Motorabdeckung eines VW-Golf-Motors EA 189
Exklusiv

Dieselskandal VW will Thermofenster-Urteil anfechten

Stand: 14.04.2023 14:00 Uhr

VW wird nach Informationen von BR und "Spiegel" gegen das jüngste Thermofenster-Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig Berufung einlegen. In dem konkreten Fall ging es um eine Golf-Variante mit Diesel-Motor.

Von Von Arne Meyer-Fünffinger und Josef Streule 

Der Dieselskandal verfolgt den VW-Konzern weiter. Diesmal sorgt der Automobilhersteller allerdings selbst dafür. Er will gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig juristisch vorgehen.

Das Gericht hatte am 20. Februar 2023 entschieden, dass das Kraftfahrtbundesamt 2016 für ein Softwareupdate eines VW Golf Plus TDI mit dem Motoren-Typ EA189 zu Unrecht eine Freigabe erteilt hatte. "Die Freigabe habe nicht erfolgen dürfen, da es sich bei der Verwendung eines sogenannten Thermofensters bei der Abgasrückführung um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele", teilte das Gericht damals mit. Inzwischen liegt auch die 93-seitige schriftliche Urteilsbegründung vor. 

Thermofenster sorgt seit Jahren für Streit

Die in der Automobilindustrie weit verbreitete Verwendung von Thermofenstern ist seit Jahren umstritten. Dabei sorgt die Softwareprogrammierung der Motorsteuerung dafür, dass Diesel-Fahrzeuge nur in einem bestimmten Temperaturbereich wirklich sauber unterwegs sind - zum Beispiel auf dem Prüfstand bei Abgasmessungen.

Die Fahrzeuge erreichen dort die notwendigen Abgaswerte, stoßen im normalen Betrieb aber meist zu viele gefährliche Stickoxide aus. Nachdem der Europäische Gerichtshof die Verwendung dieser Strategien für unzulässig erklärt hatte, ist das Verwaltungsgericht Schleswig dieser Linie gefolgt.

Im konkreten Fall hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) mit Sitz in Flensburg beim Verwaltungsgericht Schleswig wegen der Freigabe eines Softwareupdates für das Modell VW Golf Plus TDI 2.0 verklagt. VW hat solche Fahrzeuge von 2008 bis 2014 verkauft. Als die US-Umweltbehörde EPA im September 2015 den VW-Diesel-Skandal publik machte, war auch dieses Modell betroffen.

Daraufhin verlangte das KBA von Volkswagen ein Softwareupdate. Die Abgasstrategien für das sogenannte Thermofenster wurden dabei aber nicht entfernt. Das verlangt jetzt das Gericht. 

Volkswagen argumentiert weiter mit Motorschutz

Volkswagen gilt in dem Schleswiger Verfahren als beigeladen und kann deswegen gegen das Urteil vorgehen. Auf Anfrage von BR und "Spiegel" heißt es von VW:

Die Entscheidung übersieht, dass die temperaturabhängige Abgasrückführung in den hier betroffenen Fahrzeugen vor unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigungen oder Unfall schützt. Diese wiegen so schwer, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb des Fahrzeugs darstellen können. Aus Sicht des Herstellers wäre es unverantwortlich gewesen, Fahrzeuge mit solchen Risiken auf den Markt zu bringen.

Nach Angaben des Konzerns sind rund 88.000 Fahrzeuge von dem Urteil betroffen. Wie viele noch auf den Straßen unterwegs sind, ist nach VW-Angaben nicht bekannt. "Bis zur rechtskräftigen Klärung drohen weder behördliche Stilllegungen von Fahrzeugen noch Hardwarenachrüstungen wegen der Thermofenster", so Volkswagen weiter. 

KBA will Gerichtsentscheidung weiter prüfen

Wie sich das beklagte KBA in der Sache verhalten wird, ist noch nicht klar. Die Behörde will nach Angaben eines Sprechers die Gerichtsentscheidung weiter prüfen. Dafür hat sie noch etwa zwei Wochen Zeit. Der schriftlichen Urteilsbegründung zufolge sind mehrere Optionen für VW denkbar - ein Softwareupdate, das alle unzulässigen Abschalteinrichtungen entfernt, außerdem auch eine "Hardware-Lösung", so das Verwaltungsgericht.

Arne Meyer-Fünffinger, Arne Meyer-Fünffinger, ARD Berlin, 14.04.2023 14:04 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 14. April 2023 um 14:00 Uhr.