Arbeitszeit-Richtlinie der EU Letzte Chance nach jahrelangem Feilschen
48 Stunden pro Woche oder maximal 60? Nach jahrelangem Feilschen muss jetzt eine Einigung her - oder die EU-Richtlinie für Arbeitszeitgrenzen ist gescheitert. Der Vermittlungsausschuss von Europaparlament und Minsterrat sitzt zusammen - und heute läuft die Frist für einen Kompromiss aus.
Von Peter Heilbrunner, SWR-Hörfunkstudio Brüssel
Auf den ersten Blick ist das Gefeilsche um die wöchentliche Arbeitszeit in Europa ein Streit um des Kaisers Bart: Ob nun eine maximale Wochenarbeitszeit von 48 Stunden gelten soll oder doch lieber 60 Stunden, wie die Hardliner es wollen, kann den Arbeitnehmern eigentlich egal sein. Im EU-Durchschnitt verbringen sie weder 48 noch 60 Stunden in der Woche am Arbeitsplatz. Im Mittel liegt die Wochenarbeitszeit knapp über 40 Stunden.
Die Sprecherin von EU-Sozialkommissar Wladimir Spidla, Katharina von Schnurbein, kann deshalb die ganze Aufregung nur bedingt verstehen: Die Maximum-Arbeitszeit sei laut Richtlinie 48 Stunden. Es gäbe nur "unter ganz bestimmten Voraussetzungen, die sehr strikt gehandhabt werden, die Möglichkeit, dass man über die 48 Stunden hinaus arbeiten kann." Dafür sei aber ein Einvernehmen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber oder eine Tarifvereinbarung notwendig.
Die einen wollen mehr, die anderen weniger
Doch genau diese Ausnahmen sind dem EU-Parlament und vor allem den Gewerkschaften ein Dorn im Auge. Sie befürchten, dass die Ausnahmen nach den bisherigen Vorschlägen der EU-Mitgliedsländer eher die Regel werden sollen.
Mehr als die Hälfte der Mitgliedsländer möchte von einem Recht auf Abweichung Gebrauch machen. Die einen wie Deutschland, um den Tarifparteien den notwendigen Spielraum bei der Ausgestaltung der Arbeitszeiten zu geben. Die anderen wie die Briten, weil sie sich nicht dem Diktat Europas beugen wollen.
Was bedeutetet "Ausnahme"?
Der Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes, John Monks, will diesen Zustand nicht länger hinnehmen: "Die Vorschläge dienen doch nur dazu, Abweichungen von der Regel leichter möglich zu machen. Damit steigt der Druck auf die Arbeitnehmer, einer längeren Arbeitszeit zuzustimmen."
Bereits im vergangenen Juni, als sich die Sozialminister der 27 Mitgliedsstaaten auf die Grundzüge einer neuen Arbeitszeitgesetzgebung auf Europäischer Ebene geeinigt hatten, hagelte es Kritik. Gewerkschaften und Sozialdemokraten nahmen es SPD-Arbeitsminister Olaf Scholz übel, dass er nicht für strengere Arbeitszeitregeln gekämpft hatte.
Scholz: In Deutschland gilt alles schon
Gar nicht nötig, erwiderte Scholz seinerzeit: "Wir haben das, was als europäisches Recht geplant ist, weitgehend umgesetzt. Insofern geht es aus deutscher Sicht zunächst einmal darum sicher zu stellen, dass alle Kompromisse es möglich machen, unsere gute Praxis aufrecht zu erhalten."
Und tatsächlich: Deutschland hat viele der auf europäischer Ebene strittigen Fragen längst geklärt. Seit Anfang 2004 regelt das neue Arbeitszeitgesetz, dass im Jahresdurchschnitt die Wochenarbeitszeit 48 Stunden nicht überschritten werden darf. Das gilt auch für Arbeitnehmer mit Bereitschaftsdiensten wie Ärzte, Krankenschwestern oder Feuerwehrleute. Deutschland unterscheidet seither nicht mehr zwischen Arbeitszeit und Bereitschaftsdienst. Genau diese Unterscheidung aber soll es aber auf europäischer Ebene geben.
Das, so befürchten Arbeitnehmervertreter, führe letztlich dazu, dass die nationalen Regelungen wieder ausgehebelt werden. Der Druck, Marathonschichten zu schieben, würde wieder steigen, zumal in Bereichen, wo die Gewerkschaften traditionell schwach sind wie etwa bei Wachdiensten. Lieber gar keine EU-weite Regelung als eine schlechte, lautet deshalb das Credo des Europäischen Gewerkschaftsverbandes.