Gesetz zur Energieeffizienz Viel heiße Luft statt effektives Energiesparen?
Rechenzentren brauchen viel Energie. Das Energieeffizienzgesetz soll sie zum Sparen oder Wiederverwerten anhalten. Doch mit weitgefassten Kriterien und Ausnahmen dürfte das Gesetz kaum greifen.
Warum Energie verschwenden, wenn sie sich sparen oder für etwas anderes nutzen lassen kann? Vernünftig klingende Ziele der Politik können selbst mit Ansage von oben Jahre bis zur Umsetzung dauern, wie das Thema Energieeffizienz zeigt.
Schon vor rund zehn Jahren formulierte die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft das Ziel, die Länder der Europäischen Union sollten mehr Energie sparen. Doch wie das ARD-Politikmagazin Report Mainz damals berichtete, torpedierte der damalige Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler das Projekt im eigenen Land. Auch über die Lkw-Maut oder die Kfz-Steuer lasse sich mehr Energieeffizienz erreichen, hieß es damals aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Es folgte ein Gesetzfindungsprozess mit viel verpuffender Abwärme.
Zwei Prozent Einsparung pro Jahr
Dieses Jahr aber - und nachdem Deutschland beim Thema Energieeffizienz im europäischen Vergleich hinter Ländern wie Rumänien seinen Platz gefunden hat - verabschiedete der Bundestag Ende September das Energieeffizienzgesetz. Heute ist Thema im Bundesrat, mit welchen Maßnahmen gemäß den Vorgaben einer EU-Richtlinie Energie besser genutzt und somit gespart werden soll.
Die Absicht: Zwei Prozent jedes Jahr, in Zahlen rund 550 Terawattstunden, sollen bis ins Jahr 2030 von öffentlicher oder unternehmerische Hand gespart werden - ganz gleich, ob an klimaneutraler oder fossiler Energie. So sollen der Energieverbrauch im Vergleich zu heute um mehr als ein Fünftel und in der Folge die Energieimportabhängigkeit Deutschlands sinken, forscher formuliert: der Energieverbrauch gedeckelt werden.
Kritik aus der Wirtschaft
Der Weg dahin ist umstritten: Der Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo), Clemens Fuest, sieht in dem Gesetz einen "Wachstumskiller". Die Wirtschaft könne nicht wachsen, weil sich dann die Energieeffizienz gleichzeitig verdreifachen müsste. Für die Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) steigert das Gesetz den Wohlstand, weil damit die Kosten für die gesamte Volkswirtschaft, vor allem aber für die Wirtschaft gesenkt würden.
Das Gesetz verlangt von Bund, Ländern und energieintensivsten Unternehmen, Energie- oder Umweltmanagement-Systeme einzuführen. Aber auch Unternehmen, die im Schnitt mehr als 2,5 Gigawattstunden im Jahr verbrauchen, müssen innerhalb von drei Jahren beispielsweise Pläne zu wirtschaftlichen Energieeffizienz-Maßnahmen erstellen und veröffentlichen.
Öffentliche und unternehmerische Hand werden dabei nicht nur vom Gesetz gelenkt, sondern auch zur Zusammenarbeit angehalten: Potenzielle Wärmelieferanten und Fernwärmeunternehmen sollen in Kontakt kommen, sieht das Gesetz vor. Hierfür ist eine Plattform geplant: Wer bietet wo wie viel Abwärme, wer könnte sie nutzen?
Rechenzentren mit riesigem Strombedarf
Während sich die Politik über mehrere Bundesregierungen hinweg Zeit ließ, den Gürtel bei der Energie enger zu schnallen, hat sich manches Unternehmen längst auf den Weg gemacht zu mehr Energieeffizienz: Ionos mit Sitz im rheinland-pfälzischen Montabaur ist ein Beispiel von mehreren. Der Cloud- und Hosting-Anbieter betreibt 31 Rechenzentren. Die brauchen Energie, eines so viel wie mehrere tausend Haushalte. Mehr als drei Prozent des deutschen Stromverbrauchs entstehen in Rechenzentren, in Zeiten von zunehmender Digitalisierung und immer mehr Anwendungen Künstlicher Intelligenz dürfte der Bedarf weiter steigen.
