Nervöser Handel Nasdaq macht Boden gut
Bei nervösem Handel haben sich die US-Börsen unter der Führung der Nasdaq zumindest stabilisiert. Mehr als eine Atempause im aktuellen Zinszyklus dürfte dies aber wohl nicht sein.
US-Anleger haben sich zum Abschluss einer verlustreichen Börsenwoche nur zaghaft an die Aktienmärkte zurück gewagt. Der Dow-Jones-Index der Standardwerte kämpfte lange mit seinem Schlusskurs und schloss am Ende leicht um 0,13 Prozent schwächer bei 29.888 Punkten. Im Wochenvergleich ging es deutlich um fast 4,8 Prozent bergab. Ähnlich erging es heute dem marktbreiten S&P-500-Index, der bei Zählern um 3674 Prozent aber um 0,22 Prozent etwas höher aus dem Handel ging.
Besser lief es heute an der Nasdaq, die sich stärker im Plus behauptete. Der Composite-Index rückte um 1,43 Zähler auf 10.798 Prozent vor, der Auswahlindex Nasdaq 100 stieg um 1,24 Prozent auf 11.265 Zähler.
Die Furcht vor einer Rezession hatte die Börsen in den Tagen zuvor stark belastet. Die US-Notenbank hatte die Leitzinsen im Kampf gegen die Inflation um 75 Basispunkte nach oben geschraubt, der größte Zinsschritt seit 1994. Das macht Kredite für Investitionen und Konsum teurer, was wiederum den Aufschwung der weltgrößten Volkswirtschaft bremsen könnte. Als tags zuvor auch die Schweizer Nationalbank überraschend ihren Leitzins deutlich erhöhte, brachen in Europa und den USA die Dämme.
"Die Märkte werden sich nicht beruhigen, bis das Gefühl besteht, dass die Maßnahmen der Fed und anderer Zentralbanken erfolgreich sein werden, um nicht nur die Inflation einzudämmen, sondern auch zu versuchen, eine globale Rezession zu verhindern", sagte Kenny Polcari, geschäftsführender Partner beim Beratungsunternehmen Kace Capital.
An der Entschlossenheit der Fed, die Inflation weiter energisch zu bekämpfen, kann jedenfalls kein Zweifel bestehen. "Das Engagement des geldpolitischen Ausschusses zur Wiederherstellung der Preisstabilität - die für die Erhaltung eines starken Arbeitsmarktes notwendig ist - ist uneingeschränkt", schreibt die Fed in einem heute veröffentlichten Bericht an den Kongress. US-Notenbankchef Jerome Powell wird dem Kongress in der nächsten Woche Rede und Antwort stehen und den Abgeordneten seine Pläne im Kampf gegen die Preisbeschleunigung vorstellen.
Unter den Einzelwerten bescherte ein Medienbericht über eine mögliche Übernahme Revlon einen der größten Kurssprünge der Firmengeschichte. Die Aktien der US-Kosmetikfirma, die gestern Gläubigerschutz beantragt hatte, stiegen am Ende an der NYSE um 85 Prozent. Einem indischen TV-Sender zufolge ist der Mischkonzern Reliance an Revlon interessiert.
Mit moderaten Gewinnen von 0,67 Prozent auf 13.126 Punkte ist der DAX heute aus dem Handel gegangen. Nach den zuletzt deutlichen Verlusten am Aktienmarkt endete die Woche für die Anleger damit zumindest wieder etwas versöhnlicher.
Allerdings konnte der Index sein Tageshoch bei 13.237 Punkten nicht verteidigen. Das Tagestief lag bei 13.020 Punkten. Im DAX hat damit die runde Marke von 13.000 Punkten bisher gehalten, die gestern bei 13.007 Punkten bedenklich gewackelt hatte. Auf Wochenbasis bleibt jedoch ein deutliches Minus für den deutschen Leitindex von 4,6 Prozent.
Technische Aspekte halfen heute am Aktienmarkt, unter anderem ein hoher Anteil negativ gestimmter Anleger in den USA. Ein hoher Anteil pessimistisch gestimmter Anleger stellt in den Augen vieler Marktbeobachter einen Kontraindikator und somit einen Hinweis auf steigende Kurse dar.
