EZB stoppt Erleichterungen für Griechenland "Die EZB gießt Öl ins Feuer"
Die EZB hat ihre Sonderregeln für griechische Anleihen beendet: Das ist ein schwerer Schlag für Athen und die Banken dort, sagt ARD-Börsenexperte Klaus-Rainer Jackisch im tagesschau.de-Interview. Zudem sei der Schritt nicht ohne Risiko.
tagesschau.de: Was bedeutet der Schritt der EZB?
Klaus-Rainer Jackisch: Die griechischen Banken haben jetzt Probleme, Geld zu bekommen. Frisches Geld bekommen sie ja von der Europäischen Zentralbank, wenn sie dafür Sicherheiten hinterlegen – zum Beispiel in Form von Anleihen oder Pfandbriefen. Griechische Banken hinterlegen gerne Staatsanleihen bei der Europäischen Zentralbank. Und das ist jetzt das Problem: Denn die EZB hat entschieden, diese Sicherheiten nicht mehr zu akzeptieren.
Diese Sicherheiten hätte die EZB schon länger nicht mehr akzeptieren dürfen, weil es sich um Anleihen auf sogenanntem Ramschniveau, also mit einer sehr niedrigen Bonität handelt. Die darf die EZB eigentlich nicht annehmen, aber für Griechenland hatte der EZB-Rat eine Sondergenehmigung beschlossen. Damit ist ab kommender Woche Schluss.
Wenn jetzt griechische Banken für den normalen Geschäftsverlauf Geld brauchen, dann müssen sie sich das über die griechische Nationalbank direkt holen. Das ist möglich über sogenannte Notprogramme, die von der Europäischen Zentralbank genehmigt sind. Aber die EZB hat deutlich gemacht, dass sie jederzeit diese Zustimmung zurückziehen kann. Dann darf also die griechische Nationalbank kein frisches Geld mehr ausgeben. Das ist ein zusätzliches Druckmittel.
"Griechenland hat kein stichhaltiges Konzept"
tagesschau.de: Wieso macht die EZB jetzt diese Kehrtwende?
Jackisch: Das hat im Wesentlichen zwei Gründe: Zum einen war man bei der EZB verärgert, dass Griechenland sozusagen von heute auf morgen die Troika aus Vertretern der EZB, des Internationalen Währungsfonds und der EU-Kommission hinausgeworfen hat. Die EZB hat ja eigentlich nur beratende Funktion in diesem Gremium, aber sie ist mit dafür zuständig, dass die verabredete Überwachung umgesetzt wird.
Aber es gibt einen wesentlich wichtigeren Grund: dass die griechische Regierung kein wirklich stichhaltiges und begründetes Konzept hat, wie sie eigentlich ihre geplanten Vorhaben umsetzen will. Zumindest ist es Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis nicht gelungen, EZB-Chef Mario Draghi zu überzeugen. Es gab ja ein längeres Gespräch in der Europäischen Zentralbank, und wie man hört, war die EZB nicht besonders angetan. Sie hat Sorgen, dass sich das Land noch mehr verschuldet, in eine Sackgasse gerät und letztendlich die Hilfen nicht zurückgezahlt werden.
"Situation kann schnell außer Kontrolle geraten"
tagesschau.de: Welche Folgen hat der Schritt - insbesondere für Griechenland?
Jackisch: Die Folgen sind dramatisch. Und die Empörung der griechischen Regierung ist zum Teil auch verständlich. Denn die griechischen Banken müssen jetzt viel, viel mehr Geld aufwenden, um an frisches Geld zu kommen. Sie müssen mehr Zinsen zahlen, als wenn sie Geld von der EZB beziehen. Und das könnte im schlimmsten Fall dazu führen, dass es Liquiditätsprobleme gibt in Griechenland, also dass die Geldversorgung nicht so stattfindet, wie es normalerweise der Fall sein sollte.
Solche Befürchtungen hatte es ja auch schon vor dem Wahlausgang gegeben. Viele Griechen hoben Geld ab und horteten es. Und das ist eine Entwicklung, an der niemand ein Interesse hat - auch die Europäische Zentralbank nicht. Hier muss sich die EZB vorhalten lassen, dass ihr Schritt sehr gewagt ist. Denn wenn in der Bevölkerung ein Run auf die Banken einsetzt, dann kann die Situation schnell außer Kontrolle geraten.
"Man muss das Ganze als einen Poker verstehen"
tagesschau.de: Schadet sich die EZB also selbst mit ihrer Entscheidung?
Jackisch: Dass die griechischen Banken ohnehin sehr schlecht dastehen, ist nun wirklich kein Geheimnis für die Europäische Zentralbank. Sie hatte ja im Oktober einen Bankenstresstest durchgeführt, und aus dem kann sie eindeutig sehen, dass es den griechischen Banken schlecht geht. Die EZB gießt in gewisser Weise Öl ins Feuer. Man muss das Ganze als einen Poker verstehen. Man möchte sehen, inwieweit die griechische Regierung bereit ist, ihre zum Teil radikalen Forderungen zurückzuschrauben und sich an die Verträge zu halten.
Es ist zwar umstritten, ob die Troika unbedingt in der Form agieren muss wie bisher, aber dass es einen Kontrollmechanismus für die gewährten Hilfen geben muss, ist eigentlich unstrittig. Und das ist auch in den Verträgen weitgehend so festgelegt. Die EZB will sicher gehen, dass die griechische Regierung kooperationsbereit ist. Denn eines ist ja klar: Am Ende muss es einen Kompromiss geben, mit dem die griechische Regierung das Gesicht wahren kann, und der es andererseits den Geldgebern ermöglicht, ihre Hilfen fortzusetzen, vielleicht sogar zu erhöhen, oder sie zumindest stabil zu halten.
Die Geberländer sind ja gegenüber ihren Steuerzahlern zu Rechenschaft verpflichtet. Hier hat die EZB eine schwierige Vermittlerposition. Und sie muss sich der Kritik stellen, ob sie gerade nicht ein bisschen zu weit geht. Aber unter dem Strich wird sich am Ende sicher eine Lösung finden. Niemand kann ja ein Interesse daran haben, dass Griechenland in die Staatspleite rennt und aus dem Euro ausbricht. Die Finanzmärkte würden diese Situation wohl verkraften, aber für Griechenland wäre es natürlich eine wirtschaftliche Katastrophe.
"Tsipras hat keinen Trumpf in der Hand"
tagesschau.de: Hat das Finanzministerium in Athen nicht sehr gelassen auf die EZB-Ankündigung reagiert?
Jackisch: Die griechische Regierung muss diese Rhetorik ja vorbringen - auch um ihre Wähler bei Laune zu halten. Fakt ist, dass Tsipras keinen großen Trumpf in der Hand hat. Denn der Druck der Geldgeber und jetzt auch der EZB ist extrem massiv. Und wenn die EZB weitergeht und auch der griechischen Notenbank, die das Land mit Geld versorgt, ein Veto gibt, und der andere große Geldgeber, die Europäische Kommission, das Rettungspaket nicht verlängert, dann hat Griechenland einfach nicht genug Geld Ende des Monats. Dann wird dem Land nichts anderes übrig bleiben als die Insolvenz anzumelden, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass sich dem Land andere große Geldquellen auftun.
Das Interview führte Veith Hornig, tagesschau.de