Produktionserwartung 2035 E-Fuels reichen laut Analyse nicht für Deutschland
Im Streit über das Verbrenner-Aus ruhen viele Hoffnungen auf E-Fuels. Doch die deutsche Nachfrage könnte 2035 nicht gedeckt werden, zeigt eine Analyse des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung.
Die deutsche Nachfrage an E-Fuels wird 2035 nicht gedeckt werden können. Dies geht aus einer Analyse des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung hervor, die dem ARD-Magazin FAKT exklusiv vorliegt. Das Papier wirft einen neuen Aspekt in die Debatte über den synthetisch erzeugten Kraftstoff für Verbrennungsmotoren in Pkw.
"Wir haben festgestellt, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass die E-Fuels, die wir 2035 global zur Verfügung haben, nicht ausreichen, um die unverzichtbaren Nachfragen in Deutschland zu decken", erklärt Falko Ueckerdt vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. "Mit unverzichtbaren Nachfragen meine ich im Flugverkehr, im Schiffsverkehr und in der Chemie." Denn in diesen Bereichen ließen sich die benötigten hohen Energiedichten nicht elektrifizieren.
2019 machten diese Anwendungen etwa 40 Prozent der gesamten Nachfrage nach flüssigen Kohlenwasserstoffen in Deutschland aus, heißt es in der Analyse. Aufgrund der Corona-Pandemie liegen noch keine Zahlen aus den vergangenen Jahren vor. In dieser Berechnung ist nicht berücksichtigt, dass etwa der Flugverkehr noch zunehmen könnte.
"Für Pkw bleibt nichts übrig"
Bislang sind weltweit 60 industrielle Produktionsanlagen bis zum Jahr 2035 angekündigt, wie aus dem Faktenpapier hervorgeht. Erste Erkenntnis: Von allen angekündigten Anlagen hat nur ein Prozent eine Entscheidung zur Finanzierung.
Eine weitere wichtige Erkenntnis: Wenn man annimmt, dass alle diese Projekte ihre Finanzierung realisieren und gebaut werden, so könnte dieses gesamte globale Angebot etwa zehn Prozent der deutschen Nachfrage nur in den unverzichtbaren E-Fuel-Anwendungen decken. Wenn also andere Länder auch was vom E-Fuel-Kuchen abhaben wollen, wird es für Deutschland nicht reichen. Man werde die synthetischen Kraftstoffe brauchen, so der Experte. Aber: "Für Pkw bleibt nichts übrig."
Selbst das Best-Case-Szenario reicht nicht
Bislang werden E-Fuels, die auf Grundlage von Wind- oder Sonnenenergie in synthetische Kohlenwasserstoffe umgewandelt werden sollen, noch nicht kommerziell produziert. Es gibt bislang wenige Forschungs- und Pilotanlagen. Eine der größten steht in Chile. Dort werden derzeit pro Tag gerade einmal sieben Tankfüllungen für Kleinwagen produziert. Diese 350 Liter kosten derzeit 17.500 Euro.
Doch die Entwicklung läuft. In der Zukunft könnten E-Fuels günstiger werden als normaler Treibstoff, so Experte Ueckerdt. Die Forscher haben in ihrer Analyse auch ein Szenario durchgespielt, in dem sie davon ausgingen, dass sich E-Fuels ähnlich entwickeln wie einst Photovoltaik - die ist in Sachen Energie-Technologien bisher der Wachstumschampion von 40 bis 70 Prozent pro Jahr. Doch selbst dann würde es nur für die Hälfte der unverzichtbaren Nachfrage reichen.
Klientel- und Lobbypolitik der FDP?
Diese Analyse trifft damit auf eine aktuelle Debatte: Die EU will beschließen, dass ab 2035 gar keine Verbrenner mehr zugelassen werden. Das will Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) verhindern und droht in Brüssel mit einem Veto Deutschlands. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat zuletzt die EU-Kommission aufgefordert, einen Vorschlag vorzulegen, wonach synthetische Kraftstoffe in Autos nach 2035 genutzt werden dürfen. Genau dies hat die FDP auch im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung verankert.
Als Grund für dieses Pochen auf die Vereinbarung sieht Doris Fuchs von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster zum einen, dass die FDP immer noch sehr nah an der Autoindustrie sei. "Zum anderen hat sie, glaube ich, verstanden, dass sie hier zwei Bevölkerungsgruppen erreicht", so die Professorin für Internationale Beziehungen und Nachhaltige Entwicklung. Das sei zum einen das normale FDP-Klientel wie etwa "der Porsche-Fahrer". Doch es gehe auch um die Menschen mit weniger Geld. "Die vielleicht auf dem Land wohnen und die sich fragen, wie dann in Zukunft Mobilität für sie denn überhaupt noch gehen wird."