Zudem war heute "Großer Verfallstag". An diesem Tag schließen die Anleger an den Terminbörsen ihre auslaufenden Long- und Short-Positionen. Dadurch findet eine Marktbereinigung statt, die durchaus den Boden für einen Trendwechsel bilden kann.
Erleichtert reagierten heute die Bond-Anleger auf Aussagen der EZB-Chefin Christine Lagarde zur geplanten Begrenzung der Renditeabstände (Spreads) bei europäischen Staatsanleihen. Insidern zufolge erläuterte sie den Finanzministern der Euro-Zone hinter verschlossenen Türen das kürzlich angekündigte sogenannte "Antifragmentierungstool".
Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe gab auf 1,65 Prozent nach. Der Spread zwischen diesen Papieren und den italienischen Pendants fiel auf den niedrigsten Stand seit knapp zwei Wochen. Die US-Treasuries rentierten bei 3,24 Prozent nach zuvor 3,30 Prozent.
Doch selbst wenn die heutigen Kursgewinne im DAX auch in der kommenden Woche fortgesetzt würden: Mehr als eine Bärenmarktrally innerhalb des übergeordneten Abwärtstrends ist wohl kaum zu erwarten. Perspektivisch müssen sich Anleger sogar auf ein Wiedersehen mit dem bisherigen Jahrestief von Anfang März bei 12.439 Punkten einstellen.
Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets warnte vor weiteren Kursrückschlägen. Ein finaler Ausverkauf, der durch eine rasante Talfahrt bei stark erhöhten Handelsvolumina geprägt werde, stehe noch aus.
Vor allem die rasante Zinswende in den USA und zuletzt auch in Europa dürfte weiter für viel Unruhe sorgen. "Das Risiko einer Rezession wächst, während das Ziel einer 'weichen Landung' der US-Wirtschaft immer schwieriger zu erreichen ist", sagt Mark Haefele, Chef-Anleger der Vermögensverwaltung der Bank UBS.
Ein Wechsel des Zinsregimes, das lehrt die Vergangenheit, ist immer mit viel Unsicherheit und erhöhten Volatilitäten an den Märkten verbunden. Experten erklärten zuletzt immer wieder, erst wenn die Inflationsentwicklung sich beruhige, könne durchgeschnauft werden.
So weit ist es aber wohl noch nicht. Die Inflation dürfte sowohl im Euroraum als auch in den USA im Juni anders als noch vor kurzem erhofft neue Höchststände erreichen, betonen die Experten und verweisen auf die zwischenzeitig erneut gestiegenen Kraftstoffpreise. "In diesem Umfeld wird der Markt seine Erwartungen für die Leitzinsen von Fed und EZB wohl weiter nach oben revidieren."
Die Ölpreise haben anfängliche Gewinne wieder abgegeben und ihre Verluste im Verlauf stetig ausgebaut. Am Abend kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent gut 112 Dollar. Das waren 6,5 Prozent mehr weniger am Vortag. Der Preis für ein Fass der US-amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) fiel um 7,5 Prozent auf gut 108 Dollar.
Die Erdölpreise waren an den vergangenen Tagen von der trüben Stimmung an den Finanzmärkten belastet worden. Zuletzt hatte der Kampf vieler Notenbanken gegen die Inflation zunehmend Rezessionsängste ausgelöst. Vor allem die deutliche Leitzinserhöhung der US-Notenbank in dieser Woche sorgte für Verunsicherung. Eine wirtschaftliche Schwächephase würde sich auch in einem abnehmenden Rohölverbrauch bemerkbar machen.
Commerzbank-Experte Carsten Fritsch verweist zudem auf die jüngste Prognose der Internationalen Energieagentur (IEA). Demnach dürfte der Ölmarkt im zweiten Halbjahr überversorgt sein, da die Ölproduktion in den USA und Kanada deutlich steigen werde. Die russische Förderung sei hingegen weniger geschrumpft als bisher unterstellt.
