Deutschland kauft Gas aus Algerien Ein Rohstoff von gestern - oder von morgen?
Die deutsche Politik setzt eigentlich auf grüne Energie. Dennoch unterzeichnete jetzt erstmals ein deutscher Gashändler einen Vertrag in Algier - und manche fragen sich: warum?
Nichts als Sand und Dünen sind zu sehen - aber beim Flug über die algerische Sahara blitzen Flammen auf. Hassi R-Mel, etwa 500 Kilometer südlich von Algier, ist eins der größten Gasfelder der Erde. Und für Algerien, den größten Gasexporteur Afrikas, gehört dieses Gasfeld zu seinen wichtigsten Wirtschaftsfaktoren.
Hier starten die Pipelines nach Spanien und Italien. Von Beni Saf an der algerischen Küste bis Almeria an der spanischen Küste liegt die Pipeline unter dem Mittelmeer - gerade mal 200 Kilometer sind die Küsten dort voneinander entfernt. Und so deckt Spanien gut ein Drittel seines Gasbedarfs in dem nordafrikanischen Land.
Für Deutschland ist Algerien bisher kein Top-Handelspartner: 2023 rangierte das Land laut der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) mit einem Handelsvolumen von 3,6 Milliarden Euro auf Platz 62.
Algerien profitiert von Energiekrise in Deutschland
Tendenz aufwärts? Angesichts der Energiekrise könnte Algerien wichtiger werden. Das flächenmäßig größte Land Afrikas hat auch großes Potenzial für Sonnenenergie und grünen Wasserstoff. Diesen Markt hatte der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck auch bei seinem Besuch Anfang Februar in Algier im Blick. Dass dann dort erstmals ein deutscher Händler einen Gasliefervertrag unterzeichnet hat, der Leipziger Gashändlers VNG, mag durch die deutsche Brille verwundern. Gas ist für Deutschland eher eine Brückentechnologie.
Für Algerien ist der Vertrag aber ein "historischer Deal", frohlockt Choeib Boutamine, Energie-Consultant aus Algier. "Spanien und auch Italien profitieren schon jetzt stark vom algerischen Gas und stehen besser da als Deutschland. Deutschland sollte da mit einsteigen und die Zusammenarbeit mit uns hier bei Erdgas und Energie ausbauen."
Gas - ein Rohstoff von gestern?
Andreas Goldthau forscht an der Uni Erfurt zu Energiesicherheit und Klimawandel. Erdgas werde durchaus noch über einen längeren Zeitraum gebraucht, sagte er der tagesschau. Man müsse aber sehen, wo. "In der EU wird die Gasnachfrage bis 2040 um etwa 50 Prozent nach unten gehen. Und danach schrittweise bis auf null."
In den aufstrebenden Ländern Asiens zum Beispiel, aber auch in Afrika sei das andersherum: "Da wird die Gasnachfrage nach oben gehen, bis auch diese Länder auf grüne Energieformen umsteigen." Goldthaus' Erklärung: Die Länder, die erst spät mit der Industrialisierung begonnen haben, können dementsprechend später aus den fossilen Energien aussteigen.
Forum gasexportierender Länder will weiter investieren
Aus welchen Ländern Gas auf die Weltmärkte fließt, wurde jüngst beim Forum der gasexportierenden Länder (GECF) in Algier klar. Das Forum, 2001 im Iran gegründet, vereint zwölf Länder, die knapp 70 Prozent der weltweiten Erdgasreserven beherbergen. Abgesehen von Russland und Algerien sind das unter anderem Iran, Katar und Libyen. Nicht gerade die engsten politischen Freunde Europas also. Kein Mitglied im Forum: der weltgrößte Gasproduzent USA, ebenso wenig China.
In ihrer "Algierer Erklärung" postulieren die Länder die Notwendigkeit von Erdgas im Kampf gegen Energie-Armut und fordern weitere Investitionen in ihren Rohstoff. "Einseitige wirtschaftliche Beschränkungen” verurteilt das Forum ebenso wie die argumentative Nutzung des Klimawandels zur Behinderung von Investitionen. Es ist also ein selbstbewusstes Votum für den fossilen Energieträger Erdgas und gegen Sanktionen. Mit Russland und dem Iran sind zwei Länder im Forum, die auf der Sanktionsliste der EU gerade einen festen Platz haben.
Zum Forum der gasexportierenden Länder (GECF) gehören zwölf Staaten, die über knapp 70 Prozent der weltweiten Gasreservoirs verfügen.
Zwiespalt zwischen Wirtschaft und Politik
Kann Deutschland also bedenkenlos Gasgeschäfte mit Algerien machen? Einem Land, das in einem Ranking der Uni Würzburg von 2021 zur Demokratiequalität auf Platz 125 von 177 landet und von Amnesty international wegen der Menschenrechtslage kritisiert wird? Experte Goldthau erklärt, der Gaseinkauf in Algier bedeute weder, dass Algerien Macht über Deutschland ausüben könne, noch, dass die im Forum vereinten Länder mit einem Kartell den Gasmarkt bestimmen könnten.
"Dass man mit Staaten zu tun hat, deren Regierungsform weder demokratisch noch vielleicht politisch wünschenswert ist, das kann man leider nicht ändern." Aber die Risiken, die damit einhergingen, die könne man abfedern: etwa, dass ein Lieferant zu dominant werde wie bei der früheren Gas-Geschäftsbeziehung Russland-Deutschland.
Künftig eher Wüsten-Wasserstoff im Fokus
Unabhängig von solchen politischen Überlegungen: Langfristig will Deutschland in Algerien und auch in Marokko eher grünen Wasserstoff statt Gas einkaufen. Darauf zielt auch der jüngst geschlossene Liefervertrag des Leipziger Gashändlers VNG. "Neben Erdgas aus Algerien als wichtigem Rohstoff für die Energiewende ist es das langfristige Ziel, zukünftig grünen Wasserstoff aus Algerien nach Deutschland zu importieren”, so der Vorstandsvorsitzende Ulf Heitmüller.
Aber bis deutsche Investitionen in diese Technologie vor Ort produktionsreif werden, dürften noch viele Jahre vergehen. Noch steht in den Wüstenländern Nordafrikas keine einzige Fabrik für grünen Wasserstoff. Erdgas - so scheint es - ist nicht nur heute ein wichtiger Rohstoff, sondern auch noch morgen und übermorgen.