Wirtschaftsbeziehungen Wie die EU mit Afrika handelt
Bisher läuft der Handel zwischen der EU und Afrika über Partnerschaftsabkommen mit einzelnen afrikanischen Ländern. Doch viele sehen darin Risiken - vor allem für afrikanische Bauern.
Von Holger Beckmann, ARD-Studio Brüssel
Mit seinem Vorschlag für einen neuen EU-Afrika-Vertrag sticht Bundesentwicklungsminister Gerd Müller mitten hinein in die komplizierten europäisch-afrikanischen Handelsbeziehungen. Jahrzehntelang waren sie einseitig ausgerichtet, Produkte kamen vor allem aus Afrika nach Europa - auch eine Folge der Kolonialzeit. Im Gegenzug wurden europäische Importe von afrikanischen Staaten oft mit hohen Zöllen belegt.
Mit den Welthandelsregeln musste dann aber auch Afrika seine Märkte mehr und mehr für Waren aus Europa öffnen. Geregelt wird der Handel zwischen der Europäischen Union und Afrika über sogenannte Europäische Partnerschaftsabkommen mit einzelnen afrikanischen Ländern. Diese Abkommen schreiben fest, dass die Staaten ihre Märkte innerhalb einer Übergangszeit zu 80 Prozent für Produkte aus Europa öffnen müssen - jedenfalls dann, wenn auch sie Zugang zu europäischen Märkten haben wollen. Und vor allem: Wenn sie attraktiv sein möchten für Investitionen aus Europa.
Risiko für afrikanische Bauern
Denn die gelten als Motor für eine Entwicklung auf dem afrikanischen Kontinent und damit auch als wichtiger Faktor, um dort die Menschen von einer Flucht nach Europa abzuhalten. Die Bevölkerung wächst in den meisten afrikanischen Staaten rasant, die Wirtschaftskraft aber nicht entsprechend. An dieser Stellen sollen die Partnerschaftsabkommen ansetzen.
Bernd Lange, SPD-Europaparlamentarier und dort Vorsitzender des Handelsausschusses, fasst das so zusammen: "Wir öffnen den Entwicklungsländern - gerade den afrikanischen, mit denen wir auch Verträge geschlossen haben - zu 100 Prozent den Markt und geben ihnen die Möglichkeit, ihre Produktion langfristig zu schützen."
Doch so einfach sei es nicht, sagen Kritiker. Wenn Afrika seine Grenzen öffnet, vor allem für landwirtschaftliche Produkte aus Europa, treibe das Bauern dort oft in den Ruin. "Wir exportieren in 60 Länder in die ganze Welt", erzählt ein Landwirt aus den Niederlanden. "Da gehen Zwiebeln nach Afrika, nach Mauretanien, nach Kamerun, nach Senegal. Die Leute in Afrika essen Reis - und um dem etwas Geschmack zu geben, werden Zwiebeln konsumiert."
Abkommen nicht partnerschaftlich?
Genau gegen solch wettbewerbsfähige Produkte aus Europa könne kein afrikanischer Kleinbauer ankommen, heißt es aus vielen Nicht-Regierungsorganisationen. Das dürfte auch der Grund sein, warum es nach wie vor afrikanische Staaten gibt, die kein Partnerschaftsabkommen mit der EU unterzeichnen wollen: Manche finden es nicht partnerschaftlich.
Selbst der Afrika-Beauftragte der Bundeskanzlerin, Günter Nooke, mahnt beim Blick auf die Handelspolitik mit Afrika zur Rücksichtnahme: "Wenn man gleichzeitig viel Steuergeld mit verschiedenen Entwicklungsprogrammen nach Afrika bringt, dann sollte man nicht kaputt machen, was man auf der anderen Seite als Entwicklungsministerium versucht aufzubauen."
Erste Schritte zu einer afrikanischen Freihandelszone
Deshalb versucht der deutsche Entwicklungsminister Müller nun offenbar einer Diskussion neuen Schwung zu geben, die schon länger schwelt: Dahinter steckt der Gedanke, dass die EU nicht mehr Handelsverträge mit einzelnen Staaten in Afrika abschließt, sondern einen mit Afrika insgesamt. So hätte der gesamte Kontinent uneingeschränkten Marktzugang zu Europa.
Das, so heißt es etwa aus dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag, werde aber nur passieren, wenn die afrikanischen Staaten zuerst untereinander ihre Zollschranken abbauten und der Kontinent im Gegenzug auch zu einem wirklichen offenen Markt für Europa und europäische Investitionen werde.
Tatsächlich sind die ersten Schritte zu einer innerafrikanischen Freihandelszone schon gemacht. Die meisten Staaten Afrikas haben eine entsprechende Vereinbarung ratifiziert - allerdings noch nicht alle. Bis es soweit ist, bleibt die Forderung des Bundesentwicklungsministers also noch Wunschdenken.