EU-Finanzminister einig über Bankenabwicklung "Wir revolutionieren den Finanzsektor"
Lange wurde verhandelt, am Ende war es kurz vor knapp, und Berlin setzte sich durch: Kurz vor dem EU-Gipfel haben sich die Finanzminister auf Regeln zur Abwicklung von Krisenbanken geeinigt. So sollen Steuerzahler und Sparer entlastet werden.
Kurz vor Mitternacht stieg endlich weißer Rauch aus dem Brüsseler Ratsgebäude auf. Gerade noch rechtzeitig bevor die Regierungschefs sich heute zum Gipfel treffen. Denn die hatten ihre Finanzminister beauftragt, bis dahin eine Einigung auf den gemeinsamen Bankenabwicklungsmechanismus hinzubekommen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble war dann auch hörbar stolz, dass er schon am zweiten Tag seines neuen Ministerlebens ein so wichtiges Ergebnis liefern konnte.
Zuvor hatten die Minister aber noch einmal zwölf Stunden lang hart verhandeln müssen, um das gemeinsame Abwicklungsgremium und den gemeinsamen Abwicklungsfonds hinzubekommen. Gerade Schäuble hatte immer wieder auf Regeln gedrungen, die auch vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben. "Das ist jetzt in einer soliden Weise erreicht worden, wir haben eine klare, verlässliche Rechtsgrundlage", wertet er jetzt das Ergebnis.
Neues Gremium erarbeitet Modalitäten
Und das sieht so aus: Stellt die neue europäische Bankenaufsicht fest, dass ein Geldhaus in gefährliche Schieflage geraten ist, dann tritt das neue Gremium aus nationalen Aufsehern zusammen, um die Modalitäten für dessen Abwicklung oder Sanierung auszuarbeiten. Formell verkündet wird die Entscheidung aber vom Rat der Finanzminister. Viele Regierungen hätten das letzte Wort lieber der EU-Kommission übertragen, aber das hat Schäuble verhindert.
Banken sollen selbst für Schließung zahlen
Künftig sollen die Banken zudem selbst für die Kosten einer Bankenschließung aufkommen. Dafür wird ein Fonds gegründet, in den die europäischen Banken über zehn Jahre einzahlen müssen. Am Ende sollen dann über 50 Milliarden Euro in dem Topf sein. Anfangs wird dieser Fonds aus getrennten nationalen Abteilungen bestehen. Die Schließung einer italienischen Bank wird dann noch aus dem italienischen Topf finanziert.
Ein wirklich gemeinsamer Fonds soll erst nach und nach entstehen - und zwar auf der Grundlage eines gesonderten Vertrages, der zwischen den Teilnehmerstaaten an der Bankenunion geschlossen wird. Schäuble hatte immer argumentiert, dass die europäischen Verträge keinen Gemeinschaftsfonds hergeben.
Und der deutsche Finanzminister hat sich auch noch in einem dritten Punkt durchgesetzt: Sollten die Mittel im Fonds gerade in der Aufbauphase nicht ausreichen, um eine Bank abzuwickeln oder zu sanieren, dann muss der Heimatstaat der Bank die fehlenden Mittel aufbringen. "Und wenn Nationalstaaten nicht in der Lage sind, diese Verpflichtungen zu erfüllen, dann können sie auch auf die Solidarität im ESM zurückgreifen", betont Schäuble. Aber eben nach den derzeit geltenden Regeln: Wenn ein Staat den Rettungsfonds ESM anzapfen will, dann muss er sich im Gegenzug den üblichen Auflagen unterwerfen und für die Rückzahlung der Kredite gerade stehen. Viele überschuldete Regierungen hatten gehofft, dass der ESM notleidenden Banken direkt frisches Kapital zur Verfügung stellen könnte. Vergeblich.
Bankenunion nimmt Gestalt an
Der gemeinsame Abwicklungsmechanismus ist die zweite Säule der angestrebten europäischen Bankenunion. Bereits im Aufbau begriffen ist die erste Säule, die zentrale Aufsicht über die Großbanken. Säule Nummer drei besteht aus gemeinsamen Regeln zur Einlagensicherung. Auf die konnten sich das EU-Parlament und der Rat der Mitgliedsstaaten gerade einigen.
Eine Einigung gibt es auch schon über die Regel, dass bei künftigen Bankenpleiten immer zuerst die Eigentümer und Gläubiger der Bank zur Kasse gebeten werden. Europa ziehe damit die Lehren aus der Finanzkrise, so EU-Binnenmarktkommissar Barnier: "Wir revolutionieren den ganzen Finanzsektor in Europa. So dass der Steuerzahler nicht mehr die Zeche zahlen muss, wenn Banken sich verspekulieren."
EU-Parlament hat eigene Vorstellungen
Ganz in trockenen Tüchern ist der Abwicklungsmechanismus aber noch nicht. Denn das Europäische Parlament hat auch ein Wort mitzureden, und die Parlamentarier haben in zentralen Punkten ganz andere Auffassungen, so der grüne Finanzexperte Sven Giegold: "Das Europaparlament fordert, dass der gemeinsame Fonds und auch die Entscheidungsstruktur des Abwicklungsmechanismus' ganz klar europäisch sind. Da gibt es keine zehnjährige Übergangsfristen für den Fonds und auch keine überstarke Rolle des Rates in der Entscheidung." Giegold erwartet nun schwierige Verhandlungen. Aber Finanzminister Schäuble drängt auf eine schnelle Einigung, noch rechtzeitig vor den Europawahlen im Mai.