Hintergrund

Rekordstrafen gegen Geldinstitute Jetzt müssen die Banken büßen

Stand: 11.11.2013 13:09 Uhr

Fünf Jahre nach der Finanzkrise werden die Banken doch noch zur Rechenschaft gezogen. Die Strafen, die sie zahlen müssen, erreichen ungeahnte Höhen - auch weil die Strategie der Ermittler beinahe einer Erpressung gleichkommt.

Von Heinz-Roger Dohms, tagesschau.de

Als Präsident Barack Obama Anfang 2012 eine Sondereinheit zur Untersuchung des US-Immobiliendebakels aufstellte, da war das Urteil über diese "Task Force" rasch gefällt: Um ein Wahlkampfmanöver handele es sich, worum sonst? Der Höhepunkt der Subprime-Krise lag mehr als drei Jahre zurück. Und die krummen Finanzdeals, die dem Crash vorausgegangen waren, noch viel länger. Welchen Zweck also sollte die "Task Force" erfüllen, außer dem Präsidenten ein Alibi zu verschaffen gegen den Vorwurf, er fasse die Urheber des Hypothekendesasters - sprich: die Banken - nicht hart genug an?

Anderthalb Jahre später ist Obama längst wiedergewählt und mit anderen Problemen beschäftigt. Die damals eingesetzte Sondereinheit indessen, geleitet vom US-Generalbundessanwalt Eric Holder und seinem New Yorker Amtskollegen Eric Schneiderman, hat in den vergangenen Monaten eine völlig ungeahnte Eigendynamik entwickelt. Die vermeintliche Alibi-Veranstaltung war es, die jene Ermittlungen koordinierte, die im Oktober in dem historischen 13-Milliarden-Dollar-Vergleich zwischen der US-Regierung und der Großbank JP Morgan Chase mündeten. Doch das ist erst der Anfang.

Auch ein Deal mit der Deutschen Bank?

Berichten der "Financial Times" zufolge strebt Washington ähnliche Übereinkünfte mit neun weiteren Großbanken an, die in die Immobilienmisere verwickelt waren - darunter die Deutsche Bank. Zusätzlich kommen auf die Institute zivilrechtliche Klagen solcher Investoren zu, denen sie die überteuerten Hypothekenpapiere einst angedreht hatten. Und: Die Subprime-Causa ist nur einer von mehreren Komplexen, die die Ermittler rund um den Globus momentan aufarbeiten.

Da ist zum Beispiel der Libor-Skandal um manipulierte Zinssätze. Rund zwei Milliarden Dollar zahlte allein die Schweizer UBS, um sich von weiteren Untersuchungen freizukaufen, rund eine Milliarden Dollar blechte jüngst die niederländische Rabobank. Parallel nehmen die Ermittlungen in einem ähnlich gelagerten Fall Fahrt auf, diesmal geht es um angeblich manipulierte Währungskurse.

Weitgehend abgehandelt scheinen derweil diverse Geldwäsche-Affären, die unter anderem die britische HSBC eine Milliardensumme kostete. Und dann sind da Absurditäten wie die "Wal-von-London"-Saga um einen JP-Morgan-Mitarbeiter, der mit einer einzigen Handelsposition unfassbare 6,2 Milliarden Dollar verzockte. 920 Millionen Euro zahlte die Bank als Buße für das Versagen sämtlicher Risikokontrollen.

Strafen in Höhe von mehr als 100 Milliarden Dollar

Den Überblick über die Strafzahlungen zu behalten, fällt zunehmend schwer - zumal in den vergangenen Wochen fast täglich neue Fälle publik wurden. Nach Schätzungen der Analysegesellschaft Bernstein Research dürften die diversen Vergleiche allein die größten US-Banken letztlich über 100 Milliarden Dollar kosten. Das wäre mehr Geld, als die Institute seit der Finanzkrise als Dividenden an ihre Aktionäre ausgeschüttet haben.

Vor allem der 13-Milliarden-Dollar-Deal von JP Morgan sprengt alle bekannten Dimensionen. Goldman Sachs etwa musste 2010 für einen Subprime-Vergleich mit der US-Börsenaufsicht SEC nur 500 Millionen Euro zahlen - damals galt dieser Betrag noch als Rekord. Selbst der Ölkonzern BP berappte für die verheerende Ölkatastrophe im Golf von Mexiko nur ein Drittel dessen, was JP-Morgan nun zahlt. Was auffällt: Während die Libor-Affäre erst 2012 ans Licht kam, sind die Exzesse, die sich einst auf dem US-Häusermarkt zutrugen, schon seit Jahren bekannt.

Erst gerettet, dann geschröpft?

Trotzdem scheint es, als würde sich die Verfolgung dieser und anderer Skandale nun auf einen Zeitraum weniger Monaten verdichten. Eine Deutung drängt sich auf: Ist es etwa so, dass der Staat die Banken zunächst einmal rettete, dass er dann wartete, bis sie sich erholten - und dass er sie nun, wo er selber Geld braucht, schröpft? "Richtig ist, dass Behörden, wenn sie Strafen verhängen, normalerweise auch darauf achten, wie viel sie den Unternehmen zumuten können", sagte Thorsten Voss, der früher für die Finanzaufsicht BaFin arbeitete und heute für die Anwaltskanzlei Mayer Brown tätig ist.

"Trotzdem darf man da nicht zu viel hinein interpretieren", sagt ein anderer Kapitalmarktrechtler, der aus Rücksicht auf seine Kanzlei ungenannt bleiben will. "In solchen Ermittlungsverfahren spielen Zufälle und Dynamiken eine große Rolle." Dennoch räumt auch er ein, dass die Verfahren stark politisch geprägt sind. "Die Ermittler nehmen das Anti-Banken-Klima zum Anlass, die Geldinstitute zunehmend unter Druck zu setzen."

Kein öffentliches Wehklagen

Sich öffentlich zur Wehr zu setzen - das trauen sich die Banken nicht. Nach dem Subprime-Crash ließ sich noch argumentieren, dass die Finanzbranche zwar die Hauptschuld an dem Desaster trage, Politiker und Regulierer aber ebenfalls versagt hätten.

Im Libor-Skandal hingegen ist die kriminelle Energie zu offensichtlich: ein paar Dutzend Händler, die, womöglich gedeckt durch ihre Vorgesetzten, über Jahre hinweg die wichtigsten globalen Referenzzinssätze manipulierten. "Da haben sich Abgründe aufgetan", sagt Voss. So ist zu erklären, dass die Geldhäuser alles dafür tun, öffentliche Verfahren zu vermeiden. "Denn solche Prozesse bergen die Gefahr einer reputationsschädigenden öffentlichen Schlammschlacht", wie der Bankenanwalt, der anonym bleiben möchte, sagt. Die Ermittler wissen dies natürlich und treiben die Preise für die Vergleiche immer weiter in die Höhe. "Man kann", so der Anwalt, "darin durchaus auch etwas Erpresserisches sehen."