"Jobs for Moms" Stellenportal will Hürden für Mütter abbauen
Nach der Elternzeit finden viele Mütter nicht leicht zurück in den Beruf. Obwohl sie gut ausgebildet und motiviert sind, arbeiten sie häufig unterhalb ihrer Qualifikation. Ein Start-up will die Jobsuche erleichtern.
Morgendliche Teambesprechung in der Teeküche der Unternehmensberatung IFSM in Höhr-Grenzhausen im Westerwald. Sechs Frauen und ein Mann stehen um den Tisch versammelt, es geht um laufende Beratungsprojekte, die anstehende Gesellschafterversammlung. Die Stimmung ist gelöst, es wird viel gelacht. Das Besondere an diesem Team: Neben dem Chef arbeiten hier nur Mütter.
Elisabeth Meyer-Siemons ist erst seit einem halben Jahr dabei und strahlt als Antwort auf die Frage, wie sie sich fühlt: "Saugut." Nicht nur, weil der Job ihr Spaß macht: "Hier habe ich das Gefühl, es wird sehr achtsam mit privaten Themen umgegangen, seien es Kinder, die eigene Gesundheit, die Gesundheit von Angehörigen. Dem wird einfach ein gebührender Raum gegeben, wie ich das sonst noch nirgends erlebt habe."
Sie trägt privat die Verantwortung für ihre beiden Kinder und die eigene Mutter, die sie pflegt. In der Vergangenheit, erzählt Meyer-Siemons, habe sie bei Bewerbungsgesprächen oft ein Gefühl subtiler Abwertung erfahren, auch wenn das nicht offen geäußert wurde. "Als Mutter bist Du am Arbeitsmarkt zweite Wahl."
Neue Kompetenzen als Eltern
Eine Erfahrung, die viele Frauen machen - auch die 40-jährige Hanna Jones aus Koblenz. Während ihrer dritten Elternzeit kam ihr die Idee eines Jobportals speziell für Mütter. "Nach einer längeren Elternzeit ist das berufliche Selbstbewusstsein oftmals gleich null. Und so war es bei mir auch. Die meisten Frauen arbeiten ab dem ersten Kind unterhalb ihres Kompetenzniveaus, und das ist einfach total schade, denn sie fehlen als Expertinnen und bringen nach einer Elternzeit ja noch mal neue Kompetenzen mit, auch ins Unternehmen."
Zusammen mit Anke Hollatz von der Beratungsstelle Frau und Beruf hob sie "Jobs for Moms" aus der Taufe. Das Besondere daran formuliert Anke Hollatz so: "Wir sind das einzige Portal, welches wirklich entlang der Bedarfe von Müttern Unternehmen und Fachkräfte zusammenbringt. Wir haben uns über lange Zeit mit den Bedarfen von Müttern beschäftigt und dem, was sie brauchen, damit Arbeitsmarktfähigkeit überhaupt hergestellt werden kann."
Wichtig ist ihnen, dass es nicht um individualisierte Probleme geht, sondern um strukturelle, die Mütter ausbremsen. Angesichts des Fachkräftemangels ein dringendes Anliegen: Laut einer Prognos-Studie zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf aus dem Jahr 2022 könnten 840.000 Menschen mehr dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, wenn Mütter mit Kindern unter sechs Jahren entsprechend ihrer Arbeitswünsche erwerbstätig wären. Und schon im Jahr 2025 könnten deutschlandweit 2,9 Millionen qualifizierte Erwerbstätige fehlen, so Prognos.
Regionalität vereinfacht die Jobsuche
"Jobs for Moms" hat im nördlichen Rheinland-Pfalz ein Netzwerk mit rund 40 familienfreundlichen Arbeitgebern aufgebaut. Durch die Regionalität sei es einfacher, die entscheidenden Player zu kennen und Frauen und Unternehmen digital zusammenzubringen, damit der gemeinsame Weg im Analogen funktionieren könne, betont Mitgründerin Hollatz.
Auch Elisabeth Meyer-Siemon ist über "Jobs for Moms" auf ihre Stelle gestoßen. "Die leisten großartige Arbeit, schließen eine Lücke in der Vermittlung von Müttern, die arbeiten wollen. Wir wollen ja arbeiten, es wird uns aber oft sehr schwer gemacht." Ihr Arbeitgeber ist da - noch - eine Ausnahme, und das seit langem. Geschäftsführer Klaus Kissel sagt: "Wir hatten von Anfang an viele Mütter, wir haben über die letzten 20 Jahre die Erfahrung gemacht, dass Mütter sehr, sehr stark engagiert sind. Und je flexibler wir auf die Mitarbeiter zugehen, umso höher ist auch die Mitarbeiterbindung. Und wir spüren, umso höher ist auch die Verantwortung, die die Mitarbeiter bei uns wahrnehmen."
Engagierte Arbeitskräfte dank "Life Balance"
Das sind Erfahrungen, die auch an Kunden, die Beratungen buchen, weitergegeben werden. "Wir haben ein spezielles Programm, das nennt sich Mom-Karriere-Coaching oder Family-Karriere-Coaching. Da sind unsere Berater tätig, um das in Firmen weiter zu verbreiten, um zu gucken, wie kann ich eigentlich dieses Thema Familie und Beruf zusammenbringen?" sagt Geschäftsführer Kissel. "Früher hat man Work-Life-Balance dazu gesagt. Wir sagen im Grunde genommen nur Life Balance. Und wenn Arbeitgeber das verstanden haben, haben sie ein viel größeres Potenzial, auch neue Fachkräfte zu gewinnen."
In der Umsetzung bedeute das beispielsweise, dass Firmen aufhören müssten, in Einstellungsgesprächen nachzufragen, was Frauen mit ihren Kindern machten. Oder dass sie nicht zu großen Wert auf starre Arbeitszeiten legen. "Dadurch bekommt man eben nicht hochqualifizierte Kräfte, die man vielleicht braucht." Es stecke eine Menge Potenzial in Müttern ebenso wie in Vätern, auch wenn sie familienbedingt eingeschränktere Möglichkeiten hätten.
Auf Expansionskurs
Dass ihr Portal nur einer von vielen Puzzlesteinen ist, um die Arbeitswelt familienverträglicher zu machen, wissen auch die Gründerinnen Hollatz und Jones. Aber sie sind auf Expansionskurs, haben bereits einen Ableger in Nordhessen, dazu kommt außerdem eine Dependance in Mainz.
Dass das Modell Zukunft hat, davon sind die beiden Frauen überzeugt. "Es gibt die Möglichkeit, einfach eine menschenfreundlichere Atmosphäre zu schaffen. Die Produktivität steigt", sagt Hollatz. "Die Frage ist doch: welchen Schaden hätte es, wenn Frauen entsprechend in die Positionen kommen, adäquat bezahlt werden, ihr Potenzial entfalten und einbringen können?"