DAX-Schriftzug auf der Kurstafel an dern Frankfurter Börse
marktbericht

Allzeithoch Neuer DAX-Rekord, alte Sorgen

Stand: 19.05.2023 22:19 Uhr

Die Nachricht, dass die Gespräche zwischen Demokraten und Republikanern über die Anhebung der Schuldengrenze ins Stocken geraten sind, belastete die Wall Street. Zuvor hatte der DAX ein Allzeithoch erreicht.

Der Streit um die US-Schuldengrenze war zum Wochenschluss das beherrschende Thema an den internationalen Aktienmärkten. Nachdem der DAX zuvor ein Allzeithoch erreicht hatte, blieben die US-Indizes schwach. Kurz vor Handelsschluss in Deutschland gab es Medienberichte, wonach die Verhandlungen zwischen den Parteien ins Stocken geraten seien.

Der mit der Leitung der Gespräche beauftragte republikanische Abgeordnete Garret Graves sagte nach einer einstündigen Sitzung, es sei Zeit für eine Pause. Zwischen den Republikanern im Repräsentantenhaus und der demokratischen Regierung bestünden noch Differenzen.

Der Dow Jones büßte frühe Gewinne ein und schloss 0,3 Prozent leichter auf 33.426,63 Punkten. Der marktbreite S&P 500 verlor 0,1 Prozent auf 4191,98 Zähler. Für den Technologieindex Nasdaq 100 ging es um 0,2 Prozent auf 13.803,49 Punkte nach unten.

Der DAX hatte zuvor erstmals in seiner Geschichte die Marke von 16.300 Punkten übersprungen und erreichte im Handelsverlauf knapp 16.332 Zähler. Damit übertraf er die alte Bestmarke bei 16.290 Punkten, die er im November 2021 markiert hatte. Der deutsche Leitindex konnte sein hohes Niveau nach der Nachricht über die Unterbrechung der Gespräche in den USA nicht halten und schloss mit einem Aufschlag von noch 0,7 Prozent auf 16.275 Punkten. In der Handelswoche hat der Index also rund zwei Prozent zugelegt.

Investoren hoffen jetzt auf zwar weitere Kursgewinne, der Rückschlag gegen Handelsende dürfte den Optimisten aber zu denken geben. Das Thema Schuldenstreit ist also keineswegs vom Tisch, auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass sich die Parteien nicht noch einigen werden. Stelle sich der Ausbruch nach oben nicht als Eintagsfliege heraus, dürften neue Höchststände die Folge sein, prognostiziert Christian Henke vom Broker IG. "Das nächste Etappenziel wäre dann die nächste runde Zahl bei 17.000 Zählern." Im September des vergangenen Jahres hatte der DAX noch bei rund 12.000 Punkten notiert.

Es war die Hoffnung auf eine Einigung im US-Schuldenstreit, die die Investoren als Anlass zum Einkauf nutzten. Präsident Joe Biden und der führende Kongressabgeordnete Kevin McCarthy hatten zuletzt ihre Entschlossenheit bekräftigt, eine rasche Einigung zu erzielen.

"Es ist und bleibt die Hoffnung auf den großen Wurf im US-Schuldenstreit, welche Anleger bei der Stange hält", meint Marktanalyst Timo Emden. Die schwelenden Inflations- und Rezessionssorgen befänden sich für einen Moment aus den Augen und damit aus dem Sinn der Marktteilnehmer. Emden zufolge dürften die Marktakteure wirkliche Sorgen um ein Scheitern der Verhandlungen nicht mehr haben. "Doch solange ein finaler Durchbruch nicht in trockenen Tüchern ist, bleiben Restzweifel bestehen", so Emden.

Es gibt trotz des neuen historischen Höchststands aber auch skeptische Stimmen am Markt: "Dieser Rekord ist der unbeliebteste aller Zeiten", schrieb Analyst Daniel Saurenz von Feingold Research. "Denn viele Anleger, vor allem Profis, haben die Rally verpasst und müssen verzweifelt hinterher kaufen". Das aber sei absurd, denn den Börsenrekorden stünden ein enormer Gegenwind von steigenden Zinsen und bestenfalls mittelmäßige Wirtschaftsdaten gegenüber.

Auch für Pierre Veyret vom Handelshaus Activtrades ist der Knoten an den Börsen nicht zweifelsfrei geplatzt. "Die hartnäckige Inflation, die nachlassende Erholungsdynamik in China, die Straffung der Geldpolitik und die Schwächen bei den US-Beschäftigungsdaten und im Bankensektor könnten immer noch als dunkle Wolken für die Anleger betrachtet werden", warnte der Marktanalyst.

Ein Risikofaktor ist nicht zuletzt, dass sich die globale Konjunktur langsamer erholt als erhofft. Erst vor wenigen Tagen hatte ein überraschend geringes Wachstum der chinesischen Industrieproduktion und der Konsumausgaben die Sorgen hinsichtlich der Konjunkturerholung des Landes verstärkt. Chinas Wirtschaft ist für die Weltkonjunktur von enormer Bedeutung.

In der Eurozone bleibt die konjunkturelle Lage ebenfalls angespannt. Die wirtschaftliche Erholung steht nach Einschätzung der Commerzbank auf "wackligen Füßen". Die Experten verweisen auf die deutlichen Zinserhöhungen der EZB seit Mitte 2022. "Dies wird mit der üblichen Verzögerung die Binnennachfrage merklich bremsen", heißt es in einem Ausblick. Und aktuelle Aussagen der EZB-Präsidentin Christine Lagarde deuten auf weitere Zinsschritte hin: "Wir steuern künftig auf heiklere Entscheidungen zu, aber wir werden beherzt sein und die Entscheidungen treffen, die nötig sind, um die Inflation wieder auf zwei Prozent zurückzuführen", sagte Lagarde dem spanischen Fernsehsender TVE.