Der Vorstandsvorsitzende von Ionos, Achim Weiß, nennt den Stromverbrauch den höchsten Kostenfaktor beim Betrieb eines Rechenzentrums. "Deshalb haben wir immer darauf geachtet, mit eigenen Klimatisierungstechniken und weiteren Energiesparmaßnahmen wie hocheffizienten Netzteilen möglichst wenig Strom zu verbrauchen. Denn jedes Watt Strom, das wir weniger verbrauchen, ist gut für die Umwelt und spart uns und damit den Kunden Geld", erklärt Weiß.
Und: Energieeffizienz werde heute auch von Kunden, Analysten und Investoren erwartet. Daher hat das Unternehmen schon früh im Rahmen seiner "Klimastrategie 2030" angekündigt, bei neuen Rechenzentren auch die Abwärme der Server und Klimageräte zu nutzen und in lokale Nah- oder Fernwärmenetze einzuspeisen.
Gesetz betrifft nur große Rechenzentren
Das setzt jedoch voraus, dass es einen Abnehmer gibt. Weiß befürwortet zwar, dass Betreiber von Rechenzentren ihre Abwärme weitergeben sollen. Aber: "Hierbei sind wir auf die Partnerschaft der Kommunen als Abnehmer der Fernwärme und die Bereitstellung der nötigen Leitungen und Infrastruktur angewiesen." Laut Gesetz verfällt der Zwang, wenn sich nach einem halben Jahr kein Abnehmer findet.
Eine Passage im Gesetzentwurf, die Rechenzentren deshalb nur in fünf Kilometer Nähe zu einem Wärmenetz zuließ, fiel wohl auch deshalb aus dem finalen Gesetzestext. "Andere Faktoren wie die der Infrastruktur, was passende Stromversorgung oder Glasfaseranschluss angeht, oder Sicherheit vor Hochwasser machen es ohnehin schon nicht einfach, einen geeigneten Standort für Rechenzentren zu finden", erklärt Nick Kriegeskotte vom Branchenverband Bitkom. Andererseits: "Das Gesetz betrifft nur große Rechenzentren. In unternehmenseigenen Rechenzentren in Mittelstandsunternehmen wird es meist nicht die entscheidende Rolle spielen."
Kritiker sehen Lobby-Erfolg der Branche
Nach Einschätzung von Umweltverbänden ist das Energieeffizienzgesetz ein Erfolg für die Branchen-Lobby. Leonard Burtscher vom Verein "Umweltinstitut München" etwa spricht von einem "weichgespülten Energieeffizienzgesetz": "Lediglich die allergrößten Rechenzentren werden im Gesetz reguliert. Damit sind weniger als ein Prozent aller deutschen Rechenzentren zu Einsparmaßnahmen verpflichtet."
Stattdessen hätte die Politik mit Energieeffizienz "einen schlafenden Riesen" wecken können, so Burtscher - weil sich derzeit viel Energie und damit Geld regelrecht in Luft auflöse: "Es wird über jedes neue Windrad gestritten. Gleichzeitig könnte auf den Bau von Tausenden verzichtet werden, wenn Deutschland Energie effizienter nutzen würde."
"Viel Aufwand mit wenig Erfolg" resümiert auch Claudia Kemfert und vermisst schärfere Vorgaben für mehr Rechenzentren. "Denn Abwärmenutzung ist in der Energiewende sehr zentral." Aber energieintensive Unternehmen hätten "hohe Ausnahmen erwirkt durch laute Lobby-Ansagen. Und das geht auch weiter so."