Flughafen-Eröffnung in Berlin Wird der BER sich jemals rechnen?
Der BER eröffnet inmitten der größten Krise, die die internationale Luftfahrt je erlebt hat. Wird sich der Airport, der schon jetzt Milliarden verschlungen hat, jemals rechnen?
Aus den Schlagzeilen wird der nagelneue BER auch in den kommenden Jahren nicht herauskommen. Auch wenn Flugzeuge ab sofort dort abheben, bleibt ein zentrales wirtschaftliches Problem: Ein riesiger Schuldenberg scheint unüberwindbar. Enorme Kreditlasten drücken auf die Profitabilität. Einnahmen dürften über Jahre überschaubar bleiben. Die Betreiber rechnen anfangs mit einer Auslastung von rund 20 Prozent.
Die gesamte Luftfahrtbranche taumelt gerade durch die tiefste Krise der vergangenen Jahrzehnte, und der neue Hauptstadtflughafen geht mit Nothilfen an den Start. Auch Verkehrsminister Andreas Scheuer hat den Ernst der Lage erkannt. Die drei Eigentümer der Flughafengesellschaft FBB - die Länder Berlin und Brandenburg sowie der Bund - haben für das laufende Jahr eine Finanzspritze von 300 Millionen Euro durchgewinkt - und gleich noch ein Darlehen über 550 Millionen Euro für das kommende Jahr zugesagt. Nur wird auch das vermutlich nicht reichen. Selbst Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hatte zuletzt immer wieder betont, dass der neue Flughafen nach dem Start zunächst ein Zuschussgeschäft bleibe.
Nun will CSU-Politiker Scheuer das Thema beim Luftfahrtgipfel am 6. November auf den Tisch bringen: "Dazu stellen wir gerade ein Konzept auf. Für den BER heißt das, dass wir uns die Wirtschaftspläne für die nächsten Jahre noch einmal intensiv anschauen müssen", so der Verkehrsminister im rbb.
Rettungsschirm für Flughäfen?
Der BER ist mit seinem Problem nicht allein. "Durch die Corona-Krise befinden sich die Flughäfen in einer existenzbedrohenden Lage - ein Rettungsschirm ist dringend erforderlich", stellt Ralph Beisel vom Flughafenverband ADV fest. Er vertritt die Interessen deutscher Flughäfen. Deren Verluste dürften sich für die Jahre 2020 und 2021 auf insgesamt rund drei Milliarden Euro aufhäufen, schätzt er, und das nach einem Vorsteuergewinn von fast 800 Millionen Euro im vergangenen Jahr.
Der Flughafenverband fordert daher mit Blick auf Scheuers Krisengipfel, dass der Bund Kosten für die Bereitstellung der Flughafen-Infrastruktur dringend übernehmen müsse. Während der Zeit des Lockdowns von März bis Juni hätten diese Kosten rund 740 Millionen Euro betragen.
Für den BER ist Beisel zuversichtlich: "Berlin ist ein beliebtes Ziel. Die Stadt war bisher trotz Kriseneinbrüchen und Marktaustritten von Airlines wie Air Berlin und Germania ein Standort mit überdurchschnittlichem Luftverkehrswachstum", sagt er. In der Erholungsphase nach der Corona-Krise werde Berlin ein Wachstumsstandort bleiben.
Vor allem die Lufthansa Group setzt stark auf Berlin. Ihr Marktanteil dürfte bei rund 30 Prozent aller Flüge am BER liegen. Jedoch ohne interkontinentale Nonstop-Verbindungen; auch die Konzerntochter und Billigfluggesellschaft Eurowings wird keine Langstrecke direkt ab Berlin anbieten. "Momentan sind wir gezwungen, uns auf das Minimum zu reduzieren", sagte Eurowings-Chef Jens Bischof bei einer Videokonferenz des Mediennetzwerks Luftfahrtpresseclub.
Grundsätzlich profitabel
Als Drehscheibe sieht auch Eric Heymann eine Perspektive für den BER. Er analysiert für die Deutsche Bank seit Jahren die Luftverkehrsbranche. "Berlin ist nach Frankfurt und München der wichtigste Luftverkehrsstandort in Deutschland und könnte seine Position in den kommenden Jahren sogar ausbauen." Dabei sieht Heymann einen klaren Standortvorteil: "Berlin könnte sich auch zu einer Drehscheibe für Flüge nach Osteuropa entwickeln."
Mit neun Jahren Verspätung ist der BER nun endlich in Betrieb gegangen.
Aber kann ein Flughafen wie der neue Hauptstadtflughafen langfristig profitabel betrieben werden? "Grundsätzlich ja", sagt Analyst Heymann. "Das lokale Verkehrsaufkommen sollte groß genug sein, um einen profitablen Betrieb des Flughafens zu gewährleisten. Bei hohen Passagierzahlen fallen auch größere Einnahmen im sogenannten Non-Aviation-Bereich an. Dazu zählen Einnahmen im Einzelhandel am Flughafen oder durch Parkgebühren." Aus touristischer Sicht sei Berlin dank des vielfältigen kulturellen Angebots das wichtigste Ziel für Städtereisen in Deutschland, gerade für ausländische Besucher.
Ein Sanierungskonzept ist nötig
Steigende Fluggastzahlen nach dem Corona-Einbruch werden aber für den BER nicht ausreichen. Dazu ist die Last aus dem massiv teureren Neubau erdrückend. Zins und Tilgung der Baumilliarden belasten nachhaltig. Die Wirtschafts- und Bilanzexperten Prof. Hans Georg Gemünden, Karl-Heinz Wolf und Harald Krehl sind die Vorjahresbilanzen der Flughafengesellschaft FBB durchgegangen. Ihre 33-seitige Analyse lässt nur einen Schluss zu: Ein grundlegendes Sanierungskonzept sei der einzige Ausweg.
Die Flughafengesellschaft müsse dringend entschuldet werden. Für die Autoren ist klar: Ein Kapitalbedarf von bis zu vier Milliarden Euro werde benötigt, um das Unternehmen rentabel zu machen. Wie aber mit der Betreibergesellschaft umgegangen werde, sei eine rein politische Entscheidung, sagt Luftverkehrsanalyst Heymann. "In Berlin ist der volks- und verkehrswirtschaftliche Nutzen des Flughafens gegeben." Da sei staatliches Engagement ordnungspolitisch gerechtfertigt, zumal die Schulden durch die besondere Entstehungsgeschichte des BER und nicht durch generelle Probleme im operativen Geschäft entstanden seien.