ifo-Studie Sinkende Arbeitszeit verstärkt Fachkräftemangel
Der Arbeitskräftemangel in Deutschland ist akut. Der Grund ist vor allem die demographische Entwicklung. Doch verstärkt wird das Problem durch sinkende individuelle Arbeitszeiten, so das ifo-Institut.
Sinkende individuelle Arbeitszeiten verschärfen dem Münchener ifo-Institut zufolge den Arbeitskräftemangel in Deutschland. Zwar sei die Zahl der Erwerbstätigen seit 1991 von rund 40 auf 45 Millionen gestiegen, sagte ifo-Präsident Clemens Fuest. Die insgesamt geleisteten Arbeitsstunden seien in dem Zeitraum jedoch gleich geblieben. "Die 45 Millionen arbeiten so viel wie die 40 Millionen früher."
Große Schrumpfung für 2030 erwartet
Fast die Hälfte aller deutschen Betriebe konnte in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres nach Angaben des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) Stellen für Fachkräfte nicht besetzen. Allein in MINT-Berufen - die Abkürzung steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik - fehlen in Deutschland aktuell fast 300.000 Arbeitskräfte, wie der Herbstreport des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) jüngst zeigte.
Quer durch alle Branchen beklagten Unternehmen einen zunehmenden Arbeits- und Fachkräftemangel, berichtet auch Fuest. Jetzt gehe die Generation der Babyboomer in Rente, weniger Junge kämen auf dem Arbeitsmarkt nach. "Und die große Schrumpfung kommt ja erst noch". Die geburtenstärksten Jahrgänge 1963/1964 gingen 2030 in Rente, so der ifo-Chef.
Zwischen 2025 und 2035 kämen 13,5 Millionen Menschen ins Rentenalter, ergänzte die Mannheimer Professorin und Bereichsleiterin beim Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, Tabea Bucher-Koenen. Obwohl sie finanziell ganz gut gestellt seien, werde es zu Konsumeinbrüchen kommen.
Steigende Erwerbsquoten und Zuwanderung nötig
Wenn die Ampelregierung das Rentenniveau bei 48 Prozent eines durchschnittlichen Einkommens halten wolle, müssten die Erwerbstätigen länger arbeiten oder höhere Beiträge zahlen, betonte Bucher-Koenen. Das sei durchaus möglich, denn die heutigen Alten seien gesünder und hätten sechs Jahre mehr Lebenserwartung als ihre Elterngeneration, sagte Karin Haist, Demografie-Expertin der Körber-Stiftung.
Um das Arbeitskräfteangebot zu erhöhen, helfen laut Fuest steigende Erwerbsquoten und hohe Zuwanderung. Um die Erwerbstätigenquote zu erhöhen, "sollten wir Menschen nicht vom Arbeiten abhalten", sagte der Fuest und nannte als Beispiel das Bürgergeld und die Steuer- und Abgabenlasten. Eine bessere Kinderbetreuung könne helfen, mehr Frauen in Erwerbsarbeit zu bringen.
Personalkosten im öffentlichen Sektor enorm
Auch bei der Einwanderung ist noch Luft nach oben: Von den ab 2015 nach Deutschland gekommenen Flüchtlingen seien fünf Jahre nach Ankunft annähernd die Hälfte in Arbeit, erklärte ifo-Referentin Yvonne Giesing. Von den Geflüchteten aus der Ukraine arbeiteten etwa 20 Prozent. "Die größte Hürde ist die Sprache", so die Expertin. Dazu kommt die deutsche Bürokratie, die zugewanderte Fachkräfte ausbremst. Das zeigte zuletzt ein Beitrag der ARD-Sendung "Plusminus".
Einen großen Stellhebel sieht der Digitalisierungsexperte Markus Keller darüber hinaus bei der Beschäftigung in Bund, Ländern und Kommunen. Die Personalkosten im öffentlichen Sektor lägen bei fast einer Milliarde Euro am Tag. Mit Digitalisierung ließe sich jedes Jahr ein dreistelliger Milliardenbetrag einsparen. Aber das sei bei der Politik noch nicht angekommen, "weder Ministerpräsidenten noch Kanzler haben Verständnis dafür", kritisierte er.