Händler an der New York Stock Exchange.
marktbericht

Wall Street im Minus Nervöse US-Anleger

Stand: 22.08.2024 22:19 Uhr

Vor der mit Spannung erwarteten Rede von Notenbankchef Jerome Powell haben die Anleger sich vom Markt zurückgezogen. Bei nervösem Handel gaben Dow & Co. nach.

Die Wall Street ist heute nach einem zunächst noch freundlichen Handelsstart im Gefolge unter Abgabedruck geraten. Vor der wichtigen Rede von Notenbankchef Jerome Powell am Freitag zur weiteren Geldpolitik der Bank herrschte bei den Anlegern viel Nervosität.

Der Dow Jones notierte am Ende 0,43 Prozent tiefer bei 40.712 Zählern. Der marktbreite S&P 500 verlor 0,89 Prozent und die technologielastige Nasdaq sackte um 1,67 Prozent ab. Der Auswahlindex Nasdaq 100 fiel in der gleichen Größenordnung zurück.

"Powell wird in seiner Rede voraussichtlich Zinssenkungen ankündigen, aber die Geschwindigkeit und das Ausmaß der Lockerung bleiben ungewiss", schrieb Volkswirt James McCann vom Vermögensverwalter Abrdn. Angesichts der anhaltend moderaten Inflation und der sich abzeichnenden Schwächen auf dem Arbeitsmarkt könne die Fed vorrangig versuchen, eine weiche Landung herbeizuführen, indem sie die restriktiven geldpolitischen Einstellungen zurückfahre.

Mit der Währungshüterin Susan Collins signalisierte derweil eine weitere Notenbankerin ihre Bereitschaft zu einer Zinswende. Sie denke, dass es bald angebracht sei, mit einer Lockerung zu beginnen, sagte die Chefin der regionalen Notenbank von Boston heute dem Sender Fox Business. Mit Blick auf den weiteren geldpolitischen Pfad sei ein schrittweises, methodisches Vorgehen wahrscheinlich angemessen.

Die Zinshoffnungen der Wall Street erhielten Rückenwind von den wöchentlichen Erstanträgen auf Arbeitslosenhilfe. Diese sind in der vergangenen Woche leicht um 4.000 auf 232.000 gestiegen, wie das Arbeitsministerium am Nachmittag in Washington mitteilte. Volkswirte hatten im Schnitt mit dieser Zahl von Hilfsanträgen gerechnet.

Die Zahl der Hilfsanträge hält sich damit trotz des Anstiegs auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau, was auf einen weiter robusten Arbeitsmarkt hindeutet.

Der jüngste Arbeitsmarktbericht der US-Regierung hatte allerdings einen unerwartet schwachen Stellenzuwachs gezeigt und mit 4,3 Prozent die höchste Arbeitslosenquote seit fast drei Jahren. Ziel der Fed ist es, die Wirtschaft zwar zu dämpfen, nicht aber die Konjunktur abzuwürgen.

Gestern hatte das Arbeitsministerium in Washington die Schätzung für die Gesamtbeschäftigung von April 2023 bis März 2024 um 818.000 Stellen oder 0,5 Prozent nach unten korrigiert. Die Ökonomen der ING Bank schrieben, die Dynamik am US-Arbeitsmarkt sei schwächer als zuvor gedacht. Das könnte als ein weiteres Argument für die Angemessenheit von Zinssenkungen betrachtet werden.

"Unter dem Strich können die Notenbanker eine Änderung der Geldpolitik nun viel leichter mit den neuen, schwächeren Daten begründen und haben mehr Handlungsspielraum" heißt es von den Marktbeobachtern von Index Radar.

Der heimische Aktienmarkt stand auch heute ganz im Zeichen der sich abzeichnenden US-Zinswende, die Anleger auf beiden Seiten des Atlantiks elektrisiert. Schwache heimische Konjunkturdaten wurden dabei erneut ignoriert.

Dabei folgte der DAX heute bekannten Mustern. Nach freundlicher US-Eröffnung erreichte der deutsche Leitindex am Nachmittag bei 18.551 Punkten sein Tageshoch. Er folgte dann aber sich abschwächenden US-Börsen und ging am Ende bei 18.493 Punkten nur noch mit einem moderaten Aufschlag von 0,24 Prozent aus dem Handel. Der MDAX der mittelgroßen Werte ging bei 24.967 Zählern um 0,21 Prozent höher aus dem Handel.

Die Marke von 18.500 Punkten war heute umkämpft, sie ist zudem eine wichtige charttechnische Widerstandsmarke. Sie zu überwinden, könne den Einbruch vom Monatswechsel endgültig vergessen machen, schreiben die technischen Analysten der HSBC. Gestern hatte der deutsche Leitindex 0,5 Prozent höher bei 18.448 Punkten geschlossen.

Der Rückgang des DAX vom Monatsanfang bis auf fast genau 17.000 Punkte, als US-Rezessionssorgen aufgekommen waren, ist damit nahezu komplett wieder aufgeholt worden.

