Richtungslos Wall Street ohne Schwung
US-Anleger haben sich zum Wochenauftakt kaum vorgewagt. Die Aussicht auf höhere Zinsen lastet weiter auf der Wall Street. Negativ hinzu kommt der sich abzeichnende Budgetstreit im Kongress.
Die Aussicht auf ein länger anhaltendes höheres Zinsniveau schreckte wie zuvor schon in Europa auch die Aktien-Anleger an der Wall Street ab. Nur wenige Tage nach der Entscheidung der US-Notenbank Fed, ihren Leitzins unverändert zu lassen, hielt sich zudem die Furcht vor weiteren Zinserhöhungen.
Die großen Aktienindizes kamen daher zum Wochenauftakt lange Zeit nicht wirklich in Schwung, ehe im späten Geschäft dann doch noch etwas Kaufinteresse aufkam. Die Indizes machten zunächst anfänglich höhere Eröffnungsverluste wett, um letztlich noch leicht ins Plus drehen. Zu viel mehr reichte es aber nicht.
Der Dow-Jones-Index der Standardwerte ging am Ende um 0,1 Prozent auf 34.006 Punkte höher aus dem Handel und schloss damit nahe Tageshoch. Der breiter gefasste S&P 500 rückte indes um 0,4 Prozent auf 4337 Zähler vor. Der Index der Technologiebörse Nasdaq verbesserte sich um 0,45 Prozent, ähnlich wie der Auswahlindex Nasdaq 100.
Am Anleihemarkt setzte sich derweil der Ausverkauf fort und trieb die Rendite zehnjähriger US-Treasuries in der Spitze auf 4,55 Prozent und damit auf den höchsten Stand seit November 2007.
Die Titel von HP büßten 1,7 Prozent ein, nachdem Berkshire Hathaway, die Beteiligungsfirma des Börsengurus Warren Buffett ihren Anteil an dem PC-Hersteller weiter reduziert hatte.
Neben der anhaltenden Belastung durch die weiter hohen Zinsen rückt zunehmend die Angst vor einer drohenden Haushaltssperre ("Shutdown") in den USA in den Fokus der Anleger. Die Laufzeit des Ende vergangenen Jahres vom US-Kongress beschlossenen Haushalts endet mit Ablauf dieses Monats. Bis zum Wochenende muss also ein neuer Bundeshaushalt beschlossen werden, um die Zahlungsunfähigkeit der Regierung abzuwenden. Dies wird jedoch durch parteiinterne Kämpfe bei den Republikanern erschwert, die derzeit die Mehrheit im Repräsentantenhaus stellen.
Das politische Gezerre um den Haushalt wiederholt sich jedes Jahr - in der Regel behilft sich der Kongress mit der Verabschiedung eines Übergangshaushalts und streitet dann ein paar Monate später erneut um die Finanzierung der Regierungsgeschäfte. Eine Einigung gibt es in der Regel immer erst ganz knapp vor Fristablauf.
Unter den Einzelwerten in New York stehen Walt Disney und Netflix im Fokus. Denn nach fast fünf Monaten Streik gibt es eine "vorläufige Einigung" zwischen der Gewerkschaft der Drehbuchautoren und den großen Studios und Streaming-Anbietern in den USA.
Dabei handele es sich um eine grundsätzliche Übereinkunft, die nun aber noch final abgestimmt werden müsse, teilte die Writers Guild of America (WGA) mit. Hollywoods Schreiber waren Anfang Mai in den Ausstand getreten. Während die im Dow Jones enthaltenen Disney-Papiere Anfangsgewinne nicht halten konnte, behauptet sich Netflix gut 1,3 Prozent im Plus.
Im Wettlauf mit Microsoft und Google um die Technologieführerschaft bei Künstlicher Intelligenz (KI) investiert Amazon noch mehr Geld. Der Online-Händler kündigte heute an, bis zu vier Milliarden Dollar in bar in den KI-Entwickler Anthropic zu stecken. Die Cloud-Sparte Amazon Web Services (AWS) werde zunächst Anteile für 1,25 Milliarden Dollar übernehmen. Daneben gebe es eine Kaufoption über weiter 2,75 Milliarden Dollar. Amazon-Papiere stiegen 167 Prozent.
An der Börse macht sich zunehmend Ernüchterung breit. Die Aussicht auf längerfristig höhere Zinsen führt an Aktien- und Rentenmärkten zu Verlusten. Notenbanker werden nicht müde zu betonen, dass der Kampf gegen die Inflation noch nicht gewonnen sei - das macht den Anlegern wenig Hoffnung auf einen Zinsabstieg.
"Die enttäuschten Hoffnungen auf baldige Zinssenkungen durch die US-Notenbank Fed dürften die Stimmung an der Börse noch eine ganze Weile belasten", konstatierte Jochen Stanzl, Marktanalyst vom Brokerhaus CMC Markets.