Der Euro hat im späten US-Handel stärkere Verluste wieder eingegrenzt. Zuletzt wurde die Gemeinschaftswährung mit 1,0493 US-Dollar bezahlt. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0486 (Donnerstag: 1,0400) Dollar fest. Die Marke von 1,05 Dollar, mit der der Euro lange gerungen hatte, konnte am Ende nicht behauptet werden.
Belastet wurde der Euro von großen Sorgen um die Energieversorgung. So ist die Lieferung von russischem Erdgas nach Frankreich zum Erliegen gekommen. An den vergangenen Tagen hatte Russland seine Erdgaslieferungen an eine Reihe europäische Länder gedrosselt. Betroffen sind auch Deutschland und Italien. So ist der europäische Gaspreis TTF in dieser Woche um rund 50 Prozent gestiegen. Eine vollständige Einstellung könnte die Konjunktur stark belasten und die Inflation weiter nach oben treiben. Die Eurozone ist stark abhängig von russischen Energielieferungen.
Der Yen stand an den Märkten weiter unter Druck, nachdem die japanische Notenbank im Anschluss an ihre Zinssitzung die extrem lockere Geldpolitik bestätigt hatte. Die Bank of Japan gehört zu den ganz wenigen Zentralbanken, die den Kampf gegen die Inflation bisher noch nicht aufgenommen haben.
Die Währungshüter begründen ihr Festhalten mit der zwar steigenden, aber vergleichsweise niedrigen Inflation, die sie zudem als nicht nachhaltig erachten. Ungeachtet dessen leidet die Landeswährung Yen unter der Haltung. In dieser Woche war sie zum Dollar auf den tiefsten Stand seit fast einem Vierteljahrhundert gefallen.
Im DAX stand die VW-Aktie im Fokus. Die Konzerntochter Porsche hat im Rechtsstreit um angeblich irreführende Angaben zum Kraftstoffverbrauch Hunderttausender Autos in den USA einen Vergleich zur Beilegung zivilrechtlicher Ansprüche geschlossen. Laut Gerichtsakten wird Porsche Autobesitzern in den Vereinigten Staaten im Rahmen des Vergleichs mindestens 80 Millionen Dollar zahlen.
Die T-Aktie rückte im DAX 1,64 Prozent vor. Denn es gibt offenbar mehrere Interessenten für die 20 Milliarden schwere Funkturmsparte des Bonner DAX-Konzerns. Ein Konsortium aus dem Finanzinvestor KKR, Global Infrastructure Partners (GIP) und Stonepeak Partners habe ein verbindliches Angebot für einen Kontrollanteil an dem Geschäft abgegeben, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf mit der Sache vertraute Personen. Damit bekomme ein Konsortium aus der Investmentfirma Brookfield Asset Management und der spanischen Cellnex Telecom Konkurrenz.
Auch Vantage Towers, die Funkmastsparte, die der britische Telekomkonzern Vodafone im vergangenen Jahr an die Börse gebracht hatte, soll interessiert sein. Das Unternehmen könne ein Angebot abgeben - allein oder mit einem Partner, sagte eine der informierten Personen.
Die seit Anfang März sehr schlecht gelaufenen Aktien von E.ON zählten zu den gefragtesten Werten im DAX. Hilfreich dabei war ein positiver Analystenkommentar. Alberto Gandolfi von Goldman Sachs rät zum Kauf der Titel. Die finanziellen Risiken im Zusammenhang mit russischen Gaslieferungen seien zwar schwer kalkulierbar, doch ein Lieferstopp sowie eine staatliche Energiepreisbremse dürften nun eingepreist sein.
Kanada sucht gemeinsam mit Deutschland nach einer Lösung für eine dort gewartete Turbine des deutschen Herstellers Siemens Energy für die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1. Siemens Energy kann in Kanada überholte Gasturbinen derzeit wegen der Russland-Sanktionen nicht zurückliefern. Der russische Gazprom-Konzern hatte zuvor erklärt, Verzögerungen bei der Reparatur von Gas-Kompressoren durch Siemens beschränkten derzeit die Kapazität der Pipeline. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagte indes, er halte die Begründung aus Moskau für vorgeschoben.
