Entscheidung in der Ratssitzung EZB erhöht Leitzins auf 1,5 Prozent
Zum zweiten Mal in diesem Jahr hat die Europäische Zentralbank den Leitzins für die Euro-Zone angehoben. Die Währungshüter erhöhten den Zinssatz um einen Viertelprozentpunkt auf 1,5 Prozent. Damit reagierte die EZB erneut auf die steigende Inflationsgefahr.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hebt den Leitzins im Euro-Raum wegen der anhaltenden Inflationsgefahren an. Der wichtigste Zins zur Versorgung der Kreditwirtschaft mit Zentralbankgeld steigt wie erwartet um 0,25 Prozentpunkte auf 1,5 Prozent. Das teilte die EZB nach ihrer Ratssitzung mit.
Der Leitzins wird damit zum zweiten Mal binnen drei Monaten erhöht, nachdem er zuvor fast zwei Jahre auf dem Rekordtief von 1,0 Prozent verharrt hatte. Volkswirte erwarten mindestens eine weitere Zinserhöhung im laufenden Jahr. Präsident Jean-Claude Trichet deutete zugleich an, dass die Zentralbank noch dieses Jahr nachlegen könnte: "Wir werden weiterhin alle Entwicklungen sehr genau beobachten, die die Aufwärtsrisiken für die Preisstabilität betreffen." Es sei sehr wichtig, dass die steigende Inflation nicht in einer Lohn-Preis-Spirale münde, warnte Trichet.
Nach Definition der Zentralbank gilt Preisstabilität als erreicht, wenn die Teuerung unter zwei Prozent bleibt. Die Inflationsrate im Euroraum lag im Juni bei 2,7 Prozent. Vor allem die Preise für Energie und Nahrungsmittel zogen kräftig an.
Ausstieg aus der Politik des extrem billigen Geldes
Mit dem zweiten kleinen Zinsschritt setzen die Währungshüter ihren allmählichen Ausstieg aus der Krisenpolitik des extrem billigen Geldes fort. Allerdings bremste die Schuldenkrise in Griechenland und anderen Euro-Ländern die Währungshüter offensichtlich bei ihren Zinsschritten. Denn teures Geld ist Gift für die lahmende Wirtschaft der Pleitekandidaten Griechenland oder Portugal.
Trichet kritisiert Oligopol der Ratingagenturen
Trichet übte deutliche Kritik an den Ratingagenturen. "Es ist klar, dass eine kleine oligopolistische Struktur nicht wünschenswert ist auf der Ebene des globalen Finanzsystems", sagte er. Die Arbeitsweise der Ratingagenturen verstärke Trends, und das sei nicht optimal. Die Kritik an den Ratingagenturen, die mit Herabstufungen der Bonität schuldengeplagter Staaten Schlagzeilen machen, wurde zuletzt immer heftiger. Erst kürzlich sorgte die Senkung der Kreditwürdigkeit Portugals durch Moody's für Aufregung.
Griechenland vor der Zahlungsunfähigkeit bewahren
Trichet warnte erneut davor, durch die Beteiligung privater Gläubiger bei der Lösung der griechischen Schuldenprobleme eine Pleite des Mittelmeerlandes zu riskieren. "Wir sagen Nein zu einem begrenzten Zahlungsausfall", betonte Trichet. Die EZB und Griechenland pochen auf ein Modell für ein zweites Hilfspaket, in dem der Euro-Staat nicht als zahlungsunfähig gilt. Ansonsten würde die ohnehin angeschlagene Bankenbranche des Landes zusätzlich belastet.
Kredithürde für Portugal gesenkt
Zugleich gab Trichet bekannt, dass die EZB künftig auch bei der Annahme von Schuldtiteln Portugals als Sicherheit für Geldgeschäfte ein Auge zudrücken wird: Der Rat entschied, Papiere des Landes bis auf weiteres auch unabhängig von einer Mindestnote der Ratingagenturen zu akzeptieren. Ähnlich handhabt die EZB bereits Anleihen der beiden anderen von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) gestützten Euro-Staaten Irland und Griechenland. Normalerweise müssen Staatsanleihen eine bestimmte Bonitätsnote erreichen, damit Banken sie als Sicherheit hinterlegen können.
Reaktionen an den Märkten blieben weitgehend aus
Die neuerliche Zinserhöhung war erwartet worden. Trichet hatte im Juni mit Blick auf die Inflationsgefahren von "hoher Wachsamkeit" gesprochen und die Märkte auf eine erneute Verteuerung des Zentralbankgelds vorbereitet. Dementsprechend blieben größere Reaktionen an den Märkten aus.
Kritik und Lob für die EZB
Die Gewerkschaften kritisierten die Zinserhöhung heftig, da sie die Wirtschaftsmisere in Portugal, Irland und Spanien zu vertiefen drohe. Der Bankenverband begrüßte dagegen die Entscheidung der EZB. Die EZB könne ihre Geldpolitik nicht an der konjunkturellen Entwicklung in einzelnen Euro-Staaten ausrichten, sondern müsse die Lage im gesamten Währungsraum im Blick behalten, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes BdB, Michael Kemmer: "Zu einem realen Wirtschaftswachstum von knapp zwei Prozent in diesem Jahr passt kein Leitzins, der fast noch auf Rezessionsniveau liegt".
Was höhere Zinsen bewirken
Höhere Zinsen helfen im Kampf gegen die Inflation: Kredite werden tendenziell teurer, das wiederum bremst Investitionen und Konsum. Denn Firmen und Verbraucher müssen höhere Zinsen für geliehene Geldsummen aufbringen. Gleichzeitig steigen tendenziell die Zinsen für Tages-, Festgeld- und Sparkonten. Es lohnt sich somit wieder mehr, Geld zu sparen.
Da die deutsche Wirtschaft brummt, halten Volkswirte höhere Zinsen schon seit längerem für erforderlich, um eine Überhitzung mit Blasenbildungen an den Märkten zu vermeiden. Andererseits könnten höhere Zinsen die Wirtschaftserholung in den europäischen Schuldenländern zusätzlich erschweren. Dort bremsen rigide Sparauflagen den Aufschwung ohnehin. Mit den Zinsen verteuern sich Kredite und Investitionen.