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"Cum-Ex"-Deals auf Kosten des Fiskus Hypo-Vereinsbank gibt dubiose Aktiengeschäfte zu

Stand: 03.12.2015 18:21 Uhr

Jahrelang haben Banken durch sogenannte "Cum-Ex"-Geschäfte den Fiskus getäuscht. Laut NDR, WDR und "SZ" hat nun als erste deutsche Bank die Hypo-Vereinsbank die Geschäftspraxis zugegeben. Nun muss das Geldhaus ein Millionen-Bußgeld zahlen.

Von Martin Suckow (WDR) und Klaus Ott (SZ)

Es war ein Milliardengeschäft auf Kosten des Fiskus: Jahrelang haben sich Banken und Kapitalanlagefonds offenbar unrechtmäßig bereichert. Dabei soll ein Schaden von deutlich mehr als zehn Milliarden Euro entstanden sein. Trotz zahlreicher Hinweise auf diese Geschäfte stoppte das Bundesfinanzministerium den Vorgang lange Zeit nicht. Die Rede ist von sogenannten "Cum-Ex"-Geschäften, von Aktiendeals mit traumhaften Renditen, die allein darauf beruhten, dass sich die Akteure eine einmal entrichtete Kapitalertragssteuer mehrfach erstatten ließen. Als erste deutsche Bank akzeptiert nun die Hypo-Vereinsbank (HVB) aus München einen Bußgeldbescheid und gibt damit ihre Verwicklung in die dubiosen Aktiengeschäften zu.

Wie gemeinsame Recherchen von WDR, NDR und "Süddeutscher Zeitung" zeigen, geht es bei der Hypo-Vereinsbank um Geschäfte in den Jahren 2005 bis 2008, abgewickelt über die Londoner Tochter der HVB. Laut einem Vermerk der Wuppertaler Steuerfahndung hatte die HVB in den Jahren 2009 bis 2011 versucht, sich dafür vom Bundeszentralamt für Steuern in Höhe von mehr als 85 Millionen Euro erstatten zu lassen - ungerechtfertigt, wie sich herausstellte, denn die Steuererstattung war doppelt geltend gemacht worden. Dass diese doppelte Erstattung problematisch war, wurde laut Informationen der Ermittler damals sogar bankintern mit einer Vielzahl von Mitarbeitern besprochen. Dennoch ging der Antrag auf Steuererstattung raus.

Komplizierte Deals

Doch das Bundeszentralamt für Steuern machte nicht mit. Die von der HVB erhoffte Erstattung blieb aus, stattdessen kam es zu Ermittlungen. Steuerfahnder witterten hinter den gewaltigen Summen der Geschäfte durch die Londoner HVB-Tochter "Cum-Ex"-Geschäfte. Nun muss die Bank eine Geldbuße von 9,8 Millionen Euro zahlen, per Bescheid vor Kurzem erlassen durch das Amtsgericht Köln.

Denn nach Ansicht der Behörden sind solche "Cum-Ex-Deals" illegal und strafbar. Gleichwohl sind die 9,8 Millionen Euro eine vergleichsweise geringe Buße, da das Geldinstitut umfassend mit den Ermittlern kooperiert hat. Die Zahlung der Summe hat die HVB bereits zugesagt. Die Affäre hat sie insgesamt mehr als 250 Millionen Euro gekostet, denn es gab weitere "Cum-Ex"-Geschäfte, in die die HVB involviert war. Zu immensen Steuerrückzahlungen kamen für die Hypo-Vereinsbank hohe Kosten für interne Untersuchungen.

Bei den sogenannten "Cum-Ex"-Deals geht es um Aktiengeschäfte rund um den Ausschüttungstermin der Dividende. Weil Aktien sehr schnell gehandelt werden, ist bei diesen Geschäften unklar, wem die Aktien an diesem Tag eigentlich gehören. So können gleich zwei Handelspartner von ihren Banken eine Steuerbescheinigung bekommen. In vielen Fällen sollen beide Handelspartner diese Bescheinigungen beim Finanzamt eingereicht und dort kassiert haben, obwohl zuvor nur einmal Steuern bezahlt worden waren.

Es laufen noch Strafverfahren

Ausgestanden ist der Fall "Cum Ex" mit dem Bußgeldbescheid nur für die Hypo-Vereinsbank als Unternehmen: Gegen frühere Mitarbeiter der HVB laufen noch Strafverfahren in Frankfurt und München wegen Steuerhinterziehung. Auch andere Banken wie die Sarasin-Bank in der Schweiz, die Landesbank Baden-Württemberg, die WestLB und die HSH Nordbank sollen an "Cum-Ex"-Deals mitgewirkt haben.

Zahlreiche Steuerfahnder und Staatsanwälte ermitteln und erhoffen sich nun, dass das Einlenken der HVB den Druck auf andere Geldinstitute erhöht, ihre Verstrickung in diese Geschäfte ebenfalls zuzugeben. Der finanzpolitische Sprecher der Bundestagfraktion von B‘90/Grüne, Gerhard Schick, fordert bei den "Cum Ex"-Deals schon lange Aufklärung: "Ich glaube, dass das Eingeständnis der HVB ein wichtiger Schritt ist in der Aufarbeitung dieses Skandals, aber auch nur ein erster wichtiger Schritt", erklärt er gegenüber tagesschau.de. Schick sieht viel weitere Aufarbeitungsarbeit auch bei den Behörden.

Schaden: Mehr als zehn Milliarden Euro

Der Schaden für den deutschen Fiskus wird von Ermittlern auf deutlich mehr als zehn Milliarden Euro geschätzt. Obwohl diese dubiosen Aktiengeschäfte lange bekannt sind, hat die Bundesregierung sie erst 2012 eingedämmt. Deswegen wird der Bundestag auf Antrag von Grünen und Linkspartei einen Untersuchungsausschuss einrichten, der Anfang 2016 erstmals tagen wird. Der Antrag auf dessen Einsetzung wird am Freitag erstmals debattiert, doch schon jetzt ist klar, dass der Ausschuss kommen wird. Weil Grüne und Linkspartei nicht das für die Einsetzung erforderliche Viertel aller Abgeordneten aufbieten können, hat ihnen die große Koalition für diese Legislaturperiode diesbezüglich eine Sonderregel eingeräumt.

Der Untersuchungsausschuss soll klären, warum die "Cum-Ex"-Geschäfte über mehrere Jahre nicht unterbunden wurden. Es soll auch um die Frage gehen, ob es Einflussnahmen mit dem Ziel gab, solche Aktiengeschäfte nicht oder nicht gänzlich abzuschaffen. Grünen-Politiker Schick ist einer der Initiatoren. Ihm geht es darum sicherzustellen, dass in der Zukunft vergleichbare Geschäfte nicht mehr vorkommen können: "Dass in dieser Größenordnung so lange der Staat praktisch zuschaut, wie das Geld aus dem Finanzamt rausgetragen wird, das muss verhinderbar sein." Schick sieht bei den "Cum-Ex"-Geschäften eine Verantwortung bei den Finanzministern in Bund und Ländern. Das Bundesfinanzministerium erklärte auf Anfrage, dass es selbstverständlich an der Aufklärung im Untersuchungsausschuss konstruktiv mitwirken werde.