Lateinamerika auf der Berlinale Filme jenseits von Hollywood
Auf der Berlinale gibt es in diesem Jahr viele Filme aus Lateinamerika zu sehen. Spannende Produktionen aus Mexiko und Costa Rica kommen oft von Frauen. Die Dominikanische Republik ist zum ersten Mal dabei.
Auch wenn Filmemacher die Kulisse der Dominikanischen Republik schätzen gelernt haben, wegen der Berge, der Strände, der Natur: Als originäres Filmland ist sie eher unbekannt. Mit dem Essay-Film "Pepe" von Nelson Carlo de los Santos Arias ist das karibische Land nun zum ersten Mal im Wettbewerb der Berlinale vertreten. Ein durchaus skurriler Film über ein totes Nilpferd, dessen Geist durch den Film führt.
Zusammen mit dem Regisseur haben Tanya Valette und Pablo Lozano den Film produziert. Für den Film wurde mit wilden Nilpferden in Namibia, Kolumbien und der Dominikanischen Republik gedreht. Eine sehr aufwendige Produktion, deren Budget mit nur einer Million Dollar allerdings sehr limitiert war.
Recherchestipendien statt Produktionsförderung
Statt mit Produktionsförderung haben die Filmemacher erstmal mit wissenschaftlichen Recherchestipendien begonnen: "Die traditionellen Filmförderer haben uns die Tür vor der Nase zugeschlagen, weil ihnen die Idee zu verrückt schien", so Lozano. Am Ende ist eine internationale Koproduktion zwischen Namibia, Deutschland, Frankreich und der Dominikanischen Republik entstanden. Von deutscher Seite ist die Produktionsfirma Pandora Film beteiligt.
In Ländern mit kleiner Filmindustrie sind internationale Koproduktionen oft die einzige Möglichkeit, um ambitionierte Projekte verwirklichen zu können. Auch die Chancen auf internationale Sichtbarkeit steigen damit.
Costa Rica - kleiner Filmmarkt mit weiblichem Blick
Mittelamerika verfügt nur über einen kleinen Filmmarkt, in Costa Rica sei er aber in den vergangenen 20 Jahren beständig gewachsen und damit auch die Qualität der Filme, sagt Raciel del Toro, Direktor des Nationalen Filminstituts und des Internationalen Filmfestivals in Costa Rica. Viele Filmemacher hätten die renommierte Escuela Internacional de Cine, die Internationale Filmhochschule in Kuba besucht oder das Centro de Capacitación Cinematográfica (CCC) in Mexiko, um dann in die Heimat zurückzukehren.
In Costa Rica seien es vor allem junge Frauen, die sich in ihren Filmen mit gesellschaftspolitischen Themen beschäftigten, die sie selbst betreffen - etwa Religion, Identität und Genderthemen. Auch der Film von Antonella Sudasassi, "Memorias de un cuerpo que arde" (Erinnerungen an einen brennenden Körper). Es ist der zweite Langfilm der 38-Jährigen, der in diesem Jahr in der Sektion Panorama der Berlinale läuft - ein Film über Sexualität in den verschiedenen Lebensphasen.
Auch wenn die Budgets klein seien und die Konkurrenz groß, gebe es sehr viele Regisseurinnen, die ihre Chancen wahrnehmen, sagt Sudasassi: "Vielleicht hat es damit zu tun, dass die Filmindustrie in Costa Rica noch sehr jung ist. Insofern hat sie die Entwicklung eines sehr männlichen Blicks, diese Hegemonie von Männern in der Filmwelt, nicht durchgemacht. Es tauchen sehr viele neue Stimmen auf und viele davon sind eben von Frauen."
Mexikanische Filmemacher produktiver denn je
Mexikanische Filmproduktionen sind mittlerweile eine Konstante auf Festivals wie Berlin und Cannes. Und längst ist es nicht mehr die alte Garde wie Guillermo del Toro und Alejandro González Iñárritu, die hier vertreten sind. Der mexikanische Regisseur Alonso Ruizpalacios ist zum dritten Mal im Wettbewerb mit seinem Film "Cocina" über Migranten ohne Papiere in New York zu sehen.
In den vergangenen Jahren waren es vor allem aber auch Mexikanerinnen, die ihre Arbeiten auf der Berlinale vorstellten. Lila Avilés mit "Tótem", Natalia López Gallardo mit "Manto de Gemas"und Tatiana Huezo mit "El Eco" und "La Tempestad" - politische Autorinnenfilme mit sehr eigener Handschrift.
Mexikanische Filmemacher und Filmemacherinnen sind produktiver denn je - laut Zahlen des Instituto Mexicano de Cinematografía (IMCINE) wurden im Jahr 2022 insgesamt 258 Filmprojekte realisiert. Das Filmland Mexiko ist für viele US- und europäische Produktionsfirmen attraktiv. Sie finden hervorragende Produktionsbedingungen mit gut ausgebildetem Personal auf allen Ebenen.
Filme werden in der Heimat nicht gesehen
"Ein großes Problem ist, dass die mexikanischen Filme in der eigenen Heimat kaum zu sehen sind", kritisiert der Regisseur Alejandro Guzmán Alvarez, der unter anderem auch an der mexikanischen Filmhochschule CCC unterrichtet. Seine beiden Filme "Distancias cortas" und "Estanislao” liefen zwar erfolgreich auf regionalen und internationalen Festivals, waren am Ende aber nur eine sehr limitierte Zeit im Kino zu sehen.
Er arbeitet an seinem dritten Langfilm über "desaparición forzada" - über das gewaltsame Verschwindenlassen von Menschen in Mexiko. Ein drängendes Thema in einem Land, in dem mehr als 100.000 Personen als verschwunden gelten. Derartige Filme liefen in Mexiko nur in den Arthouse-Kinos und nicht in den kommerziellen Ketten. "Mit den Streamingdiensten hat sich die Distribution verändert", so Guzmán.
Der Verkauf an Plattformen wie Netflix und Amazon sei eine Möglichkeit, mehr Zuschauerinnen und Zuschauer zu erreichen, auch wenn es natürlich nach wie vor am schönsten sei, seinen Film im Kinosaal auf großer Leinwand zu sehen. Wie gut, dass man in Berlin gerade Kino aus ganz Lateinamerika geballt konsumieren kann.