Am heimischen Markt sackte der DAX heute 0,98 Prozent ab auf 15.405 Punkte. Dass sich der deutsche Leitindex noch etwas vom Tagestief bei 15.347 Punkten lösen konnte, hatte er der Tatsache zu verdanken, dass an der Wall Street Schnäppchenjäger die auch dort niedrigeren Niveaus kurzfristig zum Einstieg genutzt haben. Der MDAX, der Index der mittelgroßen Werte, verlor 1,53 Prozent auf 26.129 Punkte.
Der DAX ist nun auch technisch angeschlagen. Die Tiefs vom Juli und August bei 15.454/15.469 Zählern wurden heute unterboten. Das weitere Abschlagspotenzial für den DAX liegt nun bei rund 1.000 Punkten, wie Jörg Scherer, Leiter Technische Analyse HSBC, unterstreicht.
Die Aussicht auf weiter steigende Zinsen kurbelt derweil erneut den Ausverkauf am Anleihemarkt an. Im Gegenzug stiegen die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen auf bis zu 2,80 Prozent und damit auf ein Zwölf-Jahres-Hoch. Börsianer treibe nun vor allem die Frage um, wie viele Anleger sich wegen immer stärker lockenden Alternativen wie Anleihen oder Geldmarktfonds aus dem Aktienmarkt verabschieden könnten, sagte Jürgen Molnar, Stratege vom Brokerhaus RoboMarkets.
"Die Aussichten für die Wirtschaft sind alles andere als rosig, womit auch die Fantasie für steigende Unternehmensgewinne zunehmend schwindet." Auch die US-Renditen legen weiter zu. Zehnjährige Treasury-Bonds werfen 4,53 Prozent ab, zweijährige 5,12 Prozent.
Auch ein Blick auf den ifo-Geschäftsklimaindex ist nicht dazu angetan, die Kauffreude unter den Anlegerinnen und Anlegern zu schüren. Schließlich ist der wichtigste deutsche Konjunktur-Frühindikator im September zum fünften Mal in Folge gefallen - allerdings fiel das Minus mit 0,1 Punkte auf 85,7 Zähler minimal aus.
"Eine Trendwende ist dies sicherlich noch nicht, allenfalls ist der Sturzflug bei der Unternehmensstimmung abgebremst worden", gibt Ulrich Kater, Chefvolkswirt Dekabank, zu bedenken. Auch LBBW-Analyst Jens-Oliver Niklasch ist skeptisch: "Ist damit der Tiefpunkt schon erreicht? Man wünscht es sich, glaubt es aber noch nicht so recht."
"Die aktuelle Misere der deutschen Wirtschaft hält an", sagte Jörg Zeuner, Chefökonom der Fondsgesellschaft Union Investment. "Unserer Ansicht nach wird die Wirtschaftsleistung in Deutschland bis zum Jahresende weiter schrumpfen."
Jüngste Konjunkturdaten signalisieren nach Worten von EZB-Präsidentin Christine Lagarde eine anhaltend schwache Wirtschaft im Euro-Raum. Eine geringere Exportnachfrage und die schwierigere Finanzierungssituation bremsten das Wachstum im zu Ende gehenden Sommerquartal, sagte die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB) heute im Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments. Sie bekräftigte, dass die EZB die Zinsen so lange wie nötig hoch halten werde, um die Inflation zurückzudrängen.
"Die Inflation geht weiter zurück. Es wird jedoch nach wie vor erwartet, dass sie zu lange zu hoch bleiben wird", sagte die Französin. Mittelfristig peilt die Notenbank eine Jahresteuerung von zwei Prozent an. Davon ist sie momentan aber immer noch weit entfernt: Im August lag die Inflation im Euro-Raum bei 5,2 Prozent.
Im Kampf gegen die Teuerung hatte die EZB jüngst die Zinsen das zehnte Mal in Folge erhöht. Der am Finanzmarkt richtungsweisende Einlagensatz, den Geschäftsbanken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, stieg damit von 3,75 auf 4,00 Prozent. Das ist das höchste Niveau seit dem Start der Währungsunion 1999.
Hinzu kommt die sich ausweitende finanzielle Krise bei Evergrande: Aktien des angeschlagenen chinesischen Immobilienriesen sackten in Hongkong um rund 19 Prozent ab, nachdem dieser mitgeteilt hatte, er könne wegen einer anhaltenden staatlichen Untersuchung keine neuen Kredite aufnehmen.
Ein weiterer Belastungsfaktor für die Aktienmärkte sind die Ölpreise, die sich weiter auf hohem Niveau bewegen. Am späten Nachmittag notieren die Preise für die Nordseesorte Brent und die US-Sorte WTI zwar etwas tiefer, halten sich weiter um die Marke von 90 Dollar je Barrel (159 Liter).
Der Euro blieb auch nach dem ifo-Index am Nachmittag unter Druck und handelte zuletzt im US-Handel bei 1,0593 Dollar, so tief wie seit sechs Monaten nicht mehr. Belastet wurde der Eurokurs vor allem durch den stärkeren Dollar.
Die US-Währung erhielt Auftrieb durch die trübe Stimmung an den Aktienmärkten. Der Dollar gilt als eine Art Reservewährung, die im Falle schlechter Marktstimmung häufig verstärkt nachgefragt wird. Übergeordnet stützt die Aussicht auf langfristig höhere Zinsen in den USA. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0633 (Freitag: 1,0647) Dollar fest.
