Europäische Einlagensicherung Gesprächsbedarf nach Scholz' Bankenidee
Der deutsche Finanzminister kann sich nun doch eine europäische Einlagensicherung vorstellen. Damit will er eine jahrelange Blockade brechen. Der Vorschlag trifft auf Zustimmung - und könnte doch scheitern.
Die Kernaussage von Finanzminister Olaf Scholz zur Vollendung der Bankenunion in Europa klingt entschlossen: "Nach jahrelanger Diskussion muss die Blockade beendet werden", schrieb er in seinem Gastbeitrag in der "Financial Times". Dafür müsse es auch ein europäisches Einlagen-Sicherungssystem geben. Das erfreut die Anhänger einer europäischen Bankenunion besonders deshalb, weil der Satz aus dem Land kommt, das bislang am stärksten auf der Bremse gestanden hatte: Deutschland.
Der Vorschlag von Scholz sieht nun freilich nicht vor, dass alle Länder für alle Banken uneingeschränkt haften. Vielmehr schlägt er ein dreistufiges Verfahren vor: Gerate eine Bank in Schieflage, solle zunächst das nationale Sicherungssystem einspringen. Erst wenn dies überfordert sei, könne eine europäische Einlagensicherung einspringen - und zwar in Form von Krediten. Sollte auch dies nichts nützen, müsse der jeweilige Staat einspringen.
Ausdrücklich räumt Scholz ein, dass möglicherweise solche Kredite nicht in vollem Umfang zurückbezahlt werden könnten. Aber: "Eine europäische Einlagen-Rückversicherung würde die Widerstandsfähigkeit nationaler Einlagensicherungen bedeutend stärken."
"Kein kleiner Schritt"
Für Deutschland bedeutet das eine ziemliche Kehrtwende. Bislang hatten deutsche Politiker die Möglichkeit, dass deutsche Sparer mit ihrem Geld für ausländische Banken haften könnten, gescheut wie der Teufel das Weihwasser. Vor allem die Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken waren - weil selbst relativ unabhängig von den internationalen Finanzmärkten - dagegen Sturm gelaufen. Und so konstatiert Scholz auch: "Das ist kein kleiner Schritt für einen deutschen Finanzminister."
Die Morgengabe per "Financial Times" löste in der betroffenen Branche sofort überwiegend positive Reaktionen hervor. Es müsse bei dem Thema endlich wieder Bewegung geben, sagte der Direktor der Europäischen Zentralbank, Yves Mersch. "Für jeden Stein, der gebraucht wird, um das unvollendete Haus der Bankenunion zu vollenden, sagen wir danke."
Auch Deutsche-Bank-Vizechef Karl von Rohr begrüßte die Pläne. Der Prozess sei bislang einfach zu schleppend verlaufen, sagte er. Sollte es am Ende tatsächlich zu einer Bankenunion mit gemeinsamer Einlagensicherung kommen, könne das weitere Fusionen und Übernahmen in der Bankenbranche zur Folge haben, sagte von Rohr. Der Konsolidierungsdruck in der europäischen Finanzwirtschaft werde zunehmen. Und Commerzbank-Chef Martin Zielke sagte: "Wir sollten jetzt die Chance nutzen, die EU einen wichtigen Schritt voranzubringen."
Freude in Brüssel und Paris
Im französischen Finanzministerium wurde der Scholz-Vorstoß einem Insider zufolge begrüßt. Solche Initiativen seien "sehr nützlich". Auch aus der EU-Kommission kam eine erste positive Reaktion: "Das ist eine sehr gute Ausgangsbasis", sagte Olivier Guersant, Direktor der Abteilung für Finanzstabilität in der EU-Kommission.
Der scheidende EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker beklagte im tagesschau.de-Interview, die Bankenunion sei zu lange unvollendet geblieben. "Ich habe das sehr gewünscht, dass wir uns in Europa darüber verständigen können, eine europäisch organisierte gemeinsame Einlagensicherung zu machen. Das braucht eine Währungsunion. Das sagen auch alle Währungsunions-Spezialisten. Da hat es in Deutschland sehr viel Zurückhaltung gegeben", sagte er.
Die Gespräche um ein europäisches Einlagensicherungssystem waren seit Jahren festgefahren. Im Kern geht es darum, Sparguthaben, die bislang nur auf nationaler Ebene mehr oder weniger gut gesichert sind, auch europäisch abzusichern. Damit soll vor allem in Krisen verhindert werden, dass Sparer in Panik ihr Geld von der Bank holen ("Bank Run") und die Institute und im schlimmsten Fall die gesamte Eurozone dadurch weiter in Schwierigkeiten stürzen.
Voraussetzung für ein funktionierendes Sicherungssystem ist allerdings, dass sich zuvor alle Banken von faulen Krediten befreien. Dies sieht auch der Scholz-Vorschlag ausdrücklich vor.
Merkel sieht "Gesprächsbedarf"
Allerdings enthält die Rechnung Scholz' noch eine entscheidende Variable: Angela Merkel. Die sieht bei dem Vorschlag von Scholz noch "Gesprächsbedarf", wie ihr Sprecher Steffen Seibert in Berlin mitteilte. Es handele sich um einen "Diskussionsbeitrag", der nun in der Regierung beraten werde.
Das "Handelsblatt" berichtete von einer unionsinternen Abstimmung, in der Merkel sich skeptisch gezeigt habe. Der Vorstoß sei in der Regierung nicht abgestimmt, deshalb werde er auch nicht so kommen, habe sie deutlich gemacht.
Am Ende könnten sich die Anhänger einer euopäischen Bankenunion also zu früh gefreut haben.