Ungemach für die Weltwirtschaft bergen auch die Spannungen zwischen den USA und China in puncto Unabhängigkeit Taiwans. Westliche Staaten treibt auch deshalb die Sorge um ihre Abhängigkeit von China bei der Versorgung etwa mit Rohstoffen, Pharmaprodukten und Elektronikchips um. Sie steuern aktuell zwar gegen, allerdings wird es Jahre dauern, ausreichend eigene Kapazitäten aufzubauen. Der Chefvolkswirt der Allianz, Ludovic Subran, sieht denn auch die Gefahr einer neuen Protektionismus-Phase.

Update Wirtschaft vom 19.05.2023

Antje Erhard, HR, tagesschau24, 19.05.2023 09:00 Uhr

Ob der DAX seinen Höhenflug am kommenden Montag fortsetzen kann, hängt auch von der Wall Street ab. Dort sind die Anleger deutlich zurückhaltender. Der Dow Jones sinkt um 0,5 Prozent auf 33.368 Punkte. Der breiter gefasste S&P 500 und der Index der Technologiebörse Nasdaq fallen ebenfalls zurück.

Adidas will Teile des Bestandes an den gemeinsam mit Rapper Kanye West auf den Markt gebrachten Produkten der "Yeezy"-Reihe auch nach der Trennung von dem umstrittenen Musiker weiter verkaufen. Ein "signifikanter Betrag" soll an Organisationen gespendet werden, die sich gegen Diskriminierung und Hass, einschließlich Rassismus und Antisemitismus, einsetzen, teilte Adidas mit. Der Verkauf der ersten "Yeezy"-Produkte soll noch im Mai starten. Die teure Abkehr von dem Skandalrapper und seinen "Yeezy"-Produkten hat dem Sportartikelhersteller im ersten Quartal bereits einen Verlust eingebrockt. Unter dem Strich stand ein Minus von 24 Millionen Euro.

Der VW-Konzern zieht sich bis auf Weiteres vollständig aus Russland zurück. Das Werk in Kaluga werde an die Handelsgruppe Avilon verkauft, teilten die Wolfsburger mit. Nach früheren Schritten im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg markiert die Entscheidung de facto das Aus eines eigenständigen Russland-Geschäfts bei Europas größter Autogruppe. Laut Medienberichten hatte Moskau diese Woche grünes Licht gegeben.

Der italienische Medienkonzern MFE-Mediaforeurope pirscht sich bei ProSiebenSat.1 an eine Beteiligung von 30 Prozent heran. Die vom ehemaligen Regierungschef Silvio Berlusconi und seiner Familie kontrollierte MFE teilte mit, sie habe ihren Aktienanteil "abgerundet" und halte nun direkt 26,58 Prozent an dem bayerischen Fernseh-Unternehmen. Einschließlich Derivaten kommt MFE sogar auf 28,87 Prozent. Auf der Hauptversammlung, auf der von ProSiebenSat.1 selbst gehaltene Aktien kein Stimmrecht haben, könnte MFE damit 29,7 Prozent in die Waagschale werfen.

Die Statthalterin von MFE in München, Katharina Behrends, soll Insidern zufolge im Juni in den Aufsichtsrat von ProSiebenSat.1 einziehen. Bei einem direkten Anteil von mehr als 30 Prozent wäre ein Pflichtangebot an die übrigen Aktionäre fällig. Das Überschreiten der 25-Prozent-Schwelle, das MFE erst vor kurzem gemeldet hatte, hat die bayerische Medienaufsicht auf den Plan gerufen. Sie prüft die Berlusconi-Holding auf die gebotene Staatsferne.

Die Privatbank Berenberg hat die Einstufung für BioNTech auf "Buy" mit einem Kursziel von 200 US-Dollar belassen. Die Weltgesundheitsorganisation habe zum Schutz gegen die Coronavariante XBB1.5. eine Aktualisierung des Impfschutzes etwa mit einem monovalenten Impfstoff empfohlen, schrieb Analyst Zhiqiang Shu. Das sei positiv für die Hersteller von mRNA-Impfstoffen wie etwa BioNTech.

Der US-Konzern Apple hat die Nutzung von ChatGPT und anderen KI-Tools für seine Mitarbeiter eingeschränkt. Wie das "Wall Street Journal" unter Berufung auf ein Dokument sowie Insider berichtete, ist Apple darüber besorgt, dass die Mitarbeiter während der Nutzung vertrauliche Daten weitergeben könnten. Apple entwickle im Moment eine ähnliche Technologie, so die Zeitung.

Applied Materials hat mit seiner Umsatzprognose für das dritte Quartal die Markterwartungen übertroffen. Der Chip-Zulieferer geht dabei von 6,15 Milliarden Dollar (plus oder minus 400 Millionen Dollar) aus, wie er gestern nach US-Börsenschluss mitteilte. Analysten erwarten im Schnitt 6,02 Milliarden Dollar. Auf bereinigter Basis verdiente das Unternehmen zwei Dollar je Aktie verglichen mit den Prognosen der Experten von 1,84 Dollar pro Anteilsschein.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 19. Mai 2023 um 17:00 Uhr. Deutschlandfunk berichtete um 15:00 Uhr.