Mercedes-Benz hat Anträge in den USA auf Steuerleichterungen für die Produktion von Elektro-Fahrzeugen gestellt. Der Autobauer nehme am Bewerbungsverfahren für produktionsbezogene Steuererleichterungen im Rahmen des "Inflation Reduction Act" (IRA) teil, erklärte der Konzern heute.
IRA ist das zentrale Förder- und Investitionsprogramm der US-Regierung zur Umstellung der Wirtschaft auf klimafreundliche Produktion. Die Anträge beziehen sich demnach auf "mögliche Projekte" im Pkw-Werk Tuscaloosa im US-Bundesstaat Alabama und die Van-Fertigung in North Charleston im US-Bundesstaat South Carolina. Zuerst hatte das "Handelsblatt" darüber berichtet.
Nach der Rüge der Finanzaufsicht BaFin wegen der IT-Probleme bei der Postbank hat Lars Stoy, Leiter des deutschen Privatkundengeschäfts der Deutschen Bank und der Postbank, laut einem Medienbericht Versäumnisse eingeräumt. "Da gibt es nichts zu beschönigen", sagte Stoy den Zeitungen der Funke Mediengruppe einem Vorabbericht zufolge. "Wir hätten unsere Kunden anders - besser - informieren müssen."
Die Deutsche-Bank-Fondsgesellschaft DWS zahlt wegen Falschangaben zu "grünen" Kapitalanlagen und nicht ausreichender Geldwäschekontrollen insgesamt 25 Millionen US-Dollar an die US-Börsenaufsicht SEC. Wie die SEC heute weiter mitteilte, zahlt DWS "für Verstöße gegen Anti-Geldwäsche-Richtlinien und falsche Angaben zu ESG-Investitionen". Zur Beilegung der Vorwürfe habe DWS der Zahlung von 25 Millionen Dollar (23,5 Mio Euro) zugestimmt.
ESG steht für Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (gute Unternehmensführung) und soll die Beachtung ökologischer und sozialer Aspekte in Unternehmen anzeigen. Der DWS war vorgeworfen worden, sogenannte grüne Finanzprodukte als "grüner" verkauft zu haben, als diese tatsächlich sind.
Der Spezialchemiekonzern Lanxess hat seine Angaben zum angekündigten Sparprogramm konkretisiert. "Wir wollen 150 Millionen Euro im Jahr einsparen, daher werden wir Stellen abbauen müssen, auch in Deutschland. Derzeit verhandeln wir mit den Arbeitnehmervertretern über Art und Umfang", sagte Lanxess-Chef Matthias Zachert der "Rheinischen Post". Dabei sei vor allem die Verwaltung von dem Stellenabbau betroffen.
Der Augsburger Panzergetriebe-Hersteller Renk peilt bei seiner Rückkehr an den Aktienmarkt einen Börsenwert von bis zu 1,8 Milliarden Euro an. Das Unternehmen und sein Eigentümer, der Finanzinvestor Triton, legten die Preisspanne heute auf 15 bis 18 Euro fest. Triton will so bis zu 486 Millionen Euro einnehmen. Die Renk-Papiere können von Dienstag an bis 4. Oktober gezeichnet werden, einen Tag später sollen sie an der Frankfurter Börse gehandelt werden.
Vor der heutigen Nationalen Luftfahrtkonferenz hat Lufthansa-Chef Carsten Spohr eine Reform der Luftverkehrssteuer gefordert. Die Einnahmen sollten in die Entwicklung nachhaltiger Kraftstoffe fließen, sagte Spohr dem "Tagesspiegel Background". "Ich würde mir wünschen, dass der Koalitionsvertrag an dieser Stelle umgesetzt wird." Für gleiche Wettbewerbsbedingungen müsse es zudem eine europaweite Luftverkehrssteuer geben.
Im aktuell schwierigen Marktumfeld verlor die Lufthansa-Aktie deutlich über fünf Prozent und stand damit am MDAX-Ende.
Die Senderkette ProSiebenSat.1 öffnet sich unter dem neuen Vorstandschef Bert Habets für eine engere Zusammenarbeit mit dem italienischen Großaktionär MFE-Mediaforeurope. Habets sagte der "Financial Times", in den vergangenen Wochen hätten Mitarbeiter beider Konzerne eine "sinnvolle Kooperation" in Werbung, Technologie und sogar bei Inhalten begonnen. Damit nähert sich der bayerische Fernsehkonzern den Vorstellungen von MFE-Chef Pier Silvio Berlusconi an, der eine paneuropäische Fernseh-Allianz anstrebt.
Der Schweizer Pharmariese Novartis hat den Termin für den Börsengang seiner Generika-Sparte Sandoz am 4. Oktober bestätigt. Am 15. September hatten bereits die Aktionäre dem Vorhaben zugestimmt. Darüber hinaus seien nun wichtige behördliche Genehmigungen eingetroffen, darunter die Genehmigung der SIX Exchange Regulation für die Notierung der Sandoz-Aktien an der Schweizer Börse.