Plan einer europäischen Wirtschaftsregierung Pakt nach deutschem Muster
Der Pakt für Wettbewerbsfähigkeit will den anderen EU-Staaten den deutschen Weg aufdrücken, meint Peter Heilbrunner. Doch Kanzlerin Merkel verkenne dabei, dass nicht alle Länder nach deutschem Muster funktionieren. Allerdings, mutmaßt Heilbrunner, könnte es ihr vor allem um das Stück Papier gehen.
Von Peter Heilbrunner, SWR-Hörfunkkorrespondent Brüssel
Angela Merkel will nichts dem Zufall überlassen - das heimische Publikum und den in Euro-Fragen sperrigen kleinen Koalitionspartner fest im Blick, drückt die deutsche Kanzlerin aufs Tempo. Die Euro-Staaten sollen besser zusammenarbeiten, fordert die deutsche Regierungschefin. Und meint damit: Die anderen müssen den Reform-Kurs einschlagen, auf den Deutschland sich bereits vor Jahren begeben hat. Einschnitte ins soziale Netz gehören ihrer Ansicht nach ebenso dazu wie Zurückhaltung in der Lohnpolitik und eine Erhöhung des Renteneintrittsalters.
Es ist dieser Mix, der alle in Europa stark macht, glaubt die Bundesregierung - und verkennt dabei, dass nicht alle Länder nach deutschem Muster funktionieren. Welches Interesse sollte der luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker haben, die automatische Kopplung der Einkommen an die Inflation aufzugeben? Schließlich hat das kleine Großherzogtum anders als die meisten anderen Euro-Staaten keine Schuldenprobleme. Und zu Recht wehrt sich der österreichische Bundeskanzler gegen Gleichmacherei bei der Rentenpolitik - ganz abgesehen davon, dass er das als guter Sozialdemokrat tun muss.
Ordnungspolitische Wundertüte
Ganz ehrlich: Der sogenannte Pakt für Wettbewerbsfähigkeit ist eine ordnungspolitische Wundertüte. Natürlich steht es außer Frage, dass die Euro-Zone insgesamt wettbewerbsfähiger werden muss. Aber ob Deutschland als einziges Land als Vorbild taugt, da habe ich meine Zweifel. Auch Schweden ist mit seiner Wirtschaftspolitik erfolgreich, ebenso wie Finnland. Und beide Länder sind frei von dem Verdacht, billige Kopien der Bundesrepublik zu sein.
Die starke Exportabhängigkeit Deutschlands, das nur zur Erinnerung, hat auch zum höchsten Wachstumseinbruch der Nachkriegsgeschichte geführt. Auch das ist ein Teil der Wahrheit.
Geht es um die Verpackung?
Aber vielleicht geht es der Kanzlerin auch viel mehr um die Verpackung, um das Stück Papier, das sie mit nach Berlin nehmen kann. Denn klar ist: Deutschland kann sich einer Ausweitung des Euro-Rettungsschirmes nicht in den Weg stellen. Der Hilfsfonds muss so ausgestaltet werden, dass er tatsächlich 440 Milliarden Euro verleihen kann - und nicht wegen zurückgehaltener Sicherheiten nur gut die Hälfte.
Deutschland wird also erneut zur Kasse gebeten: Mit bald 150 Milliarden Euro wird der deutsche Steuerzahler dann bürgen. Und um das dem kleinen Koalitionspartner vermitteln zu können, braucht es den Pakt für Wettbewerbsfähigkeit. Seht her, ich habe die anderen auf Reformkurs gezwungen, kann Angela Merkel dann sagen. Die deutschen Rettungsmilliarden sind folglich gut angelegtes Geld.
Pakt für den Wahlmarathon
Jeder weiß: Auch die Unionswähler sind skeptisch, was zusätzliches Geld für die Stabilisierung angeschlagener Euro-Staaten angeht. Angela Merkel braucht den Pakt, um nicht wie in Nordrhein-Westfalen bei den anstehenden Landtagswahlen baden zu gehen.
Ob die deutschen Forderungen am Ende umgesetzt werden, ist deshalb zweitrangig. Hauptsache sie werden rasch verabschiedet - rechtzeitig vor Beginn des Wahlmarathons.