Merkel trifft Premier Wen EU soll China als Marktwirtschaft anerkennen
Kanzlerin Merkel hat Chinas Premier Wen ihre Unterstützung bei einem wichtigen Anliegen des Landes zugesagt: Die Volksrepublik will bis 2016 von der EU als Marktwirtschaft anerkannt werden. Derzeit ist für die Europäer der Wechselkurs des Yuan aber das vorrangige Thema.
Von Astrid Freyeisen, ARD-Hörfunkstudio Schanghai
Das Verhältnis zwischen China und der EU ist ein Wechselbad zwischen Freundschaftsbekundungen und Klagen. Die Europäer sind sich mit den Amerikanern einig, dass China den Kurs seiner staatlich gelenkten Währung viel stärker anheben muss. Die Chinesen sehen das ganz anders. Sie betonen, ihr Yuan habe seit Juni gegenüber dem Dollar bereits um zwei Prozent zugelegt.
"Dahinter steckt Protektionismus"
Was Premier Wen Jiabao vor einem Jahr beim EU-China-Gipfel in Nanjing sagte, gilt nach wie vor. "Im Verlauf der Finanzkrise hat sich gezeigt, dass ein stabiler Yuan der Entwicklung Chinas von Nutzen war. Er hat auch zur Erholung der Welt beigetragen", erklärte er damals. Die Forderung einiger Länder, der Yuan solle steigen, seien ein Vorwand. "Dahinter steckt Protektionismus."
China hält die größten Devisenreserven der Welt: etwa 2,5 Billionen Dollar. Davon ist etwa ein Viertel in Euro angelegt. Dass die Volksrepublik ihre Euro-Bestände abstoßen könnte, ist aber mehr als unwahrscheinlich. Nicht nur, weil Premier Wen in Brüssel bekräftigte, den Euro stützen zu wollen, dessen Einbruch den Chinesen herbe Verluste bringt. Sondern vor allem, weil sie es sich gar nicht leisten können, ihren wichtigsten Handelspartner zu schwächen.
Ein Beispiel dafür ist die Firma Suntech aus Wuxi bei Schanghai, einer der größten Photovoltaikproduzenten der Welt. "Der europäische Markt macht 75 Prozent unseres Exports aus. Und Deutschland ist die Nummer eins", sagt Managerin Wu Hongyan. "Außerdem importieren wir Rohmaterial und Maschinen aus Deutschland. Nur dieses Land mit seiner hoch entwickelten Umweltindustrie bietet uns all das." Die Projekte für die Ausfuhren des Unternehmens lägen vor allem in Deutschland, Spanien, Italien und Tschechien.
Chinas neue Macht im Mittelmeerraum
Große Konzerne wie Suntech können zwar Verluste durch den schwachen Euro schultern. Bei Kleinstbetrieben sieht das aber ganz anders aus. Das ist der Hauptgrund, warum die Chinesen in Wechselkursfragen so beinhart agieren. Auch sonst verfolgen sie ihre Linie: Den Griechen mit Milliardenbeträgen helfen zu wollen, erhöht sie im Mittelmeerraum zu einer neuen Macht. Ein Paukenschlag vor dem Beginn des EU-China-Gipfels.
Beim Kurzbesuch in Deutschland versprach Bundeskanzlerin Angela Merkel Premier Wen Unterstützung, damit China in den kommenden fünf Jahren von der EU als Marktwirtschaft anerkannt wird. Die Chinesen fordern dies, weil sie der Status der Marktwirtschaft vor Anti-Dumping-Verfahren schützen würde.
Im Gegenzug will Wen eins der Hauptprobleme der Europäer lösen. "Es ist einfach so, dass wir bei bestimmten öffentlichen Aufträgen Sorge haben, dass wir teilweise als ausländische Firma wahrgenommen werden", sagt Siemens-Chef Peter Löscher, Sprecher des Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft. "Wir haben klar zum Ausdruck gebracht, dass Produkte, die hier entwickelt, die hier produziert werden, dass die auch gleichgestellt werden mit chinesischen Mitbewerbern in öffentlichen Ausschreibungen."
"Deutschland ist der größte Gewinner"
Die Volksrepublik ist ein harter Verhandlungspartner, aber das Tauziehen lohnt sich, glaubt Ben Simpfendorfer, China-Experte der Royal Bank of Scotland. "Die chinesische Wirtschaft wächst so schnell, dass die Deutschen dort immer nur mehr verdienen können, trotz härterer chinesischer Konkurrenz", sagt er. Deutschland sei der größte Gewinner aller Industrienationen, weil die Chinesen deutsche Maschinen und Autoteile kauften, von den Amerikanern aber nur Rohstoffe, die sie auch woanders bekommen könnten.
Eine große Schwäche habe die europäische China-Politik, findet Horst Loechel von der China European Business School in Schanghai. "Es ist sehr sehr wichtig, dass Europa eben auch mit einer Stimme spricht."