Elf EU-Staaten beschließen verstärkte Zusammenarbeit Die Finanzsteuer kann kommen - hier und da
Nach wochenlangem Ringen sind genug EU-Staaten für eine Einführung der umstrittenen Finanztransaktionssteuer: Elf Staaten erklärten sich dazu bereit. Das reicht, um sie im kleinen Kreis zu starten - doch von einer EU-weiten Einführung ist das meilenweit entfernt.
Von Wolfgang Landmesser, WDR-Hörfunkstudio Brüssel, zzt. Luxemburg
Am Morgen fehlten noch die Stimmen, um in Richtung Finanztransaktionssteuer weiter zu gehen. Doch jetzt seien ausreichend Mitgliedsstaaten bereit mitzumachen, gab EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta in der Sitzung der europäischen Finanzminister bekannt. Elf Länder seien jetzt zusammen, das sei mehr als ausreichend, um die sogenannte verstärkte Zusammenarbeit zu starten. Neben Deutschland, Frankreich, Belgien oder Portugal sind jetzt auch Italien und Spanien mit von der Partie.
Algirdas Semeta gab den Startschuss für die mögliche Einführung einer Finanztransaktionssteuer bekannt.
Verstärkte Zusammenarbeit bedeutet: Die EU-Staaten müssen keine einstimmige Entscheidung fällen; es reicht, wenn mindestens neun Länder dafür sind - in diesem Fall für die Einführung der Finanztransaktionssteuer. Die Idee ist, dass sich mit der Zeit immer mehr Staaten anschließen, wenn die Finanztransaktionssteuer erst beschlossen ist.
Weiterhin Widerstand aus Großbritannien und Schweden
Aber diesem Weg müssen auch die Mitgliedsstaaten zustimmen, die gar nichts von der Steuer auf Börsengeschäfte halten. Der britische Finanzminister George Osborne hat da noch einige Fragen: "Wir stehen dem nicht grundsätzlich im Weg, aber wir wollen einen konkreten Vorschlag sehen. Es ist ja schön, über die Finanztransaktionssteuer zu reden. Aber können wir mal hören, auf wen sie angewendet wird, welche wirtschaftlichen Folgen sie hat und was Sie mit den Steuereinnahmen tun wollen?"
Großbritannien und Schweden sind strikt gegen die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in ihren Ländern, weil sie fürchten, dass durch die Steuer Finanzgeschäfte aus Europa abwandern würden. Der schwedische Finanzminister Anders Borg wischt die Steuer so vom Tisch: "Es ist eine sehr gefährliche Steuer, sie wird negative Auswirkungen auf das Wachstum haben."
Die österreichische Finanzministerin Maria Fekter hält die Steuer dagegen für eine gute Idee. Gemeinsam mit Deutschland und Frankreich gehört Österreich zu den stärksten Befürwortern. "Die Wirkung wäre stabilisierend, das würde Geld in die Kassen bringen." Und das wäre, so Fekter, gut für die gemeinsamen Sicherheitsnetze wie die Einlagensicherung oder für die Liquidation von Banken - oder um die Schuldenberge abzubauen.
Eine Finanztransaktionssteuer soll bei jedem Kauf oder Verkauf von Aktien, Devisen, festverzinslichen Wertpapieren und anderen wichtigen Finanzprodukten gezahlt werden. Die Abgabe könnte dazu beitragen, Spekulationsgeschäfte einzudämmen.
Vor allem Globalisierungskritiker fordern seit Jahren eine solche Spekulationssteuer - die Rede ist von 0,1 bis 0,25 Prozent. Selbst ein geringerer Steuersatz von lediglich 0,01 bis 0,05 Prozent für den Handel mit Finanzprodukten würde nach früheren Berechnungen allein in Deutschland zu Steuereinnahmen zwischen zehn und 20 Milliarden Euro führen.
Die Idee einer Finanztransaktionssteuer geht auf den US-Ökonomen James Tobin zurück. Er brachte 1972 eine Steuer auf alle grenzüberschreitenden Devisenspekulationen ins Spiel und hatte eine Abgabe von einem Prozent vorgeschlagen.
Auch der Euroraum ist sich nicht einig
Aber auch Länder im Euroraum sind skeptisch. Der niederländische Finanzminister Jan Kees de Jager stellt klar: "Die aktuelle niederländische Regierung ist dagegen. Die Steuer hätte eine schädliche Wirkung. Das wurde auch von verschiedenen Forschungsinstituten in den Niederlanden bestätigt."
Als die EU-Kommission Ende vergangenen Jahres mehrere Modelle für eine Finanztransaktionssteuer präsentierte, war schnell klar, dass niemals alle 27 Mitgliedsstaaten mitmachen würden. Trotzdem drängten Deutschland und Frankreich auf die Einführung der Finanztransaktionssteuer in möglichst vielen Ländern. Über die verstärkte Zusammenarbeit könnte das jetzt klappen. Die Länder, die bereit dafür sind, müssen einen Brief an die EU-Kommission schicken. Brüssel werde dann schnell reagieren, versprach Steuerkommissar Semeta: "Wir werden sehr schnell die erforderlichen Schritte in die Wege leiten - und unseren Vorschlag für die weitere Diskussion präsentieren.
Über die Finanztransaktionssteuer wollen die Befürworter die Finanzmärkte an den Kosten der Krise beteiligen. Außerdem soll die Steuer dazu führen, dass der Anreiz für besonders gefährliche Börsengeschäfte sinkt.