Keine Hilfe für die Wirtschaft Der Fluch des schwachen Euro
Tief, tiefer, Euro: Die europäische Gemeinschaftswährung ist inzwischen weniger als ein US-Dollar wert. Welche Folgen hat der schwache Euro für die Verbraucher und die Wirtschaft?
In der Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB) herrscht Unruhe. Der Euro fällt und fällt. In dieser Woche ist er auf ein neues 20-Jahres-Tief gegenüber dem US-Dollar gefallen. Seit Jahresbeginn hat der Euro gut 14 Prozent an Wert gegenüber dem Dollar eingebüßt.
Bleibt der Euro dauerhaft unter der Parität?
Es könnte bald noch schlimmer kommen. Mehrere Devisenexperten und Anlagestrategen gehen davon aus, dass der Euro dauerhaft weniger als ein Dollar wert sein werde. "Ob der drohenden Energiekrise und damit aufziehender Rezessionsgefahren dürfte der Kurs noch eine ganze Weile unter der Parität verweilen", warnt Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege von RoboMarkets. "Damit besteht aber jederzeit auch die Möglichkeit, dass der Euro noch deutlicher gegenüber dem Dollar fällt." US-Banken wie Morgan Stanley prophezeien, dass der Euro bis Jahresende auf 0,99 Dollar verharrt.
Urlaub wird teurer
Unter dem schwachen Euro leiden vor allem deutsche Urlauber, die in die USA fahren. Ein Trip nach New York mit Einkaufsbummel auf der Fifth Avenue oder eine Reise nach Florida sind inzwischen deutlich teurer geworden.
Schlimmer noch: Nach Deutschland eingeführte Waren werden teurer. Vor allem für das Tanken und das Heizen müssen deutsche Verbraucher womöglich noch mehr Geld ausgeben. Denn Rohstoffe wie Öl werden in Dollar gehandelt. Das machte sich bereits im ersten Halbjahr schmerzlich bemerkbar: Der Ölpreis stieg in Dollar um 21 Prozent, in Euro gerechnet um gut 38 Prozent nach oben schnellte. "Durch den schwachen Euro wird die ohnehin schon teure Energie noch teurer", befürchtet Finanzexperte Thomas Altmann von QC Partners.
Euro-Schwäche heizt Inflationsdruck an
Der schwache Euro könnte somit den Inflationsdruck weiter anheizen, warnt Kapitalmarktstratege Philipp Vorndran vom Vermögensverwalter Flossbach von Storch. Verbraucher müssen noch tiefer in die Tasche greifen, um ihre Lebenshaltungskosten zu stemmen.
Die Inflation könnten das Vermögen vieler Deutschen weiter schrumpfen lassen. Viele Anleger haben ihr Geld in Anlagen investiert, die auf Euro-Basis notieren.
Exportwirtschaft im Dilemma
Selbst der deutschen Wirtschaft hilft der niedrigere Euro kaum noch. Zwar verbilligen sich die Ausfuhren deutscher Güter. Andererseits müssen die Firmen teurer die Energie und die Industrie-Rohstoffe einkaufen. Der Exportvorteil werde momentan durch die importierte Inflation überkompensiert, heißt es in einem Kommentar der DZ Bank. Der schwache Euro sei somit "mehr Fluch als Segen, befeuert er doch die ohnehin hohe Inflation noch weiter", meinen die Experten des Geldinstituts.
Ähnlich sieht das Kapitalmarkt-Stratege Vorndran. Kurzfristig sei ein schwacher Euro gut, er verbessere die Wettbewerbsfähigkeit deutscher und europäischer Unternehmen. Das sei aber nur ein kurzfristiger Effekt. Langfristig schade die schwache Währung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exportwirtschaft, sagte er auf Tagesschau 24.
Die Logik, in denen ein schwacher Euro wie ein Konjunkturprogramm für die deutsche Wirtschaft wirke, funktioniere jetzt nicht mehr, sagt Volkswirt David Kohl von Julius Bär.
Zinsdifferenz und Rezessionsgefahr nützt dem Dollar
Derzeit sind es vor allem zwei Gründe, die den Dollar stärken und den Euro schwächen: die Zinsdifferenz zwischen Europa und den USA sowie der Ukraine-Krieg. Die Fed hat die Leitzinsen zuletzt mehrfach erhöht auf inzwischen 2,25 bis 2,5 Prozent. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat hingegen bisher nur einmal die Leitzinsen um 0,5 Prozentpunkte angehoben.
Der Krieg in der Ukraine hat ein Chaos auf den Energiemärkten ausgelöst, worunter vor allem europäische Länder leiden. Die Gasknappheit trifft Europa härter als die USA. Die Eurozone und auch Deutschland könnten im zweiten Halbjahr in eine Rezession rutschen. Insofern ist der schwache Euro auch Sinnbild der drohenden Rezessionsgefahr. Und: Gerade in Krisenzeiten sind sichere Häfen gefragt. Das ist und bleibt der US-Dollar.
Auch der Schweizer Franken wertet zum Euro deutlich auf
Eine zweite Fluchtwährung ist der Schweizer Franken. Die eidgenössische Währung hat seit Jahresbeginn um rund acht Prozent gegenüber dem Euro aufgewertet. Die europäische Gemeinschaftswährung fiel auf ein Rekordtief und ist inzwischen weniger als ein Franken wert. Lange Zeit hatte die Schweizer Notenbank SNB die Marke von 1,08 Franken mit gezielten Interventionen verteidigt. Nun aber sehen die Währungshüter dafür aber keinen Anlass mehr. Sie befürchten eine importierte Inflation und haben früher als die EZB die Zinswende eingeläutet.