Vorschlag des Arbeitsministers 15 Euro Mindestlohn - für Gastronomen zu viel?
Bundesarbeitsminister Heil fordert in Zukunft einen Mindestlohn von 15 Euro. Während er Zuspruch von Gewerkschaften bekommt, sehen Gastronomen den Vorstoß äußerst kritisch.
Natalie Mammel hat eine klare Meinung. "Das wäre für uns eine Katastrophe", sagt sie im Gespräch mit tagesschau.de zu den Forderungen von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil von der SPD, den Mindestlohn in Zukunft auf 15 Euro anzuheben.
Mammel und ihr Ehemann betreiben in Tübingen eine Gaststätte und eine Bar. Sie will sich nicht beschweren - beide Lokale liefen sehr gut. Andere Gastronomen, die ihren Fokus stärker auf Speisen gelegt hätten, stünden gerade deutlich schlechter da. "Trotzdem merken auch wir, dass es gerade Monat für Monat schwieriger wird", sagt Mammel.
Die Rückkehr zur Mehrwertsteuer von 19 Prozent auf Essen in Lokalen, dazu das geänderte Konsumverhalten der Menschen in Zeiten von Inflation - und dann auch noch der Mindestlohn. Natürlich gönne sie jedem mehr Geld, sagt Mammel. Doch die Erhöhungen gingen zu schnell.
Gastronomen fürchten um ihre Kundschaft
"Man muss der Wirtschaft ein bisschen Zeit geben, so schnell kann man die Löhne nicht in die Höhe treiben", findet Mammel. Denn: Sie arbeite schon jetzt viel mit Minijobbern, oft Studentinnen und Studenten, die den aktuellen Mindestlohn bekommen. Diese müssten mühsam angelernt werden, hätten dann aber natürlich immer noch nicht die Qualifikation einer Fachkraft.
"Wenn wir damit anfangen, 15 Euro an die Hilfskräfte zu zahlen, wie viel zahle ich dann meinen Fachkräften? 20 Euro? 25?", fragt Mammel. Und wie viel solle dann ein Bier kosten, acht Euro oder neun? "Irgendwann geht keiner mehr in die Wirtschaft, sondern die Leute kaufen sich einen Kasten Bier und trinken den daheim."
Widerstand von Verbänden und der Wirtschaft
Während Arbeitsminister Heil von Gewerkschaftsseite, etwa vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), Zuspruch erntet, gibt es aus der Wirtschaft bislang viel Gegenwind. Das Institut der Deutschen Wirtschaft bezeichnete den Vorstoß Heils als plumpen Wahlkampf. Er übergehe damit die unabhängige Mindestlohnkommission, die eigentlich für die Festsetzung zuständig sei.
Auch Unternehmerverbände kritisieren den Minister scharf - ebenso der Koalitionspartner FDP. Auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA, oberster Interessenvertreter von Gastronominnen und Gastronomen wie Natalie Mammel, will nichts von den Plänen wissen.
"Mit der Forderung, den Mindestlohn auf 15 Euro anzuheben, stellt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil zum wiederholten Mal die unabhängige Arbeit der Mindestlohnkommission in Frage", teilt DEHOGA-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges mit. Die Höhe des Mindestlohns dürfe nicht von Politikern in Wahlkampfzeiten instrumentalisiert werden. Sie fürchtet, dass die Gastro-Betriebe weiter in Schieflage kommen. Denn: "Höhere Löhne müssen zunächst einmal erwirtschaftet werden", sagt Hartges.
"Normale Zeiten kennen wir eigentlich nicht"
Natalie Mammel und ihr Ehemann sind 2020 aus der Schweiz zurück in ihre Heimat Tübingen gekommen - kurz vor dem ersten Corona-Lockdown. Die geplante Eröffnung des Gasthauses im April 2020 sei direkt ins Wasser gefallen, es folgten weitere Lockdowns, dann Energiekrise und Inflation. "Ganz normale Zeiten kennen wir eigentlich gar nicht", sagt Mammel.
Trotzdem wolle sie den Kopf nicht in den Sand stecken. "Wir bleiben optimistisch", sagt sie. Weil ihre Kosten weiter gestiegen sind, wird sie jetzt trotzdem erst einmal wieder eine neue Karte drucken müssen. Und im Januar dann wahrscheinlich direkt noch mal. Dann steht die nächste bereits feststehende Mindestlohnerhöhung an - auf dann 12,82 Euro.