Ob es von dem heutigen Niveau im DAX weiter nach oben gehen kann, dürfte in den USA entschieden werden. Die Marktteilnehmer rechnen fest mit belastbaren Hinweisen auf eine erste Zinssenkung durch Fed-Chef Jerome Powell beim derzeitigen Notenbankertreffen in Jackson Hole, aber auch den weiteren Pfad, den die Fed einschlagen wird.

"Die Finanzmärkte preisen nun Zinssenkungen der US-Notenbank Federal Reserve im September sowie in den Folgesitzungen fest ein", meint Ulrich Stephan, Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden bei der Deutschen Bank.

Geldpolitische Unterstützung könnte auch die europäische Wirtschaft gut gebrauchen und dabei besonders die deutsche. Heute gab es den nächsten Rückschlag, nachdem in der Vorwoche schon die Auftragseingänge der Industrie geschwächelt hatten.

Konkret sank der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft, also Industrie und Dienstleister, auf 48,5 Zähler und entfernte sich damit weiter von der Wachstumsschwelle von 50 Punkten, wie der Finanzdienstleister S&P Global zu seiner monatlichen Firmenumfrage mitteilte. Der Wert markiert ein Fünfmonatstief.

"Diese Zahlen sind ein Desaster. Die Rezession in der deutschen Industrie hat sich im August vertieft, und eine Erholung ist nicht in Sicht", sagte Chefvolkswirt Cyrus de la Rubia von der Hamburg Commercial Bank (HCOB), der Sponsorin der Umfrage.

"Die Wirtschaft benötigt dringend Unterstützung in Form von Zinssenkungen", erklärte Jean-Paul van Oudheusden, Analyst bei der Handelsplattform eToro. Für die Anleger sei dies allerdings nichts Neues. Die Reaktionen bei Aktien, Anleihen und dem Euro blieben daher verhalten.

Update Wirtschaft vom 22.08.2024

Samir Ibrahim, HR, Update Wirtschaft, 22.08.2024 09:00 Uhr

Der Euro ist heute gesunken und hat die Kursgewinne der vergangenen Handelstage nicht fortgesetzt. Zuletzt wurde die Gemeinschaftswährung im US-Handel bei 1,1109 Dollar nahe Tagestief gehandelt - und etwa einen halben Cent niedriger als am Morgen. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,1135 (Mittwoch: 1,1116) Dollar fest. Zuvor hatten bereits enttäuschende Konjunkturdaten aus Deutschland den Euro belastet.

Marktbeobachtern sprachen von einer Gegenbewegung. Zuvor war der Euro vier Handelstage in Folge gestiegen und hatte am Mittwochabend bei 1,1174 Dollar den höchsten Stand seit Juli 2023 erreicht. Die Aussicht auf sinkende Zinsen in den USA hatte den Dollar zu allen anderen wichtigen Währungen belastet und auch dem Euro im Gegenzug Auftrieb verliehen.

S&P-Global-PMI-Daten aus den USA fielen uneinheitlich aus. Während die Dienstleister im August mit 55,2 Punkten deutlich über der Wachstumsschwelle und den bei 54,0 Punkten liegenden Erwartungen lagen, fiel der Stimmungsindikator für die Industrie zurück. Mit 48,0 Punkten lag er auch unter den Schätzungen der Analysten.

Im Entschädigungsstreit zwischen der Deutschen Bank und früheren Postbank-Aktionären hat sich das Institut mit einem großen Teil der Kläger geeinigt. Die Einigung habe einen positiven Effekt auf das Vorsteuerergebnis im dritten Quartal von 430 Millionen Euro, teilte die Bank mit. Mit mehr als 80 Klägern, auf die insgesamt fast 60 Prozent aller geltend gemachten Forderungen entfielen, sei wie von dem Institut vorgeschlagen ein Vergleich auf Basis eines Preises von 31 Euro je Aktie geschlossen worden.

Hintergrund ist die Mehrheitsübernahme der Postbank durch die Deutsche Bank im Jahr 2010. Es geht um die Frage, ob die in diesem Jahr beschlossene Zwangsabfindung der Minderheitsaktionäre angemessen war und ob die Deutsche Bank nicht schon vor dem öffentlichen Übernahmeangebot für die Postbank 2010 faktisch die Kontrolle über das Bonner Institut hatte - und den Anlegern mehr Geld hätte zahlen müssen. Die Bank zahlte damals 25 Euro. Die DB-Aktie stand mit einem Plus von über drei Prozent heute an der DAX-Spitze.

Infineon und der Insolvenzverwalter des früheren Chipherstellers Qimonda haben sich auf einen Vergleich geeinigt. Damit werde der seit Ende 2010 am Landgericht München I anhängige Rechtsstreit beendet, teilte Infineon am späten Abend mit. 

