Wall Street zurückhaltend Zinswende, na und?
Alles spricht derzeit für eine baldige Zinswende in den USA. Damit schwindet aber auch der spekulative Reiz. An der Wall Street kamen die Kurse nur noch wenig voran.
Wie ungenau Statistiken sein können, zeigte am Mittwoch einmal mehr die Revision der Jobdaten in den USA. Zwischen April 2023 bis März 2024 seien im Schnitt wohl 68.000 Stellen pro Monat weniger geschaffen worden als ursprünglich gemeldet, teilte das Bureau of Labor Statistics (BLS) am Nachmittag mit. Zuvor war für den Zeitraum noch ein Wachstum von durchschnittlich 246.000 pro Monat bekanntgegeben worden.
Einmal im Jahr werden die Daten zum Stellenzuwachs vom BLS revidiert. Die Behörde, die dem US-Arbeitsministerium zugeordnet ist, orientiert sich dabei an Unterlagen der staatlichen Arbeitslosenversicherung.
An der Wall Street, die noch vor zwei Wochen aus Sorge um die US-Konjunktur eingebrochen war, nahmen die Investoren die Revision mit gemischten Gefühlen auf. Immerhin stärkt sie die Erwartung, dass die Notenbank Federal Reserve (Fed) im September die Zinswende nach unten einleitet. Der Dow Jones schloss nach einer wechselhaften Sitzung 0,14 Prozent höher bei 40.890 Punkten.
Die Technologietitel des Nasdaq 100 gewannen 0,53 Prozent auf 19.824 Punkte. Gestern war an den US-Börsen die Gewinnserie gerissen, ohne dass es zu größeren Gewinnmitnahmen gekommen war.
Auch das am Abend veröffentlichte Sitzungsprotokoll der Fed von Ende Juli spricht für eine Zinssenkung beim nächsten Fed-Entscheid am 18. September. Laut der Mitschrift war die "überwältigende Mehrheit" der Währungshüter der Ansicht, dass auf der Sitzung im September eine Lockerung wahrscheinlich angebracht sein dürfte.
Nach einem Tag Pause hat der DAX seine Aufwärtsbewegung wieder fortgesetzt. Zum Handelsende notierte der deutsche Leitindex 0,5 Prozent höher bei 18.448 Punkten. Seinen gestrigen Kursrückgang konnte das deutsche Börsenbarometer damit aber nicht ganz wettmachen.
Mit dem Rücksetzer an Dienstag ist der Markt allerdings etwas aus dem Tritt geraten. Erst bei einem Anstieg über das Hoch vom Dienstagmorgen bei 18.495 Zählern würde der DAX eine neue Aufwärtsdynamik entfalten. Charttechniker mahnen ohnehin zur Vorsicht - auch wenn der kurzfristige Trend derzeit noch nach oben zeigt. "Im Wochenchart befindet sich der DAX bisher noch in einem Abwärtstrend mit einer Kette von tieferen Verlaufshochs und tieferen Verlaufstiefs", gab ING-Charttechnikexperte Christian Zoller zu bedenken.
Einige Marktbeobachter warnen zudem, der deutsche Leitindex sei nach seiner jüngsten Aufholjagd inzwischen "überkauft", er ist also zu schnell zu hoch gestiegen. Auch das würde gegen weitere deutliche Kursgewinne sprechen.
Für besondere Spannung sorgt das morgen beginnende Notenbankertreffen in Jackson Hole. Vor allem die Rede von Fed-Chef Jerome Powell am Freitag wird die Aufmerksamkeit der Anleger auf sich ziehen. "Powell könnte enttäuschen, wenn er die Argumente für eine kurzfristige Zinssenkung nicht weiter verstärkt", befürchtet Anlagestrategin Naomi Fink von Nikko Asset Management.
Der Euro sprang nach den revidierten US-Arbeitsmarktdaten mit 1,1173 Dollar auf den höchsten Stand seit Juli 2023. Dabei ist die Stärke des Euro de facto eine Dollar-Schwäche. Die Aussicht auf Zinssenkungen durch die Fed drückt die US-Devise bereits seit Wochen.
