Merkel macht Druck auf Tsipras "Jetzt zählt jeder Tag"
Es war der x-te Griechenland-Gipfel - doch Fortschritte brachte das Treffen zwischen Merkel, Hollande und Tsipras gestern Abend wieder nicht. Nun erhöht die Kanzlerin den Druck und mahnt: "Es zählt jetzt jeder Tag." Andere werden noch deutlicher.
Im Schuldenstreit mit Griechenland hat Kanzlerin Angela Merkel die Regierung in Athen aufgefordert, "mit Hochdruck" an einer Einigung mit den internationalen Geldgebern zu arbeiten. "Ich hoffe, dass das jetzt auch die notwendigen Fortschritte bringt", sagte Merkel in Brüssel. Dort war sie gestern Abend mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras und dem französischen Präsidenten François Hollande zusammengetroffen. Greifbare Ergebnisse brachte das rund zweistündige Gespräch keine.
Beim Treffen habe Einigkeit geherrscht, "dass Griechenland jetzt mit Nachdruck und Hochdruck weiter mit den drei Institutionen arbeiten wird, um alle offenen Fragen möglichst zu klären", sagte Merkel und bekräftigte: "Es zählt jetzt jeder Tag."
Heute traf sich Tsipras erneut mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Das Gespräch sei freundlich, wichtig und interessant gewesen, sagte Juncker. Laut EU-Kommission erläuterte er Tsipras einen möglichen Prozess mit den Geldgebern, der eine rechtzeitige und für beide Seiten akzeptable Lösung ermögliche. Beide Politiker wollten in den kommenden Tagen im engen Kontakt bleiben. Tsipras ergänzte, er arbeite mit den Gläubigern an einer Lösung im Schuldenstreit, die nachhaltig für die griechische Bevölkerung sei.
Das zuletzt angespannte Verhältnis zwischen Juncker und Tsipras verbesserte sich offenbar. "Unsere Beziehungen sind gut", sagte Juncker.
"Die Kuh muss vom Eis, aber sie rutscht dauernd aus. Wir versuchen sie heute wieder anzuschieben."
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker
"Keine Zeit für Glücksspiele"
EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte, bereits das Treffen der Finanzminister der Eurozone kommende Woche könne über das Schicksal Griechenlands entscheiden. "Es ist keine Zeit für Glücksspiele", sagte Tusk. "Die griechische Regierung muss, denke ich, etwas realistischer sein." Ohne Durchbruch könne es sonst in den kommenden Tagen heißen: "Das Spiel ist vorbei."
Noch deutlicher äußerte sich Bundesbankchef Jens Weidmann. "Die Zeit läuft ab und das Risiko einer Insolvenz nimmt täglich zu", sagte der Notenbanker laut Redetext bei einer Veranstaltung in London. Zwar seien die Ansteckungseffekte bei einem solchen Szenario inzwischen besser eingedämmt als in der Vergangenheit. "Sie sollten aber nicht unterschätzt werden."
Gericht kassiert Rentenkürzung
Vor dem gestrigen Brüsseler Treffen hatte es mehrere schlechte Nachrichten für die Regierung Tsipras gegeben. Das Oberste Gericht verpflichtete den Staat zur Rücknahme von Rentenkürzungen aus dem Jahr 2012. Das damalige Gesetz sei verfassungswidrig, urteilte der Staatsrat. Die Renten müssen zwar nicht rückwirkend angehoben werden. Gleichwohl wird der öffentliche Haushalt durch die Rücknahme der Kürzungen künftig Schätzungen zufolge um 1,2 bis 1,5 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich belastet.
Die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) senkte unterdessen die Kreditbewertung Griechenlands weiter herab. Die Bonitätsnote sank von "CCC+" auf "CCC". Damit rutscht das Land weiter in den sogenannten Ramschbereich ab, der Staatsanleihen für Anleger als hochriskant kennzeichnen soll.
Griechenland droht Ende Juni die Staatspleite. Die Auszahlung einer weiteren Hilfstranche von 7,2 Milliarden Euro hängt von weiteren Reformen des Landes ab. Die Verhandlungen darüber mit der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) waren ins Stocken geraten.