Kolumne Euroschau Deutschland muss über Euro-Austritt nachdenken
Die EZB erklärt sich zum Euro-Retter. Die wachsende Kritik, Deutschland tue nicht genug für die Euro-Rettung, sei absurd, meint Klaus-Rainer Jackisch. Denn der aktuell diskutierte unbegrenzte Kauf von Staatsanleihen birgt enorme Risiken für die Steuerzahler. Deutschland müsse nun über einen Austritt aus der Eurozone nachdenken.
Von Klaus-Rainer Jackisch, HR
Die Europäische Zentralbank hat zum letzten Gefecht für die Euro-Rettung geblasen. Überraschend kündigte EZB-Präsident Mario Draghi vergangene Woche an, die Notenbank werde alles tun, um die Gemeinschaftswährung zu retten: "Und glauben Sie mir. Das wird reichen", sagte er. Starker Tobak!
Was viele zunächst als Masterplan der Währungshüter ansahen, entpuppt sich zunehmend als Fiasko. Denn die Ankündigung von Maßnahmen war offenbar im EZB-Rat nicht abgesprochen. Auch die Art und Weise, wie Draghi seine Entscheidung auf den Weg brachte, ist hochgradig unseriös: ausgerechnet auf einer Investorenkonferenz in London. Auf der wimmelte es nur so vor Spekulanten, die auf das Ende des Euro setzen. Hier verkündete er mal so eben beiläufig, man werde den Euro schon retten. Der falsche Ort. Das falsche Publikum. Die falsche Botschaft. Die Börse jubelte. Doch derart einschneidende Maßnahmen, die die Steuerzahler zu tragen haben, gehören auf den Tisch einer EZB-Sitzung und auf das Programm der anschließenden Pressekonferenz – nicht in den dunklen Vorbau in der Höhle des Löwen.
EZB stellt eine Notenpresse aufs Börsenparkett
Was die Ankündigungen Draghis konkret bedeuten, ist noch nicht klar. Vermutlich will er jetzt in großem Stil Staatsanleihen der südeuropäischen Krisenländer kaufen, also vor allem aus Spanien und Italien.
Eine weitere Maßnahme könnte die Ausstattung des Euro-Rettungsschirms (ESM) mit einer Bank-Lizenz sein. Auf diese Weise würde der ESM unbegrenzt von der EZB mit frischem Geld versorgt. Unter dem Strich bedeuteten beide Ideen, dass die EZB kräftig Geld druckt. Man kann es auch anders ausdrücken: Die EZB stellt eine Notenpresse auf das Parkett der Börse, an der sich alle bedienen. Kein Wunder, dass die Zocker jubeln.
Draghis Plan verstößt gegen die EU-Verträge
Der Plan verstößt eindeutig gegen den Maastrichter Vertrag. Die EZB ist nicht dafür da, Staaten zu finanzieren. Das steht klipp und klar im Vertrag. Die Deutsche Bundesbank hat sich daher in diplomatischer Form, aber in der Sache vehement, gegen diese Politik ausgesprochen. Doch nachdem bereits ein deutscher Anwärter auf den EZB-Chefsessel und eine deutscher Chefvolkswirt der EZB über diese Frage gestürzt sind, ist die Bundesbank isoliert - im EZB-Rat sowieso.
Draghi vollzieht mit der Ankündigung einen erneuten Schwenk in der EZB-Politik. Zwar hatte sein Vorgänger Jean-Claude Trichet mit dem Kauf von Staatsanleihen begonnen. Unter Draghi hatte das umstrittene Programm in den vergangenen Monaten zunächst geruht. Tatsächlich hatte er eine Strategie propagiert, nach der sich die EZB aus der Euro-Rettung zurückziehen wolle. Mehrfach hatte Draghi Politiker aufgefordert, endlich zu handeln. Denn die wirklichen Probleme der Verschuldung und Haushaltssanierung kann die Notenbank ohnehin nicht lösen. Das müssen die Staats- und Regierungschefs tun. Von ihnen haben viele die Dramatik der Krise aber noch nicht erkannt.
