Interview

Ökonom Jörg Krämer zur Krise in der Eurozone "Sehr viel ist künstlich beruhigt"

Stand: 09.08.2013 14:27 Uhr

Aus den Krisenländern der Eurozone kamen lange Zeit nur schlechte Nachrichten - doch nun mehren sich die guten: die Arbeitslosenzahlen in Spanien und Portugal sind rückläufig, Italien prognostiziert das Ende der Rezession im Land. tagesschau.de hat mit dem Chefvolkswirt Volker Krämer gesprochen, ob es nun mit der Wirtschaft in der Eurozone wieder aufwärts geht.

tagesschau.de: Endlich gibt es wieder Positives aus den Euro-Krisenländern zu berichten. Zeichnet sich da etwa eine Trendwende ab?

Volker Krämer: Ja, ich würde sagen, ganz langsam. Denn die auf Umfragen basierenden Konjunkturindikatoren - diese werden bei Konsumenten und Unternehmen ermittelt - sind in den Krisenländern in den vergangenen Monaten doch deutlich gestiegen und liegen mittlerweile sogar etwas höher als in Frankreich. Es zeichnet sich also ab, dass zumindest der Rückgang der Wirtschaftsleistung in den Krisenländern langsam ein Ende hat.

tagesschau.de: Viele haben die harten Sparvorgaben der Geldgeber heftig kritisiert. Ist denn dieser strikte Konsolidierungskurs am Ende doch der richtige?

Krämer: Es gibt leider keine Alternative zu einem strikten Sparkurs, denn Länder wie Griechenland sind ja von der Staatspleite bedroht, und ein Konkurs wäre natürlich für die Wirtschaft katastrophal. Die Unsicherheit darüber muss einfach beseitigt werden, damit die Wirtschaftsleistung wieder nach oben geht. Und das geht nun einmal leider nur über das Sparen. Die Krisenländer sind in einer Situation, in der sie sich Konjunkturprogramme nicht mehr leisten können.

tagesschau.de: Nun sagt US-Präsident Obama in einem Gespräch mit dem griechischen Premier Samaras, sparen allein würde nicht helfen. Es brauche auch Wachstumsimpulse. Bedarf es nicht auch Maßnahmen dieser Art?

Krämer: Das ist Politikerdeutsch. Natürlich braucht es Wachstumimpulse. Aber die Wachstumsimpulse kommen eben nicht daher, dass extrem hochverschuldete Staaten irgendwelche konjunkturellen Strohfeuer auf Pump entfachen - das bringt nichts. Wachstum bringt man dadurch in diese Länder rein, dass die Volkswirtschaften reformiert werden, dass sich Unternehmertum wieder lohnt, dass Bürokratie abgebaut wird und dass die Länder das Risiko eines Staatsbankrotts in den Griff bekommen, und zwar durch eine Zurückführung der viel zu hohen Haushaltsdefizite.

tagesschau.de: Sehen Sie denn ein Ende der Eurokrise - oder anders gefragt: Haben wir das Schlimmste überstanden?

Krämer: Zumindest an den Märkten haben wir seit einem Jahr das Schlimmste überstanden. Aber man muss natürlich beachten, dass die Märkte sich vor allem deshalb beruhigt haben, weil sich die Europäische Zentralbank bereit erklärt hat, im Fall der Fälle Staatsanleihen der Krisenländer zu kaufen. Wir haben zwar Fortschritte gemacht, fundamentale Fortschritte in Portugal, Spanien und Irland. Doch leider ruht der Reformprozess im größten Krisenland Italien vollständig, sodass dort noch unglaublich viel zu machen ist. Es ist sehr, sehr viel künstlich beruhigt durch die Zentralbank - durch eine Politik des lockeren Geldes.

Das Interview führte Simone von Stosch, tagesschau24.