkonzern PPF Group eingestiegen, dieser hält inzwischen nach eigenen Angaben 10,1 Prozent.