Papierkrieg um Photovoltaikanlagen Der lange Kampf um den Strom vom Dach
Zahlreiche Anträge, monatelange Wartezeit: Wer sich eine Solaranlage aufs Dach stellen will muss zuvor einen bürokratischen Papierkrieg überstehen. Anlagen, die längst Strom produzieren könnten, stehen so monatelang still.
Eigentlich hätte die Photovoltaikanlage auf der Turbinenhalle in Oberhausen schon längst beim Sparen helfen können - doch gegen die deutsche Bürokratie kommen auch die Erneuerbaren nicht an.
Vor einem Jahr war die Anlage betriebsbereit, erzählt Björn Josefiak von der Turbinenhalle Oberhausen. "Seit September 2021 hätte die Anlage Strom liefern können, und wir haben es dann hinbekommen - Mitte Juli 2022." Neun Monate verschwendete Sonnenenergie, weil der Anlagenbauer plötzlich eine Art behördlichen Stempel von einem Zertifizierungsbüro besorgen musste.
Bis Mitte 2019 war das bei solchen Anlagen gar nicht nötig. Doch dann setzte die Bundesnetzagentur die Schwelle für Zertifizierungen radikal nach unten. Seitdem müssen auch mittelgroße Anlagen wie die in Oberhausen einen teuren und langen Simulationsprozess nachweisen. Ergebnis: Tausende Betreiber konnten nicht ans Netz.
Energetischer Spießrutenlauf
Viel zu kompliziert ist es auch immer noch für die kleineren, privaten Stromproduzenten. Eine Solaranlage auf dem Dach zu haben, bedeutet leider noch lange nicht, dass auch Strom ins Netz eingespeist werden kann. "Die Anlage haben wir seit 24. Juni diesen Jahres. Und es hakt eigentlich daran, dass vom Grundversorger der Netzantrag nicht bearbeitet wird", klagt Sören Zander aus Brandenburg. Er vermutet, dass die Grundversorger womöglich aus Angst, den eigenen Profit zu verlieren, auf der Bremse stehen.
Am anderen Ende Deutschlands ergibt sich ein ähnliches Bild. Bernd Schmidt aus Saarbrücken wartete monatelang auf seinen Zweirichtungszähler. Als der endlich da war, kamen die nächsten Hindernisse. "Als Voraussetzung für die Inbetriebnahme haben die Stadtwerke uns vorgeschrieben, dass eine LAN-Verbindung hergestellt wird. Und zwar zwischen dem Gaszähler, dem Wasserzähler und dem Elektrozähler."
Söldner im Papierkrieg
Zusätzliche Kosten ohne wirklichen Nutzen und monatelange Wartezeit, um seinen eigenen Strom zu ernten. Statt Unterstützung gibt es Knüppel zwischen die Beine - und einen gewaltigen Papierkrieg. "Wenn man auf die Karte schaut, erinnert das an Deutschland vor ein paar Hundert Jahren, als es noch viele Fürstentümer gab, mit ganz eigenen Regeln", erzählt Mario Kohle.
Seine Firma, die Enpal GmbH, verkauft Photovoltaikanlagen in ganz Deutschland. Alleine 50 Mitarbeiter sind dort damit beschäftigt, die neuen Anlagen bei den mehr als 900 deutschen Netzgesellschaften anzumelden. "Das kann schon mal vorkommen, dass man ein Formular, nur weil es ein falsches Format hat, vom Netzbetreiber zurückgeschickt bekommt und der sagt - 'bitte die 60 Seiten nochmal ausfüllen'."
Die Bundesregierung hat bereits Besserung versprochen, es soll endlich eine einheitliche Online-Anmeldung kommen - ab 2025. "Ich stell mir einfach vor, dass wir in 15 Jahren mit unseren Kindern reden und sagen: Sorry, wir haben die Energiewende nicht hingekriegt, weil das einfach zu viel Papierkram war", sagt Kohle.
Andere machen es besser
In Holland läuft alles viel unkomplizierter, erzählt Johannes Bühles. Er hat in Vaals gleich hinter der deutschen Grenze seine Schweißerwerkstatt mit einer Solaranlage ausgestattet. "Ende des Jahres hoffe ich, dass ich einen Überschuss an Strom erzeugt habe und man dann das, was ich verbraucht habe, abzieht. Und das was übrig bleibt, bekomme ich dann ausgezahlt."
Zur Verdeutlichung: Werden auf dem Dach 10.000 Kilowattstunden (kWh) Solarenergie produziert und 6000 kWh selbst verbraucht, gehen 4000 kWh ins Stromnetz. Werden dann im Winter 3000 kWh aus dem Netz statt vom Dach verbraucht, werden die mit den 4000 kWh verrechnet. Für 1000 kWh gibt es also eine Vergütung.
Es kann nur besser werden
In Deutschland können kleine Stromerzeuger von solch einer unkomplizierten und gleichzeitig lukrativen Lösung nur träumen. Sie bekommen 8,2 Cent pro Kilowattstunde, müssen aber - Stand heute - rund 37 Cent pro verbrauchter Kilowattstunde aus dem Stromnetz zahlen. Ein gegeneinander Verrechnen gibt es nicht.
"Volle Energie für Erneuerbare" hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in fröhlicheren Zeiten in einem Werbeclip gefordert. Immerhin hat die Bundesregierung die Zertifizierung für Anlagen wie die in Oberhausen erstmal ausgesetzt; man kann die Papiere jetzt nachliefern. Ein schwacher Trost, denn aufgeschoben ist bekanntlich nicht aufgehoben.