DAX gibt deutlich nach Gaskrise lastet auf der Börse
Die Eskalation der Gaskrise seit dem Wochenende hat den DAX zum Wochenstart tief ins Minus gedrückt. Denn Rezessionsszenarien werden durch den russischen Gasboykott ein gutes Stück wahrscheinlicher.
Der deutsche Aktienmarkt stand zum Wochenstart ganz im Zeichen der von Russland schon am Freitagabend ausgelösten Gaskrise. Wegen angeblicher technischer Probleme hat Russland die Lieferungen nach Europa über die Pipeline Nord Stream 1 seitdem ganz eingestellt - was an der Börse prompt massive Rezessionsängste auslöste.
Der DAX ist heute in der Spitze über drei Prozent bis auf 12.617 Punkte gefallen. Zwar hat er sich am Nachmittag etwas von seinem Tagestief gelöst, am Ende blieb er aber mit einem Tagesverlust von 2,22 Prozent auf 12.760 Punkte tief im Minus.
Der Index schloss damit etwas oberhalb des nachbörslichen Niveaus vom Freitag, nachdem er im XETRA-Handel noch 3,3 Prozent zugelegt hatte auf 13.050 Punkte. Immerhin hat der deutsche Leitindex knapp oberhalb seines jüngsten Verlaufstiefs (12.603 Zähler) die Kurve bekommen - ein kleines positives technisches Signal.
Auch wenn der totale Lieferstopp nicht gänzlich überraschend kommt, so hat er offenbar doch viele Anleger auf dem falschen Fuß erwischt.
Denn Experten und Anleger fürchten nun erst recht einen konjunkturellen Einbruch. Zugleich dürften die steigenden Energiepreise die Inflation weiter anheizen und die Notenbanken zu noch einer strafferen Geldpolitik zwingen. "Ein schmerzhafter Winter liegt vor uns", betonte Craig Erlam, Analyst beim Broker Oanda.
Konkret löste der erneute Stopp russischer Gaslieferungen heute eine erneute Rally beim Gaspreis aus, der zuletzt aber von seinem Höchststand von 345,50 Euro pro Megawattstunde wieder deutlich gefallen war. Der europäische Gas-Future Nachmittag mit 270 Euro je Megawattstunde und damit rund 30 Prozent höher als am Freitag. Am Vormittag war der europäische Gaspreis um rund 35 Prozent in die Höhe gesprungen. Zu Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar hatte der Preis deutlich niedriger gelegen. Die Strompreise waren unter anderem deshalb so stark gestiegen, weil teures Gas für die Verstromung eingesetzt wird.
Eine rasche Lösung der Energiekrise sei nicht in Sicht, warnte derweil Naeem Aslam, Chef-Marktanalyst des Brokerhauses AvaTrade. Daher drohe Europa ein wirtschaftliches Desaster. Noch drastischere Worte wählte Jochen Stanzl, Chef-Marktanalyst CMC Markets: "Die Angst vor einer Lehman-artigen Krise im europäischen Energiesektor wächst."
Gleichzeitig rätselten Anleger nun, ob und wie die aktuelle Lage sich auf die Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag auswirken könnte. Zuletzt war am Geldmarkt auf eine sehr deutliche Zinserhöhung von 75 Basispunkten spekuliert worden. Der Markt spekuliert auf weitere Zinserhöhung bis März 2023. Zum Vergleich: Die US-Notenbank Fed dürfte ihren Zinserhöhungszyklus bereits im Dezember 2022 beendet haben.
Die europäischen Währungshüter hatten es nach Meinung vieler Analysten und Ökonomen versäumt, rechtzeitig den Hebel umzulegen und ihre Geldpolitik frühzeitig zu straffen. Nun hinken sie der Teuerungsentwicklung hinterher. Steigende Zinsen wiederum haben das Zeug dazu, die fragile Konjunktur in der Eurozone weiter abwürgen.
Europaweit und auch hierzulande verzeichneten unter den Einmzelaktien vornehmlich stark konjunkturabhängige Branchen wie der Automobil- und der Chemiesektor deutliche Verluste. Gerade letzterer benötigt viel Gas für die Produktion. BASF-Papiere verloren im DAX über 3,5 Prozent, Covestro fast vier Prozent.
Tagesverlierer waren Mercedes-Papiere, aber auch der Autozulieferer Continental und die VW-Holding Porsche SE standen am DAX-Ende. Gegen den Trend im Plus schlossen Eon, die einzige Aktie im Leitindex, die nennenswert zulegen konnte.
Auf neue Impulse von der Wall Street warteten die europäischen Anleger wegen eines Feiertages heute vergebens. Am Freitag hatte der Dow Jones-Leitindex gut ein Prozent nachgegeben, die Technologiebörse Nasdaq 1,3 Prozent.
Der Euro ist heute Morgen erstmals seit 20 Jahren unter die Marke von 0,99 Dollar gefallen. Im Tief wurden für einen Euro nur noch 0,9879 Dollar gezahlt. Am späten Nachmittag kann sich die europäische Gemeinschaftswährung etwas stabilisieren und wird bei 0,9929 Dollar gehandelt. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 0,9920 (Freitag: 0,9993) Dollar fest. Wegen des US-Feiertages gab es heute keine neuen Konjunkturdaten.
