DAX nahe 15.000 Zuversicht hält an
Neue Zinshoffnungen haben die Aktienmärkte auch zur Wochenmitte beflügelt. Dabei liegen die Dinge in Europa noch gänzlich anders als in den USA.
Alles doch nicht so schlimm? Zuletzt haben sich die Anzeichen dafür verdichtet, dass die Zinsen in den USA nicht mehr so stark steigen werden wie bisher. Mittlerweile erwartet eine klare Mehrheit der Marktteilnehmer, dass die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) den Leitzins Anfang Februar nur um 0,25 Prozentpunkte erhöht. Das stützte zur Wochenmitte auch die Wall Street. Der Dow Jones konnte um 0,8 Prozent zulegen.
Auch den am Donnerstag anstehenden Daten zur US-Inflation im Dezember sehen die Märkte gelassen entgegen. Mehrere Daten gäben Anlass zur Hoffnung, dass sich die Teuerung zum Jahresende 2022 abgeschwächt hat, schrieb der Broker eToro. Dazu zählten geringere Lohn- und Gehaltssteigerungen bei den wöchentlichen Daten vom US-Arbeitsmarkt. Optimismus herrscht unverändert auch angesichts der Wiedereröffnung Chinas nach der langen Zeit strikter Corona-Restriktionen.
Die Technologiewerte an der Nasdaq zogen noch deutlicher an. Der Nasdaq 100 ging 1,76 Prozent höher aus dem Handel. Technologietitel gelten wegen ihrer meist höheren Schuldenquote als besonders zinssensitiv.
Auch der deutschen Markt setzte seine Hoffnungs-Rally fort, die dem DAX in den acht Handelstagen des neuen Jahres bisher einen Zuwachs von 7,4 Prozent eingebracht hat. Damit befindet sich der deutsche Leitindex sich schon wieder dort, wo er vor Beginn der russischen Invasion in die Ukraine im vergangenen Februar lag. Im Tagesverlauf kam der Index sogar bis auf 35 Punkte an die runde Marke von 15.000 Punkten heran.
Dabei befindet sich Europa noch in einer ganz anderen geldpolitischen Lage. Die Europäische Zentralbank (EZB) muss noch deutlich mehr tun, um die Inflation in der Eurozone in den Griff zu bekommen. Das bekräftigten mehrere EZB-Ratsmitglieder. "Die Zinsen werden noch deutlich steigen müssen", sagte Finnlands Notenbankchef Olli Rehn. Österreichs Notenbank-Gouverneur Robert Holzmann äußerte sich ähnlich. Die Sätze müssten noch weiter deutlich nach oben gehen. In Madrid erklärte Pablo Hernandez de Cos am Abend ebenfalls, bei zukünftigen Treffen werde es eine "signifikante" Erhöhung geben müssen.
Die konjunkturelle Lage scheint auch noch geldpolitischen Spielraum zu bieten. Unternehmen in Deutschland nutzen anders als in der Corona-Krise Kurzarbeit bislang nicht in großem Stil, so das Münchener ifo-Institut in einer aktuellen Schätzung. Im Dezember sind danach 186.000 Menschen in Kurzarbeit gewesen, das waren rund 2000 weniger als im November. Das entspreche 0,6 Prozent der Beschäftigten. "Dass die Kurzarbeit auf niedrigem Niveau bleibt, scheint ein Hinweis darauf zu sein, dass die erwartete Winter-Rezession sehr mild ausfällt", so ifo-Forscher Sebastian Link.
Der Euro bleibt weiterhin von der Aussicht unterstützt, dass die Europäische Zentralbank noch deutlich mehr tun muss als ihr amerikanisches Pendant Fed, um der Inflation Herr zu werden. Am späten Abend notierte die europäische Gemeinschaftswährung leicht höher bei 1,0755 Dollar.
Die Ölpreise zogen deutlich an. Am späten Abend kostet ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent 82,58 Dollar, das sind 2,5 Prozent mehr als am Vortag. Die Erwartung sei gewachsen, dass eine zunehmende Nachfrage aus China die Ölpreise stützen könnte, sagten Händler. Zudem dürfte auch die Reisetätigkeit zum bald anstehenden chinesischen Neujahrsfest die Ölpreise stützen.
Deutlich gestiegene Rohöllagerbestände in den USA belasteten die Notierungen nicht. Die Lagerbestände an Rohöl kletterten laut Energieministerium im Vergleich zur Vorwoche um 19 Millionen Barrel. Analysten hatten hingegen im Schnitt einen Rückgang um zwei Millionen erwartet. Beobachter erklärten den starken Anstieg mit zeitweise geschlossenen Raffinerien. Verantwortlich war die jüngste Kältewelle in den USA.
Einer der stärksten DAX-Titel war erneut die Aktie von Siemens Energy. Der Energietechnikkonzern hat gestern Abend einen Großauftrag bei der Anbindung von Windparks in der deutschen Nordsee erhalten. Zusammen mit dem spanischen Unternehmen Dragados Offshore soll Siemens Energy Konverterstationen für eine Leistung von bis zu vier Gigawatt errichten. Der Gesamtauftrag hat danach ein Volumen von mehr als vier Milliarden Euro. Branchenkreisen zufolge soll etwa die Hälfte davon auf Siemens Energy entfallen.