Der Höhenflug des Goldpreises stoppte trotz der Dollar-Schwäche. Eine Feinunze des Edelmetalls kostete am Abend 2.511 Dollar, damit notierte sie rund 12 Dollar unter dem Rekordhoch vom Dienstag. "Die glänzende Rally des Goldes wurde von den Spekulationen auf US-Zinssenkungen getrieben", sagt Anlagestratege Christopher Wong von der Bank OCBC. Wegen der hoch gesteckten Erwartungen an die Geldpolitik werde es für den Fed-Chef Powell schwierig, beim anstehenden Notenbankertreffen in Jackson Hole frische Impulse zu liefern.
Am Ölmarkt gingen die Preise am Abend deutlich zurück. Rohöl der Nordseesorte Brent wurde mit 75,95 Dollar pro Barrel (159 Liter) 1,5 Prozent unter dem Vortagesniveau gehandelt, obwohl die Ölreserven in den USA in der vergangenen Woche unerwartet stark gesunken sind. Die Bestände an Rohöl fielen im Vergleich zur Vorwoche um 4,7 Millionen auf 426,0 Millionen Barrel. Solche Rückgänge stützen in der Regel die Ölnotierungen.
Zu den Kursgewinnern im New Yorker Handel gehörte Ford. Der US-Autobauer ändert wegen hoher Verluste im hart umkämpften Markt für Elektroautos seine Modellpläne grundlegend. So wird es kein großes E-SUV mit drei Sitzreihen geben - dieses soll stattdessen einen Hybridmotor bekommen. Fokussieren will sich Ford auf elektrische Lieferwagen ab 2026 und zwei mittelgroße, preisgünstigere Pickups ab 2027. "Diese Elektrofahrzeuge werden kostengünstiger sein", erklärte Ford-Chef Jim Farley.
Beim Lufthansa-Ferienflieger Discover stehen die Zeichen auf Streik. In getrennten Urabstimmungen haben die Mitglieder der Gewerkschaften Ufo und Vereinigung Cockpit heute für Arbeitskampfmaßnahmen gestimmt. Ein Streiktermin wurde nicht angekündigt. Die beiden Spartengewerkschaften für Piloten und Flugbegleiter arbeiten eng zusammen, um parallele, bereits bestehende Tarifverträge der Konkurrenzgewerkschaft ver.di mit dem Unternehmen überflüssig zu machen. Sie wollen stattdessen jeweils ein eigenes Tarifwerk durchsetzen.
Die Aktien von Minenkonzernen und Stahlherstellern profitierten nach der jüngsten Schwäche von einer positiven Preisentwicklung. Vor allem die Preise für Eisenerz, aber auch für Aluminium oder Betonstahl tendierten nach oben. Dies sorgte für Rückenwind. Im MDAX erholten sich Thyssenkrupp von ihrem vor einer Woche erreichten Rekordtief. Im SDAX konnte die Aktie von Salzgitter zulegen.
Jenseits der großen Indizes ging der Kurseinbruch bei Mynaric weiter. Nach einer Kurshalbierung am Vortag ging es heute noch einmal um mehr als 30 Prozent in die Tiefe. Das Unternehmen, das auf Laserkommunikationsgeräte für Luft- und Raumfahrtzwecke spezialisiert ist, hatte gestern seine Umsatzprognose senken und gleichzeitig jene für den Betriebsverlust erhöhen müssen. Tim Wunderlich von Hauck Aufhäuser Investmentbanking senkte daraufhin das Kursziel auf 0 Euro.
Der US-Elektroautobauer Tesla muss 9.136 Fahrzeuge seines SUV-Modells in die Werkstätten zurückrufen. Grund seien Zierteile, die auf das vordere und mittlere Dach geklebt seien und sich lösen könnten, begründete die US-Aufsichtsbehörde National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) heute ihre Entscheidung. Tesla werde nun die Haftungsfähigkeit der Dachverkleidung testen, ohne dass Kosten für die Fahrzeughalter entstehen.
Der US-Einzelhandelsriese Walmart will sich Insiderberichten zufolge von seiner Beteiligung am chinesischen Internet-Konzern JD.com trennen und sich stattdessen stärker auf seine eigenen Geschäfte in der Volksrepublik konzentrieren. Walmart könnte aus dem Verkauf 3,74 Milliarden Dollar einnehmen.