Der absurde Anstieg der Inflation in der Türkei auf mehr als 80 Prozent löste erneut Verkäufe der Landeswährung aus. Im Gegenzug stieg der Dollar und liegt mit 18,233 Lira nur knapp unter seinem jüngsten Rekordhoch.
Wegen des Drucks von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan auf die türkische Zentralbank seien dennoch in den kommenden Monaten weitere Zinssenkungen zu erwarten, sagt Volkswirt Liam Peach vom Research-Haus Capital Economics. Daher habe die Lira ihre Talsohle wohl noch nicht erreicht.
Die großen Ölnationen des Verbundes OPEC+ senken ihr Förderziel nach den Erhöhungen der vergangenen Monate wieder leicht ab. Die gemeinsame Tagesproduktion für den Oktober werde um 100.000 Barrel (je 159 Liter) reduziert, hieß es heute nach einer Online-Sitzung der Ölminister aus rund 20 Ländern.
Damit wird die jüngste Produktionsausweitung der von Saudi-Arabien und Russland dominierten OPEC+ rückgängig gemacht. Die Ölpreise legten in Reaktion zu. Ein Fass der Nordseesorte Brent kostet 2,5 Prozent mehr auf 95,26 Dollar.
Der Kochboxenlieferant Hellofresh muss seinen Platz in der ersten Börsenliga im September wohl räumen. Laut aktuellen Berechnungen der Investmentbank Stifel kehrt dafür die erst im März abgestiegene Siemens Energy wieder in den DAX zurück. Die Deutsche Börse wird mögliche Index-Änderungen heute Abend nach Handelsschluss mitteilen. In Kraft treten sie dann zum Montag, den 19. September.
Der Bayer-Konzern hat wegen angeblicher illegaler Provisionen und Falschangaben bei der Vermarktung bestimmter Medikamente einem millionenschweren Vergleich in den USA zugestimmt. Bayer zahle zur Beilegung der Verfahren rund 40 Millionen Dollar, teilte das Justizministerium am Freitag (Ortszeit) in Washington mit. Ein Schuldgeständnis gab das Unternehmen nicht ab.
Der neue VW-Chef Oliver Blume will die Leitung des Autokonzerns und der Tochter Porsche auf Dauer behalten. "Für mich war die Doppelfunktion eine Voraussetzung", sagte Blume der "Bild am Sonntag". "Die beiden Rollen ergänzen sich ideal: operativ eng in die Prozesse und Technologien einer Marke eingebunden sein, um strategisch im Konzern die richtigen Entscheidungen zu treffen." Beim geplanten Börsengang der Porsche AG könnte derweil in der laufenden Woche die nächste Hürde genommen werden.
Im MDAX erlebte die Uniper-Aktie erneut einen Kurssturz. Die Aktien fielen zeitweise um 13 Prozent, am emde waren es eztwas über zehn Prozent. Nach dem Stopp der Gaslieferungen über Nord Stream 1 ist der europäische Erdgas-Future um 30 Prozent auf 272 Euro je Megawattstunde gestiegen.
Da sich Uniper kurzfristig aus anderen Quellen mit Erdgas eindecken müsse, summierten sich die Verluste bei den aktuellen Preisen auf 100 Millionen Euro pro Tag, rechnen die Analysten der Bank Credit Suisse vor.
Der Chef des angeschlagenen Energiekonzerns, Klaus-Dieter Maubach, schließt derweil nicht aus, dass in Deutschland die Gas-Verteilung rationiert werden muss. Das sei etwas, was vielleicht in Betracht gezogen werden müsste, sagte der Manager heute am Rande einer Gaskonferenz in Mailand. Man wisse, dass die Bundesregierung dies unbedingt verhindern wolle, weil das eine Katastrophe wäre.
Der russische Gaskonzern Gazprom macht den Lieferstopp über die Ostseepipeline Nord Stream 1 an einem angeblichen Konstruktionsfehler der eingesetzten Turbine von Siemens Energy fest.
Gazprom hatte am Samstag nach einer planmäßigen Wartung der Turbine die Gaslieferungen nach Europa nicht wieder aufgenommen. Das Unternehmen begründete dies mit angeblich austretendem Öl aus dem Aggregat von Siemens Energy. Aus der Turbine Trent 60 in der russischen Pumpstation Portowaja trete Öl aus an einer Stelle, an der es sehr heiß sei, schrieb Gazprom heute. Die Bundesregierung hält die technischen Probleme mit der Pipeline für vorgeschoben. Sie wirft Moskau vor, die Gaslieferungen aus politischen Gründen zu verweigern.
Deutschen Banken droht Konkurrenz im Online-Privatkundengeschäft vom größten US-Geldhaus JPMorgan. Die Bank will offenbar in Deutschland expandieren und sucht deshalb Beschäftigte mit Expertise im Retail Banking. Das legen rund 80 Stellenausschreibungen nahe, mit denen der US-Marktführer derzeit um neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Berlin und Frankfurt wirbt. In ihnen formuliert die Bank konkrete Ziele für den deutschen Markt.