EU-Kommission setzt auf gemeinsame Staatsanleihen Eurobonds sollen die Eurozone retten
Allein Italien muss sich im kommenden Jahr mehr als 300 Milliarden Euro neu leihen - und die Zinsen liegen auf Rekordniveau. Wie kann sich die Eurozone weiter finanzieren? Die EU-Kommission setzt auf Eurobonds und unternimmt nun, trotz des deutschen Neins, einen neuen Anlauf für gemeinsame Anleihen.
Die EU-Kommission will am Mittwoch mit konkreten Vorschlägen für die Einführung von Eurobonds, also gemeinsamen Staatsanleihen der Eurostaaten, an die Öffentlichkeit gehen. In einem Papier der EU-Kommission, das unter anderem der Nachrichtenagentur AFP und der "Financial Times" vorliegt, werden verschiedene Varianten solcher Eurobonds durchgespielt, die in dem Papier "Stabilitätsanleihen" genannt werden.
Die gemeinsamen Anleihen werden unter anderem von der Bundesregierung bislang strikt abgelehnt. Die Gegner argumentieren, durch die Einführung gehe der Anreiz für die Länder verloren, ihre Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen. Außerdem sind gemeinsame Anleihen bisher wegen der "No-Bailout-Klausel" verboten, nach der ein Eurostaat nicht die Haftung für die Schulden anderer Eurostaaten übernehmen darf - wenngleich genau das indirekt bereits passiert.
Kommission stellt mehrere Varianten vor
Die Befürworter der Eurobonds sehen dagegen die Möglichkeit, die Schuldenkrise in der Währungsunion dauerhaft in den Griff zu bekommen - die Spekulationen gegen einzelne Staaten wären sofort beendet.
Derzeit zahlen die Euro-Länder unterschiedlich hohe Zinsraten für ihre Staatsanleihen, wegen der Schuldenkrise unter Druck stehende Länder können sich nur unter hohen Zinsaufschlägen neues Geld an den Finanzmärkten besorgen. Und genau dieser Mechanismus verschärft die Krise weiter, da gerade die Krisenstaaten zusätzlich auch noch hohe Zinslasten schultern müssen.
Als wirksamste Form der Eurobonds nennt die EU-Kommission in ihrem Papier die Möglichkeit, die Staatsanleihen der einzelnen Staaten durch gemeinsame Anleihen der 17 Eurostaaten vollständig zu ersetzen. Damit würden Staaten wie Griechenland, Italien oder Portugal die Möglichkeit erhalten, zu weitaus günstigeren Bedingungen als bislang an den Märkten Geld aufzunehmen. Gleichzeitig würde das allerdings für Staaten, die bisher niedrige Zinsen zahlen, einen Zinsaufschlag bedeuten. Die Kommission schlägt hier vor, dass die Staaten, die von den Eurobonds durch niedrige Zinsen profitieren, einen Ausgleich an die Verlierer dieser Lösung zahlen könnten.
Die zweite Option läge darin, Eurobonds neben den bisherigen Staatsanleihen auszugeben. So würden beide Wege parallel die Möglichkeit eröffnen, staatliche Schulden zu finanzieren. Sowohl die erste als auch die zweite Option würde eine Änderung des Lissabon-Vertrages erforderlich machen. Bislang ist es rechtlich nicht möglich, Schulden eines Einzelstaates zu vergemeinschaften.
Laut "Financial Times" wird in dem Papier auch eine Option genannt, die der deutsche Sachverständigenrat ins Spiel gebracht hatte: Danach würden zunächst alle Schulden, die über die im Maastricht-Vertrag festgeschriebene Grenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hinausgehen, in einem Fonds gebündelt. Für diesen Teil der Schulden würden dann gemeinsame Anleihen ausgegeben.
Strenge Vorschriften sollen Kritiker beruhigen
Der Kritik, durch gemeinsame Bonds falle der Sparanreiz für Krisenstaaten weg, versucht die Kommission durch strenge Vorschriften zu begegnen: In jedem Fall dürfe nichts unternommen werden, was die Haushaltsdisziplin aushöhlen könnte, heißt es in dem Papier. Den einzelnen Staaten müssten "Bedingungen" gestellt werden, bevor sie sich am System der Eurobonds beteiligen dürften. Zudem sei "eine substanziell verstärkte Haushaltsüberwachung" nötig.
Bundeskanzlerin Angela Merkel will den Vorstoß der EU-Kommission "prüfen". Regierungssprecher Steffen Seibert kündigte an, dass Merkel bei einem Treffen mit Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkzoy und dem neuen italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti an diesem Donnerstag über Barrosos Vorschläge sprechen werde. Er betonte aber, dass die Bundesregierung Eurobonds nicht für ein Allheilmittel zur Lösung der Schuldenkrise in Europa halte. Es sei besser, die Ursachen der Krise zu bekämpfen.
Die Eurostaaten müssen sich im kommenden Jahr Hunderte Milliarden Euro an den Finanzmärkten besorgen - allein das kriselnde Italien muss sich mehr als 300 Milliarden Euro neu leihen. Angesichts der immer geringeren Nachfrage und der steigenden Zinsen ist bislang unklar, ob das zu akzeptablen Konditionen gelingen kann. Bislang brachten selbst die Regierungswechsel in Griechenland, Italien und Spanien das Vertrauen in diese Staaten nicht zurück.