Auch die Bayer-Aktie legte deutlich zu. Beim Pharmakonzern wird der Druck auf das Management offenbar immer größer. Laut Agenturmeldungen hat nun auch der aktivistische Investor Bluebell Capital Partners einen Anteil an dem DAX-Konzern aufgebaut. Wie Reuters berichtet, dringe Bluebell auf den Verkauf des Geschäfts mit rezeptfreien Gesundheitsprodukten (Consumer Health), was Bayer helfen würde, seine Schulden zu drücken. Bayer könnte dann in ein Pharma- und ein Agrar-Unternehmen aufgespalten werden. Solche strategischen Perspektiven lösen an der Börse häufig die Hoffnung auf Wertsteigerungen aus.
Der Energiekonzern RWE hat am Morgen angekündigt, mit dem "Rückbau" des rheinischen Braunkohleortes Lützerath zu beginnen. "Als eine der ersten Maßnahmen wird aus Sicherheitsgründen ein gut anderthalb Kilometer langer Bauzaun aufgestellt", teilte der Konzern mit. Die Polizei hatte am Morgen damit begonnen, Lützerath zu räumen.
Airbus bleibt mit deutlichem Abstand der größte Flugzeugbauer der Welt. Mit 661 ausgelieferten Flugzeugen, ein Plus von acht Prozent, blieb das französisch-deutsche Unternehmen 2022 zwar leicht hinter der eigenen Zielmarke von 700 Maschinen zurück, wie Airbus am Dienstagabend mitteilte. Der Konzern lag damit aber weit vor dem US-Rivalen Boeing, der im abgelaufenen Jahr nur 480 Flugzeuge ausliefern konnte.
Rheinmetall hat von zwei europäischen NATO-Staaten-Aufträge für Munitionslieferungen erhalten. Beide Staaten hätten programmierbare Patronen bestellt, teilte der Düsseldorfer Rüstungskonzern mit. Sie werden vor allem zur Drohnenbekämpfung verwendet. Die Auslieferung soll in diesem und im kommenden Jahr erfolgen. Eines der Länder habe außerdem einen auf sieben Jahre angelegten Rahmenvertrag über 300.000 Patronen 40mm-Munition abgeschlossen. Den Gesamtwert der Verträge bezifferte Rheinmetall auf über 30 Millionen Euro.
Ein wohlwollender Kommentar der Investmentbank Jefferies beflügelte die Aktie des Spezialisten für Wechselrichter für Photovoltaikanlagen. Sie notiert damit auf dem höchsten Stand seit Sommer 2011. Analyst Constantin Hesse traut SMA mit seinem Kursziel von 85 Euro noch einiges zu. Der Experte verweist auf eine "anhaltend starke Auftragsdynamik" und rechnet 2023 mit steigender Auslastung.
Die Aktie der Shop Apotheke setzte nach guten Wachstumsdaten ihre jüngste Erholung fort. Trotz weiterer Verzögerungen beim E-Rezept ist die Online-Apotheke auch 2022 kräftig gewachsen. Mit erneut mehr als einer Million neuer aktiver Kunden und einem Umsatzplus von fast 14 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro verzeichnete der Online-Arzneimittelhändler im vergangenen Jahr einen Rekord. Damit erfüllten sich zugleich die Erwartungen der Analysten. Auch das Schlussquartal brachte mit einem ähnlich starken Wachstum einen Höchstwert, wie der Doc-Morris-Konkurrent auf Basis vorläufiger Zahlen im niederländischen Sevenum mitteilte.
Dank guter Geschäfte zum Jahresschluss hat Teamviewer seine Ziele für 2022 erreicht. Die abgerechneten Umsätze seien im vierten Quartal währungsbereinigt um 24 Prozent auf 191 Millionen Euro gestiegen, so der Spezialist für Fernwartungssoftware. Damit summierten sich diese Gesamtjahreserlöse auf 635 Millionen Euro. Die bereinigte operative Ergebnismarge für 2022 soll bei auf 45 bis 47 Prozent liegen. Vollständige Geschäftszahlen will Teamviewer Anfang Februar veröffentlichen.
Höhere Absatzmengen und Preise haben das Wachstum von CropEnergies beschleunigt. In den ersten neun Monaten des seit März laufenden Bilanzjahres 2022/23 erreichte der Umsatz 1,18 Milliarden Euro, wie der Biosprit-Hersteller mitteilte, nach 0,78 Milliarden Euro ein Jahr zuvor. Das deutliche Umsatzplus glich die gestiegenen Rohstoff- und Energiepreise mehr als aus und sorgte dafür, dass sich das operative Ergebnis auf 235 Millionen Euro mehr als verdoppelte.
Wenig Erbauliches gab es am späten Abend von der Adler Group. Der angeschlagene Immobilien-Investor muss weiter um die Prüfung seiner Bilanzen für das abgelaufene Jahr bangen. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG habe die Bestellung zum Abschlussprüfer für die deutsche Tochter Adler Real Estate abgelehnt, teilte die luxemburgische Gesellschaft mit. KPMG hatte der Adler Group das Testat für den Jahresabschluss 2021 mit Verweis auf mangelnde Informationen zu Geschäften mit nahestehenden Personen verweigert und wollte auch das Mandat für 2022 nicht annehmen. Auch alle anderen großen Wirtschaftsprüfer hatten abgewinkt. Eine geprüfte Bilanz ist aber Voraussetzung für die milliardenschweren Kredite, die Adler aufgenommen hat. Mit einer wichtigen Gläubigergruppe hatte sich Adler darauf geeinigt, dass der Jahresabschluss für 2022 erst im Dezember 2023 und nicht wie eigentlich gefordert bis April vorgelegt werden muss.