Ältere Arbeitnehmer an einer Werkbank

Studie zu Beschäftigten ab 50 "Ich setz' mich nicht aufs Sofa, da werde ich nur alt"

Stand: 02.07.2024 17:06 Uhr

Angesichts des Fachkräftemangels wollen Unternehmen ihre Beschäftigten möglichst lange halten. Doch viele wollen lieber früher in Rente, sagt eine TK-Studie. Firmen wollen mit Angeboten für die Mitarbeiten 50+ dagegen halten.

"Ich nehme das jetzt selbst in die Hand", das war die Entscheidung, die Klaus-Peter Mikulla irgendwann abends auf dem Sofa getroffen hat. Ihn habe umgetrieben, dass die Gesellschaft - und damit auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - immer älter werden, aber in den Unternehmen darauf niemand so richtig reagiere. Mikulla gründete bei Beiersdorf das firmeninterne Netzwerk "Neue Generation 50+".

Der Geschäftsleitung gefiel die Idee, sie unterstützte Mikulla. Acht Jahre ist das jetzt her. Seither hat die Gruppe einiges auf die Beine gestellt. Es gab eine Art Speeddating zwischen jungen und älteren Kollegen und Kolleginnen, jeweils drei Minuten Gespräch. Der Effekt: Mehr Verständnis und Respekt füreinander, Netzwerke über die Generationen hinweg. Mikulla hat mit Kollegen eine eigene Fortbildungsreihe für Ältere ins Leben gerufen: "New Generation 50+ goes digital". Im Intranet gibt es Infos und Austausch zur beruflichen Weiterentwicklung speziell für ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

"Ein Drittel ihres Berufslebens liegt noch vor ihnen"

All das seien Dinge, die die Wertschätzung gegenüber Mitarbeitern im höheren Alter steigere und damit ihr Wohlbefinden und ihre Bereitschaft, bis zum regulären Renteneintritt zu arbeiten und nicht früher den Arbeitsmarkt zu verlassen. "Wir arbeiten ja heute bis 67. Von 50 bis 67, das ist eine lange Zeit. Ich muss den Leuten in dem Alter Karriere-Chancen bieten, als wären sie jung, denn ein Drittel ihres Berufslebens liegt ja noch vor ihnen", sagt Mikulla.

Das Problem sieht auch die Techniker Krankenkasse. Sie hat 1.000 Erwerbstätige über 50 Jahren befragt. Fast ein Drittel plant demnach, vor dem gesetzlichen Rentenalter aus dem Job zu gehen. Und das, obwohl es ohnehin schon an Fachkräften mangelt. Und die Verrentungswelle der geburtenstarken Babyboomer-Generation droht.

Mehr Wertschätzung gefordert

Hier gelte es gegenzusteuern, sagen Techniker Krankenkasse und das mit der Studie beauftragte Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG). "Wer mehr Wertschätzung, Selbstbestimmung und Flexibilität am Arbeitsplatz erlebt, der arbeitet auch länger", so Fabian Krapf, Geschäftsführer des IFBG. Die Studie zeige einen deutlichen Zusammenhang zwischen positiver Unternehmenskultur und dem Wunsch der Beschäftigten, später in den Ruhestand zu gehen. Wunsch Nummer Eins der Befragten sei hier, die Arbeitszeit stärker an die eigenen Bedürfnisse anpassen zu können.

Die Techniker Krankenkasse hat in dem Report außerdem Krankentage ausgewertet und in Zusammenhang mit den Arbeitsjahren gesetzt. Ergebnis: Wer wenige Krankentage hat, arbeitet auch länger. Es liege also nahe, in die Gesundheitsförderung der Mitarbeiter zu investieren, nicht nur um Fehlzeiten zu verringern, sondern auch um die Arbeitszeit bis zur Rente hin zu verlängern.

Lebensphasen-Coaching für mehr Zufriedenheit

Manchmal beginnt es mit ganz einfachen Dingen: Passen die Arbeitsschuhe? Sind Lagerrampen auf der richtigen Höhe, wie heben die Mitarbeiter einen Gullydeckel an? Die Berliner Wasserbetriebe sind mehrfach für ihr Gesundheitsmanagement ausgezeichnet worden. Leiterin Kristin Kroboth sagt, es gehe darum, gute Arbeitsverhältnisse zu schaffen, aber auch Angebote auf einer anderen Ebene zu bieten.

Beim Lebensphasen-Coaching zum Beispiel können ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich beraten lassen, wie sie ihre letzten Berufsjahre gestalten wollen: noch mal was Neues machen, Führungsverantwortung übernehmen oder sich um einen sinnvollen Wissenstransfer zur jüngeren Generation kümmern? "Wir wollen so eine Form der Wertschätzung und damit einhergehend eine Zufriedenheit der Mitarbeitenden erreichen", sagt Kroboth.

Win-win-Situation

Lebenslanges Lernen, Weiterentwicklung, neue Perspektiven einnehmen, das sei für ihn der Schlüssel, sagt Mikulla. "Betrachtet die Generation nicht mehr so, wie ihr sie früher betrachtet habt", appelliert er. "Wir brauchen eine neue Wahrnehmung. Das macht ja auch was mit den Menschen, die in dem Unternehmen sind." Er selbst habe oft neue Positionen in der Firma eingenommen, ganz andere Sachen gemacht als zuvor, das habe ihn weiter gebracht und fit gehalten, sagt er. Am Ende profitieren beide Seiten: Die Beschäftigten sind zufriedener und die Firma bindet wertvolle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an sich.

Mikulla ist jetzt 65 Jahre alt, er geht im August in Rente. Die Firma, in der er danach weiterarbeiten will, hat er selbst gegründet. Mit zwei Partnerinnen will er ein Beraternetzwerk in ganz Deutschland aufbauen und Unternehmen dabei helfen, das Potenzial der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen über 50 auszuschöpfen.

"Ein großes Etappenziel ist, dass wir irgendwann nicht mehr übers Alter sprechen." Mikulla selbst wolle so lange arbeiten, wie es ihm Spaß mache und er gesund ist. "Ich setz' mich doch jetzt nicht zu Hause auf das Sofa, da werde ich nur alt."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 02. Juli 2024 um 17:56 Uhr.