Firmengelände der Firma Synhelion.
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Synthetische Treibstoffe Mit Sonne und Biomasse zu E-Fuels

Stand: 25.06.2024 08:48 Uhr

Mit Sonne und Biogas nachhaltige Kraftstoffe produzieren - das ist die Idee einer Schweizer Firma. Jetzt wurde die erste Produktionsanlage weltweit eröffnet. Bis zu industriellen Mengen ist es aber noch ein weiter Weg.

Von Luzius Zöller, WDR

Die Metallgestelle sehen ein bisschen aus wie überdimensionale Satellitenschüsseln: Mitten auf einem Feld bei Jülich, einer Kleinstadt in der Nähe von Aachen, stehen über hundert mehrere Meter hohe, sechseckige Spiegel, alle ausgerichtet zur Sonne. Sie sind halbkreisförmig um einen zirka 20 Meter hohen Turm angeordnet.

Was auf den ersten Blick aussieht wie ein etwas seltsam anmutender Solarpark, ist in Wirklichkeit die weltweit erste industrielle Anlage zur Produktion von Solartreibstoff, errichtet innerhalb von anderthalb Jahren vom Schweizer Unternehmen Synhelion.

Die Idee: Mithilfe von sehr hoher Hitze wird in einem thermochemischen Reaktor aus Kohlenstoff und Wasser zunächst ein sogenanntes Synthesegas erzeugt, das dann vor Ort in flüssiges synthetisches Rohöl umgewandelt wird. Dieses flüssige Rohöl ist in handelsüblichen Fässern einfach zu transportieren und kann in konventionellen Ölraffinerien zu Diesel oder Benzin für Autos oder zu Kerosin für Flugzeuge weiterverarbeitet werden - genau wie herkömmliches fossiles Rohöl.

In einem Container der Firma Synhelion stehen Fässer mit der Aufschrift "solar fuel"

Das flüssige Rohöl wird in Fässern gelagert und kann in Raffinerien zu Treibstoff weiterverarbeitet werden.

Temperaturen von bis zu 1.500 Grad

Anders als bei bereits bestehenden Anlagen für strombasierte Kraftstoffe (genannt "power to liquid"), bei denen Strom aus Solar- oder Windparks genutzt wird, um die sehr hohe Hitze im Inneren des Reaktors zu erzeugen, nutzt die Anlage von Synhelion die Sonne selbst. Dafür werden die Spiegel, die alle ferngesteuert bewegbar sind, so ausgerichtet, dass sich alle Sonnenstrahlen auf einen einzigen Punkt an der Spitze des Turmes konzentrieren.

Dort erhitzt sich ein Empfänger auf bis zu 1.500 Grad, der dann die Wärme an den Reaktor weiterleitet. Deswegen nennt Synhelion seine Methode auch "sun to liquid". Als Quelle für den Kohlenstoff, der im Reaktor benötigt wird, setzt Synhelion auf Biogas aus landwirtschaftlichen Abfällen und Produktionsabfällen einer Papierfabrik. Langfristig soll es aber auch möglich sein, Kohlenstoff direkt aus der Luft zu extrahieren.

Die Technik basiert auf Forschung der ETH Zürich, an der auch der Mitgründer und Co-Geschäftsführer von Synhelion, Philipp Furler, beteiligt war. Inzwischen sind mehrere Großkonzerne als Investoren bei Synhelion eingestiegen, darunter die Lufthansa Group, der italienische Ölkonzern Eni und der Anlagenbauer SMS.

Sonnenspiegel der Firma Synhelion.

Keine Sonnenschirme, sondern ferngesteuerte Spiegel: Sie schicken Solarenergie gebündelt zur Turmspitze des Reaktorgebäudes.

Synthetische Kraftstoffe wichtig für den Klimaschutz

Synthetische Kraftstoffe (auch E-Fuels oder nachhaltige Kraftstoffe genannt) sind ein wichtiger Bestandteil der Klimaschutzpläne der Europäischen Union. So müssen bei allen Flügen, die von einem Flughafen in der EU abgehen, ab 2025 mindestens zwei Prozent synthetische Kraftstoffe beigemischt werden. Bis 2050 soll der Anteil auf mehr als 70 Prozent steigen. Um diesen Bedarf decken zu können, muss die Produktion von synthetischem Treibstoff deutlich erhöht werden. Außerdem wird eine Sonderregelung für das Verbrenner-Verbot ab 2035 diskutiert, bei der Fahrzeuge, die ausschließlich mit synthetischen Kraftstoffen fahren, auch noch nach 2035 zugelassen werden dürfen.

"Die Welt der Zukunft wird elektrisch sein. Aber Strom lässt sich relativ schlecht speichern oder über lange Strecken transportieren. Dafür brauchen wir flüssige synthetische Kraftstoffe", erklärt Frank Atzler, Inhaber des Lehrstuhls Verbrennungsmotoren und Antriebssysteme an der TU Dresden.

Bei der Anlage in Jülich handelt es sich um eine Pilot- und Demonstrationsanlage. Sie kann jährlich nur wenige Tausend Liter synthetischen Rohöls produzieren - auch, weil in Deutschland einfach zu wenig Sonne scheint. Die nächsten Anlagen sind aber bereits in Planung: Ab 2025 soll in Spanien die erste kommerzielle Produktionsanlage entstehen. Diese soll dann erstmals 1.000 Tonnen Treibstoff pro Jahr produzieren können.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 17. März 2023 um 18:00 Uhr.