Die IG Metall fordert von Volkswagen den Rückzug aus der Uiguren-Region in China, wo der Autobauer ein Autowerk unterhält. "Inzwischen gibt es kaum einen Zweifel daran, dass in Xinjiang Menschenrechtsverletzungen stattfinden", sagte Gewerkschaftschef Jörg Hofmann, der im Aufsichtsrat des Konzern sitzt, den "Wolfsburger Nachrichten". Deshalb müsse sich der Konzernvorstand mit dem Thema befassen.
Der Industriekonzern Thyssenkrupp legt den Börsengang seiner Wasserstofftochter Nucera auf Eis. Mit Blick auf das aktuelle Marktumfeld habe das MDAX-Unternehmen beschlossen, den Börsengang zum jetzigen Zeitpunkt nicht umzusetzen, teilte Thyssenkrupp heute in Essen mit.
Ein Börsengang sei aber unverändert die bevorzugte Option, um von den Wachstumsaussichten des Geschäfts für Anlagen zur Herstellung von "grünem Wasserstoff" zu profitieren. Die Entscheidung für eine potenzielle Börsennotierung hänge wie bisher auch von der Situation am Kapitalmarkt ab.
Die französische Großbank BNP Paribas hat Insidern zufolge ein Auge auf die niederländische Konkurrentin ABN Amro geworfen. Die Franzosen hätten jüngst mit der niederländischen Regierung über eine mögliche Übernahme der seit der Finanzkrise verstaatlichten Bank sprechen wollen, schrieb die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf mit der Sache vertraute Personen.
Allerdings habe die Regierung aktuell wohl kein Interesse an einem Komplettverkauf. Sie könnte vielmehr erwägen, Aktien am Markt zu veräußern, um Geld einzuspielen, aber auch eine gewisse Kontrolle über das Finanzinstitut zu behalten. Zudem hätten auch andere Banken schon Interesse an ABN Amro bekundet. Ob es zu offiziellen Offerten kommen werde, sei aber noch nicht entschieden. Weder die BNP Paribas noch ABN Amro wollten sich Bloomberg gegenüber äußern.
Google macht den Bankrott seiner Russland-Tochter einer Agenturmeldung zufolge offiziell. Heute sei eine entsprechende Konkurserklärung eingereicht worden, meldete die russische Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf Gerichtsdokumente. Zuvor hatten die Behörden Bankkonten von Google Russland beschlagnahmt, was es dem Unternehmen unmöglich machte, Mitarbeiter und Zulieferer zu bezahlen.
Ein optimistischer Ausblick von US Steel ermunterte Anleger zum Einstieg bei europäischen Stahlkonzernen. Aktien von Thyssenkrupp, Salzgitter und ArcelorMittal legten zu. Die Titel von US Steel stiegen zunächst um fast fünf Prozent, haben mittlerweile aber ihre Gewinne wieder abgegeben. Das Unternehmen stellt für das laufende Quartal einen überraschend hohen Gewinn von 3,83 bis 3,88 Dollar je Aktie in Aussicht.
Tech-Milliardär Elon Musk sowie seine Unternehmen Tesla und SpaceX sind wegen erlittener Verluste mit dem Krypto-Spekulationsobjekt Dogecoin verklagt worden. Der US-Anleger Keith Johnson wirft Musk und seinen Firmen vor, Teil eines illegalen Schneeballsystems zu sein, das den Dogecoin-Preis hochgetrieben und dann habe abstürzen lassen. Johnson strebt eine Sammelklage für alle an, die Geld mit Dogecoins verzockt haben.
Elon Musk will nach einer Twitter-Übernahme auch bei der Produktentwicklung des Dienstes mitmischen. Er gehe davon aus, dass die Mitarbeiter auf seine Vorschläge zu Funktionen hören würden, sagte Musk bei einer Videokonferenz mit Twitter-Beschäftigten. Unter den Produktideen, die Musk dabei gestern nannte, war zum Beispiel, für die heute kostenlose Verifizierung der Nutzer Geld zu nehmen. Auch bekräftigte er die Absicht, gegen automatisierte Bot-Accounts anzukämpfen.