Höhere Kreditkosten Warum Bauzinsen trotz sinkender Zinsen steigen
Trotz sinkender Leitzinsen bleibt die "Zinswende" bei den Immobilienkrediten aus. Kurz nach der Senkung durch die EZB sind die Bauzinsen sogar wieder gestiegen. Gründe dafür gibt es viele.
Zwei Wochen nach der ersten Zinssenkung durch die Europäische Zentralbank (EZB) seit 2019 haben sich die Konditionen für Zinssparer und Kreditnehmer kaum verändert. Während Guthabenzinsen bei Tages- oder Festgeldkonten leicht gesunken sind, sind Bauzinsen sogar gestiegen. Die Finanzberatung Max Herbst (FMH) nennt aktuell (19.06.) einen mittleren Wert von 3,66 Prozent für Immobiliendarlehen mit zehnjähriger Zinsbindung. Vor einem Monat hatte dieser Wert noch bei 3,60 Prozent gelegen und war zwischenzeitlich deutlich stärker gestiegen.
Baufinanzierer und Finanzberater bezeichnen die bisher erfolgte Zinssenkung als "zu gering", um sich tatsächlich am Markt niederzuschlagen. Außerdem handelt es sich bei dem Leitzins, den die EZB von 4,5 Prozent auf 4,25 Prozent abgesenkt hatte, um den sogenannten "Hauptrefinanzierungssatz". Zu diesen Konditionen können sich die Geschäftsbanken bei der EZB Geld ab einer Woche Laufzeit leihen. Ein sehr kurzfristiger Kredite also, der mit einer langfristigen Immobilienfinanzierung wenig zu tun hat.
Anleihen und Pfandbriefe geben den Bauzins vor
"Die Bauzinsen sind mehr davon abhängig zu welchen Zinsen die Investoren bereit sind, dem deutschen Staat in Form der 10-jährigen Bundesanleihe Geld zu leihen", erklärt Max Herbst, Inhaber der FMH-Finanzberatung. Die Renditen für Bundesanleihen mit zehn Jahren Laufzeit sind seit Jahresbeginn von 2,1 Prozent auf aktuell (20.06.) 2,43 Prozent gestiegen. Dieser Anstieg hat auch Auswirkungen auf die Zinsen von Pfandbriefen, mit denen Banken häufig die von ihnen vergebenen Immobiliendarlehen gegenfinanzieren. Das heißt: Wenn hier die Zinsen steigen, steigen auch die Zinsen für Baukredite.
Alarmierend ist diese Entwicklung nicht. "Wir reden aktuell über 10 bis 15 Basispunkte, die die Bauzinsen bei einigen Banken nach dem EZB-Entscheid gestiegen sind. Inzwischen fallen sie wieder ", sagt Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender des Baufinanzierungsvermittlers Dr. Klein Privatkunden AG. "Wir sehen hier also Tagesschwankungen, die auf etwas längere Sicht keine große Rolle spielen." Auch Jörg Utecht, Vorstandsvorsitzender der Interhyp Gruppe, gibt Entwarnung: "Wir rechnen für die kommenden Wochen weiterhin mit einem Niveau in einem Korridor zwischen 3,5 und 4 Prozent für zehnjährige Darlehen. In diesem Korridor kann es immer mal wieder Schwankungen geben."
Immobilien wieder erschwinglicher
Allerdings zeigt der Immobilienmarkt wieder erste Lebenszeichen. Die Summe der vergebenen Baukredite ist zuletzt nach Angaben der Bundesbank merklich angestiegen. Das deutet auf eine höhere Nachfrage nach den eigenen vier Wänden. Und eine höhere Nachfrage treibt den Preis, beziehungsweise ist davon auszugehen, dass Banken und Sparkassen nicht unbedingt mit den Zinsen runtergehen, wenn die Geschäfte besser laufen. Das auch, weil sich mehr Menschen wieder eine Immobilie leisten können. "Es ist aktuell etwas leichter, eine Immobilie zu finanzieren als vor einem Jahr", erklärt Max Herbst. "Die Bauzinsen sind auf einem vertretbaren Niveau, die Immobilienpreise sind leicht gefallen, und im Durchschnitt dürften die Leute etwa fünf bis zehn Prozent mehr Gehalt haben als vor einem Jahr."
Gleichzeitig haben die zum Teil deutlich gestiegenen Wohnungsmieten viele Menschen dazu gebracht, über eine eigene Immobilie nachzudenken. Michael Neumann rät dazu, sich von Zinsschwankungen nicht beirren zu lassen. "Gerade bei einer großen Investition wie einem Hauskauf sollte die langfristige Absicherung an erster Stelle stehen", so Neumann. "Käufer sind gut beraten, über die ersten Jahre hinauszudenken und sich auch für die fernere Zukunft vor möglichen Risiken wie etwa einer Zinsänderung für die Anschlussfinanzierung zu schützen."
"Nicht auf sinkende Zinsen spekulieren"
Doch wie geht es mit den Zinsen am Bau weiter? Hier lohnt ein Blick auf die Anleihemärkte. "Solange die Investoren der EZB-Inflationsbekämpfung vertrauen und glauben, dass der deutsche Staat es doch schaffen könnte, die Wirtschaft in Schwung zu bringen, solange muss man sich nicht über steigende Bauzinsen ängstigen", sagt Max Herbst. Die aktuelle Entwicklung gibt ihm recht. Wegen der kurzfristig angesetzten Neuwahlen in Frankreich sind Anleger aus französischen Anleihen in deutsche Papiere geflüchtet. Sie nehmen den Bund als sicheren Hafen wahr und entsprechend akzeptieren sie als Preis für die Sicherheit niedrigere Zinsen.
Doch genau auf solche Verwerfungen zu warten, sei falsch, erklärt Jörg Utecht: "Aus unserer Sicht lohnt es sich nicht, auf fallende Zinsen zu spekulieren." Weil andere Faktoren beim Immobilienkauf wichtiger sind, wie beispielsweise ein bezahlbarer Preis, überschaubare Renovierungskosten, die Möglichkeit für Sondertilgungen oder hohe Energie-Effizienz. Der Bauzins selbst stellt nur ein Teil in einem komplizierten Finanzierungs-Puzzle dar.