Die Vergleichsvereinbarung sehe eine Zahlung von 753,5 Millionen Euro vor und setze sich aus einer nominellen Vergleichssumme von 800 Millionen Euro abzüglich Anrechnungsbeträgen aus früheren Verträgen mit dem Insolvenzverwalter zusammen. Ursprünglich hatte dieser rund 3,4 Milliarden Euro zuzüglich Zinsen gefordert. Die Zahlung werde aus vorhandenen Barmitteln erfolgen. Der Vergleich muss nun noch durch das Gericht festgestellt werden.

Im Jahr 2006 hatte Infineon sein Speichergeschäft ausgegliedert und in Form von Sacheinlagen in Qimonda eingebracht. Anfang 2009 stellte Qimonda Insolvenzantrag. In dem Rechtsstreit ging es unter anderem um den Vorwurf, dass das von Infineon ausgegliederte Speichergeschäft nicht werthaltig gewesen sei.

Der Veranstalter und Ticketvermarkter CTS Eventim hat sein Wachstum im zweiten Quartal beschleunigt und erhöht die Prognose. Dank eines starken Anstiegs der Ticketverkäufe legte der Umsatz im zweiten Quartal um mehr als ein Fünftel auf knapp 794 Millionen Euro zu. Damit konnte das Unternehmen sein Wachstum im Vergleich zum ersten Quartal fast verdoppeln. Für 2024 erhöhte CTS Eventim die Ergebnisprognose und erwartet nun einen "deutlichen" Anstieg des bereinigten Ebitda. Bislang hatte das Unternehmen eine "moderate" Steigerung in Aussicht gestellt. Viele Sommershows, Open Airs, sowie diverse Festivals fänden im dritten Quartal statt und sorgten daher für weitere positive Impulse im Live-Segment, hieß es.

Microsoft hat seine Umsatzprognose für seine Cloud-Angebote im ersten Quartal gesenkt. Der US-Softwarekonzern erklärte in einer Präsentation für Investoren, im Segment Intelligent Cloud werde nun ein Umsatz von 23,8 bis 24,1 Milliarden Dollar erwartet. Zuvor waren 28,6 bis 28,9 Milliarden Dollar prognostiziert worden. Der Hersteller des Betriebssystems Windows verzeichnete bereits im Juli ein verlangsamtes Wachstum seines Cloud-Geschäfts. Eine Beschleunigung des Wachstums in diesem Bereich sei in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres 2025 zu erwarten, hieß es.

Zoom hat angesichts einer regen Nachfrage nach seinen KI-gestützten Kollaborationswerkzeugen seine Umsatzprognose für das Gesamtgeschäftsjahr erhöht. Der Anbieter von Videokonferenzlösungen gab eine Spanne von 4,63 bis 4,64 Milliarden Dollar an, nach bislang 4,61 bis 4,62 Milliarden Dollar. Der Konzern treibt die Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) in seine Produkte voran. Hintergrund ist unter anderem der Trend zu hybriden Arbeitsmodellen. Die Aktie steigt an der Nasdaq zur Eröffnung über 8,5 Prozent.

Geringe Großschäden haben dem weltweit zweitgrößten Rückversicherer Swiss Re überraschend viel Gewinn beschert. Im ersten Halbjahr fuhr die Rivalin des deutschen Weltmarktführers Munich Re einen Gewinn von rund 2,1 Milliarden Dollar ein, wie sie heute in Zürich mitteilte. Das war mehr als von Analysten erwartet und mehr als die 1,8 Milliarden Dollar ein Jahr zuvor.

"Wir gehen derzeit von einer anhaltend starken Nachfrage nach Rückversicherungsschutz aus", sagte Finanzchef John Dacey. "Die Erstversicherer haben deutlich gemacht, dass sie jemanden brauchen, der ihnen bei der Bewältigung des Risikos hilft." An der Börse kam dies gut an, die Aktie legt in Zürich fast fünf Prozent zu. Auch das Papier der Münchner Rück gewann im DAX, allerdings mit 0,8 Prozent nicht so stark.

An der Spitze des Nahrungsmittelriesen Nestle kommt es überraschend zu einem Wechsel. Konzernchef Mark Schneider tritt nach acht Jahren als CEO zurück, wie das Schweizer Unternehmen am Abend mitteilte. Zum 1. September übernehme Laurent Freixe die Führung des Herstellers von Nespresso, Maggi, KitKat oder Perrier. Freixe, der gegenwärtig das Lateinamerikageschäft leite, solle 2025 auch in den Nestle-Verwaltungsrat gewählt werden.

Nestle hatte Ende Juli den Ausblick gesenkt und erwartet für das Gesamtjahr 2024 nun noch ein organisches Umsatzwachstum von mindestens drei (zuvor vier) Prozent. Schneider hatte den Chefposten bei Nestle im Januar 2017 übernommen. Der frühere Lenker des deutschen Medizintechnikkonzerns Fresenius baute den Nahrungsmittelhersteller um, indem schwächere Bereiche verkauft und wachstumsstärkere zugekauft wurden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 im "Update Wirtschaft" am 22. August 2024 um 09:00 Uhr.