Fairtrade-Umsatzplus Wie der Klimawandel den Kaffeeanbau bedroht
Mehr Menschen als je zuvor haben im vergangenen Jahr auf fair gehandelte Produkte gesetzt. Darunter ist Kaffee weiterhin der Spitzenreiter. Mit dem Klimawandel könnte sich das aber bald ändern.
Knapp 26 Euro geben die Deutschen im Schnitt jährlich für fair gehandelte Produkte aus, zeigt die Jahresbilanz des Forums fairer Handel. "Erstmals hat der Gesamtumsatz mit Produkten aus fairem Handel die Schwelle von zwei Milliarden Euro überschritten", berichtete Geschäftsführer Matthias Fiedler auf der Jahrespresskonferenz. Das übertreffe das Vorjahr um 11,5 Prozent.
"Auch unter Berücksichtigung der hohen Inflation im vergangenen Jahr ist das eine solide Entwicklung", resümiert Fiedler. Kaffee bleibt weiterhin der Spitzenreiter unter den fair gehandelten Produkten. Allerdings liegt sein Marktanteil erst bei knapp sechs Prozent. Da sei noch Luft nach oben, so Fiedler.
Der Kaffeeanbau im Klimawandel
Rund 160 Liter Kaffee trinken die Deutschen jährlich pro Kopf. Dass das so bleiben kann, bezweifelt Bettina von Reden. Sie leitet den Bereich internationale Kooperationen beim Handelssiegel Fairtrade Deutschland: "Der Kaffeeanbau steht insgesamt vor einem großen Problem. Die Pflanzen sind sehr empfindlich, der Klimawandel setzt dem Anbau zu. Die Prognose ist: Bis 2050 könnten 50 Prozent der heutigen Anbaufläche verloren gehen."
Extremwetter wie Hitze, Dürre, Sturm und Überschwemmung setze den Kaffeebäuerinnen und -bauern zu. "Dazu kommen Schädlinge und Pilzkrankheiten, die sich durch die veränderten klimatischen Verhältnisse weiter ausbreiten", ergänzt die Expertin.
Problematischer Einfluss auf die Umwelt
Auch der Anbau selbst belastet die Umwelt stark, besonders der konventionelle. Meist werden die Pflanzen in Monokulturen angebaut. Jährlich werden hierfür Flächen von mindestens 100.000 Hektar gerodet. Dazu kommen Pestiziden und Herbizide, welche die Biodiversität vor Ort massiv einschränken.
Aus Klimasicht besonders problematisch: Kaffee ist sehr stickstoffintensiv im Anbau. Wird Stickstoffdünger nicht vollständig von den Pflanzen aufgenommen, entsteht im Boden Lachgas, welches später entweicht. Im Vergleich zu Kohlenstoffdioxid ist Lachgas ein ca. 300-mal stärkeres Treibhausgas und greift zudem die Ozonschicht an.
Ist Bio eine Lösung?
Stickstoff bleibt auch im biologischen Anbau ein Problem. Denn durch weniger Dünger verringert sich der Ertrag oft um die Hälfte. Das verschlechtert die Bilanz deutlich und kann zu einem höheren Flächenbedarf führen. Dennoch überwiegen die Vorteile für die Umwelt: Artenvielfalt, Biodiversität und Bodenleben profitieren deutlich durch den biologischen Anbau. Auskunft für Verbraucherinnen und Verbraucher geben hier zum Beispiel das europäische Biosiegel oder auch das "Hand in Hand"-Siegel, welches Bio und Fairtrade kombiniert.
Fast die Hälfte der CO2-Emissionen, die vom Kaffeeanbau bis zur fertigen Tasse entstehen, kommen bei der Zubereitung zustande. Besonders energieintensiv sind hierbei Siebträgermaschinen und Vollautomaten. Bleiben diese den Tag über in Bereitschaft und wechseln in den Standby-Modus, statt sich auszuschalten, treibt das den Energiebedarf weiter in die Höhe. Wer hier Energiesparen möchte, der kann auf Filterkaffee oder eine Frenchpress setzen.
72 Prozent des Fairtrade-Kaffees ist auch Bio
"Eine Vielzahl unserer Fairtrade-Kriterien sind umweltbezogen. Darunter fällt zum Beispiel das Wasser- und Müllmanagement. Aber auch Entwaldung, also die Abholzung von Regenwald, ist streng verboten", erklärt Bettina von Reden. Der Bio-Anbau werde dabei gezielt gefördert, denn das sei eine der klimafreundlichsten Anbaumethoden heißt es von Fairtrade Deutschland.
"Man muss bedenken, dass viele der Familien im Kaffeeanbau arm sind. Das heißt, sie können nicht unbedingt in mehr Nachhaltigkeit investieren. Fairtrade ermöglicht ihnen diese Investitionen und unterstützt auch mit Bildungsangeboten: Wie kann ich die Biodiversität fördern? Oder wie können wir uns an den Klimawandel anpassen?", so von Reden. Sie selbst war bereits bei einigen Bäuerinnen und Bauern vor Ort und weiß: "Nur vorschreiben und verbieten allein reicht nicht. Man muss auch schauen, wie die Leute vor Ort das umsetzen können."
Je länger die Kleinbäuerinnen und -bauern eine Fairtrade-Zertifizierung tragen, umso mehr Anforderungen müssen Sie mit den Jahren erfüllen, auch im Hinblick auf Umweltschutz. "Da zu investieren, muss man sich auch erstmal leisten können und hier kann Fairtrade unterstützen". Auch deswegen tragen 72 Prozent der Fairtrade-Kaffees inzwischen zusätzlich eine Bio-Zertifizierung.
Faire Lieferketten als Ziel
Seit dem 1. Januar 2023 verpflichtet das Lieferkettengesetz deutsche Unternehmen zur Achtung von Menschenrechten durch eine Sorgfaltspflicht. Dabei sollen auch Schädigungen an der Umwelt vermieden werden. Dazu sagt Fiedler vom Forum Fairer Handel: "Für unsere Handelspartner in Afrika, Asien und Lateinamerika sind faire Lieferketten wichtiger denn je."
Denn noch seien viele Bäuerinnen und Bauern darauf angewiesen, Lebensmittel zu Dumpingpreisen an marktmächtige Konzerne zu verkaufen. Deswegen fordert das Forum Fairer Handel ein gesetzliches Verbot des Einkaufs unterhalb der Produktionskosten.