Ansprüche von Diesel-Fahrern BGH verhandelt über Haftung bei Thermofenstern
Ein entscheidendes Urteil des Bundesgerichtshofs zur zweiten Klagewelle im Dieselskandal steht an. Haben noch viel mehr Diesel-Fahrer wegen der sogenannten Thermofenster Anspruch auf Schadensersatz?
Michael Schrenk aus Würzburg ist einer von vielen Diesel-Fahrern, die gespannt auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs warten. Er hat die Mercedes-Benz Group verklagt, weil auch in seinem Auto ein Thermofenster verbaut ist - und deshalb nicht so umweltfreundlich ist, wie er es gerne hätte. Die meiste Zeit im Jahr, sagt er - bei Temperaturen unter acht und über 15 Grad - würden die Abgase nicht gereinigt: "Jetzt habe ich ein Auto, das hinten Abgase rausbringt, die riechen nicht, die sieht man nicht, aber sie sind da."
Bei den Thermofenstern geht es um eine spezielle Software, die die Abgasreinigung steuert. Diese wird bei bestimmten Temperaturen heruntergefahren oder ganz ausgeschaltet. Die Hersteller argumentieren unter anderem, dass dies notwendig sei, um die Motoren zu schützen. Das Kraftfahrtbundesamt hatte die Technik genehmigt. Trotzdem sind viele Autokäufer vor Gericht gezogen, weil sie mit den Thermofenstern nicht einverstanden sind und den Einsatz für rechtswidrig halten.
EuGH hält Thermofenster für grundsätzlich nicht erlaubt
Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg, der sich schon mehrfach mit den Thermofenstern beschäftigt hat, hält den Einsatz grundsätzlich für nicht erlaubt - nur ausnahmsweise, wenn beim Fahren unmittelbare Schäden am Motor drohen - und somit eine konkrete Gefahr. Dennoch konnten sich die deutschen Diesel-Fahrer bis vor kurzem nur wenig Hoffnung auf Schadenersatz machen. Das lag an der bisherigen Rechtsprechung des obersten deutschen Gerichts, des Bundesgerichtshofs.
Dieser entschied schon vor Jahren: Anders als beim VW-Abgasskandal sei bei den Thermofenstern nicht davon auszugehen, dass die Verantwortlichen in den Autokonzernen vorsätzlich gegen Rechtsvorschriften verstoßen haben. Außerdem würden die europäischen Regelungen, um die es gehe, nur die Allgemeinheit vor dreckiger Luft schützen und nicht den einzelnen Autofahrer. Deshalb habe der einzelne Autofahrer keinen Anspruch auf Schadenersatz.
Schutz für jeden einzelnen Kunden
Im März kam dann ein aufsehenerregendes Urteil des EuGH: Die europäischen Normen, die solche Abschalteinrichtungen verbieten, seien sehr wohl auch dazu da, den einzelnen Kunden zu schützen. Jeder betroffene Kunde müsse die Möglichkeit haben, gegen die Hersteller vorzugehen.
Nun wird der Bundesgerichtshof darüber verhandeln, welche Folgen sich aus diesem Urteil des EuGH ergeben. Dem BGH liegen drei Klagen von Diesel-Fahrern vor, die sich gegen Audi, Mercedes und Volkswagen richten. Das Verfahren hatte der sogenannte "Diesel-Senat" auf Eis gelegt, um die Entscheidung aus Luxemburg abzuwarten.
Noch Tausende Klagen anhängig
Ob er heute auch ein Urteil fällt, ist noch unklar. Ebenso, was er im Detail am Ende entscheidet - auch das ist noch offen. Er wird aber - so hat er es jedenfalls angekündigt - Vorgaben machen für die unteren Gerichtsinstanzen in Deutschland. Dort sind noch Tausende Klagen anhängig.
Zu rechnen ist damit, dass die Autohersteller weiterhin vortragen werden, dass sie gar keine unzulässigen Abschalteinrichtungen verbaut haben. Genau das werden dann voraussichtlich die unteren Instanzen für jedes einzelne Diesel-Modell prüfen müssen. Damit dürfte sicher sein: Die Thermofenster-Problematik und der Dieselskandal werden auch nach der BGH-Entscheidung die deutsche Justiz noch länger beschäftigen.