EU-Gipfeltreffen in Brüssel Viel Krisenmanagement und wenig Routine
Die EU-Staats- und Regierungschefs beraten zwei Tage lang über die griechische Schuldenkrise. Aber auch die Nominierung eines neuen EZB-Chefs, die Aufnahme Kroatiens in die EU und die Lage in Syrien stehen auf der Agenda.
Die EU-Staats- und Regierungschefs werden heute bei ihrem Gipfel in Brüssel über die Schuldenkrise in Griechenland beraten. Neue Beschlüsse dazu sind aber nicht zu erwarten, nachdem die Finanzminister der Euro-Länder in dieser Woche der Regierung in Athen klare Bedingungen zur Auszahlung der nächsten Kredittranche gestellt haben. Griechenland muss bis Ende des Monats ein Kürzungspaket in Höhe von 78 Milliarden Euro verabschieden, um im Juli den dringend benötigten Kredit der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zu bekommen.
Unmittelbar vor Beginn des Gipfels will Bundeskanzlerin Angela Merkel mit anderen Spitzenvertretern aus der EU über Griechenland beraten. An dem Treffen in kleinem Kreis sollen Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, Griechenlands Ministerpräsident Giorgias Papandreou, EU-Ratspräsident Herman van Rompuy sowie EZB-Chef Jean-Claude Trichet teilnehmen, berichten Diplomaten in Brüssel. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es allerdings nicht.
In Diplomatenkreisen hieß es, dem griechischen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou solle der Rücken gestärkt werden, um das Land aus der gefährlichen Schuldenkrise zu führen, die andere Länder wie Spanien oder Italien anzustecken drohe. Die Regierung Papandreou hatte in der Nacht zum Mittwoch eine Vertrauensabstimmung gewonnen. Ohne die neuen Kreditauszahlungen, die im Juli aus dem laufenden Hilfsprogramm fließen sollen und insgesamt zwölf Milliarden Euro ausmachen, wäre Griechenland pleite. Ein formaler Beschluss zur Auszahlung wird allerdings erst von den Euro-Finanzministern erwartet, die am 3. Juli in Brüssel zusammenkommen.
Neues Hilfspaket auf der Tagesordnung
Eine Überprüfung der griechischen Kassen durch Experten von EU, IWF und Europäischer Zentralbank hatte ergeben, dass Griechenland nicht wie geplant im kommenden Jahr zur Kreditaufnahme an die Finanzmärkte zurückgehen kann. Das laufende Programm von 110 Milliarden Euro reiche deshalb nicht aus, war das Fazit. In der Debatte ist ein neuer Plan von bis zu 120 Milliarden Euro. Dazu sollen auch private Gläubiger Griechenlands - wie Banken oder Versicherungen - auf freiwilliger Basis beitragen und griechische Staatsanleihen halten.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso will bei dem Spitzentreffen auch vorschlagen, Geld aus Regionalfördertöpfen der EU früher an Athen auszuzahlen. Damit könnte eine Milliarde Euro zusammenkommen.
Die Euro-Länder wollen auf dem Treffen außerdem ihre Instrumente zur Abwehr der Schuldenkrise verstärken. Der vorübergehende Euro-Krisenfonds EFSF soll seine Kreditsumme auf insgesamt 440 Milliarden Euro aufstocken. Zudem wird die Gründung des Nachfolgefonds ESM auf den Weg gebracht. Beides muss dem Bundestag zur Zustimmung vorgelegt werden.
Draghi soll neuer EZB-Chef werden
Auf der Tagesordnung steht auch die Ernennung des italienischen Notenbankchefs Mario Draghi zum Nachfolger von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet. Der Weg an die Spitze der Notenbank war für Draghi frei geworden, nachdem Deutschland mit dem Rücktritt von Bundesbankpräsident Axel Weber seinen Kandidaten verloren hatte.
Kroatien als 28. Mitgliedsstaat
Der Gipfel soll grünes Licht für die Aufnahme Kroatiens bis zum Juli 2013 geben. Die EU-Kommission hatte den Schritt nach sechs Verhandlungsjahren in der vergangenen Woche empfohlen. Die Außenminister der Mitgliedsstaaten machten am Dienstag in Luxemburg den Weg für den Gipfelbeschluss frei. Um Bedenken auszuräumen, Zagreb könne bei den erreichten Reformen Rückschritte machen, soll das Land weiter überwacht werden. Auch wird mit der Einbehaltung von EU-Mitteln gedroht. Allerdings soll eine Verschiebung des Beitritts ausgeschlossen werden. Nach der Zustimmung des Gipfels könnten die Verhandlungen noch im Juli formell abgeschlossen und der Beitrittsvertrag bis Ende des Jahres unterzeichnet werden.
Wiedereinführung von Grenzkontrollen?
Die Revolutionen und Aufstände in Europas südlicher Nachbarschaft bestimmen das Treffen am zweiten Gipfeltag. Der Krieg in Libyen und die Gewalt in Syrien sind ebenso Themen wie das Engagement der EU in den Umbruchländern am Mittelmeer. Die Staats- und Regierungschefs wollen angesichts vieler Flüchtlinge aus Nordafrika die EU-Kommission beauftragen, neue Möglichkeiten für die Wiedereinführung von Grenzkontrollen zu schaffen. Etwa für den Fall, dass Mitgliedsstaaten mit EU-Außengrenzen diese nur mangelhaft sichern.
Diplomaten: Neue Syrien-Sanktionen geplant
Thema beim Treffen in Brüssel ist auch die Lage in Libyen. Die Europäische Union will offenbar weitere Sanktionen gegen das Regime des syrischen Präsidenten Baschar Assad verhängen und diese beraten. Die neuen Strafmaßnahmen zielten auf sieben weitere Syrer und vier Unternehmen des Landes ab, verlautete aus EU-Kreisen. Durch die neuen Sanktionen würde die Zahl der syrischen Personen und Vereinigungen, deren Vermögen eingefroren oder gegen die Einreiseverbote verhängt wurden, auf 34 steigen. Die EU hat auch ein Waffenembargo gegen Syrien verhängt.