EZB sieht sich als Retter des Euro
Jetzt beugt sich Draghi dem massiven Druck der Spekulanten und der Politik der klammen Südstaaten erneut. Die EZB schwenkt wieder um und sieht sich als finaler Retter des Euro. Welcher Bürger kann einer solchen Institution, die ständig ihre Strategie wechselt, noch vertrauen? Wie glaubhaft ist eine EZB, in der wichtige Länder wie Deutschland nichts mehr zu sagen haben? Aber viel wichtiger: Wer kann einer Notenbank trauen, die Verträge bricht und nur das Wohl der Finanzmärkte, nicht aber der Bevölkerung im Auge hat?
Faktisch bedeutet die unlimitierte Rettung des Euro durch die Notenbank, dass die Politik des billigen Geldes grenzenlos fortgesetzt wird. Doch genau diese Politik hat die Krise erst ermöglicht. Die Folgen werden fatal sein. Bislang ist Inflation in der Eurozone kein großes Thema. Zurzeit ist die Preissteigerung sogar rückläufig. Das dürfte auch mittelfristig so bleiben, da ein deutlicher Konjunktureinbruch zu erwarten ist. Deshalb dürften auch die Rohstoffpreise nicht exorbitant steigen.
Auch verspricht die EZB, die überschüssige Liquidität wieder abzuschöpfen. Doch was passiert, wenn das nicht gelingt? Dann dürfte die Preissteigerung einen kräftigen Schub bekommen. Für die betroffenen Staaten wäre das ideal: Schulden über Inflation abzubauen, war schon immer die eleganteste Art eines Landes, sich dieses Problems zu entledigen. Bezahlt wurde das dann von der Bevölkerung, deren Geld nicht mehr viel wert war. Im schlimmsten Fall gab es sogar eine Währungsreform. Dadurch verlor die Bevölkerung endgültig den Wert ihrer Ersparnisse. Auszuschließen ist das angesichts der jetzigen Situation nicht mehr.
Vorwürfe an Deutschland sind absurd
Gleichzeitig steht die Bundesrepublik immer stärker in der Kritik, sie würde nicht genug für die Euro-Rettung tun und alle Bemühungen verschleppen oder verhindern. In vielen europäischen Hauptstädten werden die Vorwürfe an Berlin immer lauter. Das ist absurd.
Deutschland hat Milliarden über Milliarden in Rettungspakete und Garantien gesteckt, um den Krisenstaaten beizustehen. Man hat eine Position nach der anderen aufgegeben, zugeschaut, wie sich die Verhältnisse in der EZB zu Ungunsten Deutschlands verschieben. Man ist isoliert oder hat kein Mitspracherecht bei wichtigen Entscheidungen mehr - sei es in der EZB, im IWF oder in der Europäischen Kommission. Trotzdem darf der deutsche Steuerzahler weiter sein Portemonnaie öffnen und muss sich von Politikern der Krisenländer auch noch Vorhaltungen machen lassen. Das kann auf Dauer nicht gut gehen. Die Bevölkerung wird das nicht mittragen.
Ist der Euro den hohen Preis seiner Rettung wert?
Es ist an der Zeit, darüber nachzudenken, ob Deutschland aus der Eurozone austreten soll. Ohne Frage hat die deutsche Wirtschaft große Vorteile durch den Euro. Auch ist das Projekt von immenser Bedeutung für die europäische Idee und alle ihre Vorteile: Frieden in Freiheit. Aber ist der Euro den massiven Preis wert, den die Bevölkerung für die Euro-Rettung zahlen muss?
Eine klare Antwort darauf gibt es nicht. Aber nachdenken sollte man über die Alternative schon einmal. Zumal die Überlebenschancen der Eurozone ohnehin gering sind. Denn welche Währungsunion kann langfristig existieren, wenn sie nur am Tropf einer heiß laufenden Notenpresse hängt?
Klaus-Rainer Jackisch schreibt bei tagesschau.de regelmäßig seine Kolumne Euroschau, in der er einen Blick auf die monatliche EZB-Ratssitzung wirft.