Studie zum "ungenutzten Arbeitskräftepotenzial" Millionen Menschen suchen mehr Arbeit
In Deutschland fehlten 2011 laut einer Studie viele Jobs. Das Statistische Bundesamt geht von nicht weniger als 7,4 Millionen Menschen aus, die entweder eine Stelle suchen - oder eine haben und mehr arbeiten wollen. Gewerkschafts- und wirtschaftsnahe Institute fordern eine bessere Kinderbetreuung.
Insgesamt 7,4 Millionen Menschen wollen in Deutschland mehr arbeiten. Dieses bislang "ungenutzte Arbeitskräftepotenzial" von 15- bis 74-Jährigen hat das Statistische Bundesamt für das vergangene Jahr nach den Kriterien der Internationalen Arbeitsorganisation ILO ermittelt. Diese entsprechen nicht denen der Bundesagentur für Arbeit.
Die meisten Erwebslosen suchen laut der Studie nach einem Job - aber auch viele Beschäftigte wollen mehr arbeiten.
Zu der Gruppe gehören laut Studie zum einen 2,5 Millionen Erwerbslose, die aktiv nach einer Stelle suchen und dafür auch kurzfristig verfügbar wären. Außerdem gebe es zwei Millionen Teilzeitbeschäftigte und 1,7 Millionen Menschen mit vollen Jobs, die dennoch mehr arbeiten wollen, teilte das Amt mit. Zudem identifizierten die Statistiker eine "stille Reserve" von 1,2 Millionen Menschen: Diese würden grundsätzlich einen Job aufnehmen, suchten aber aus verschiedenen Gründen aktuell nicht danach.
Wollen viele Menschen auch weniger arbeiten?
Nach einer Studie des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) gibt es gleichzeitig jedoch viele Beschäftigte, die gern weniger arbeiten wollen und entsprechende Lohneinbußen in Kauf nehmen würden.
"Könnten alle Arbeitnehmer so arbeiten wie sie wollen - die einen länger, die anderen kürzer - dann würden unter dem Strich zwei Millionen zusätzliche Arbeitskräfte benötigt", sagte IMK-Arbeitsmarktexperte Hartmut Seifert.
Bundesagentur hat andere Definition
Nach den Jahreszahlen der Bundesagentur für Arbeit waren 2011 im Schnitt 2,98 Millionen Arbeitslose registriert.
Die BA-Zahlen zur Unterbeschäftigung umfassen neben diesen Arbeitslosen unter anderem auch jene, die Weiterbildungsprogramme durchlaufen oder an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen teilnehmen. Enthalten sind ebenfalls jene, die etwa wegen gesundheitlicher Probleme vorübergehend als nicht arbeitsfähig gelten, oder die mit Fördermitteln den Start in die Selbstständigkeit versuchen. Im Jahresdurchschnitt 2011 summierte sich die Unterbeschäftigung auf 4,15 Millionen. Das waren 549.000 oder umgerechnet zwölf Prozent weniger als 2010.
Für internationale Vergleiche der Arbeitslosigkeit gelten die Kriterien der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Deren Regeln für die Berechnung der nationalen Erwerbslosenquote unterscheiden sich stark von denen der Bundesagentur. Laut ILO endet Arbeitslosigkeit beispielsweise bereits, wenn jemand mindestens eine Stunde pro Woche arbeitet. Die offizielle deutsche Arbeitslosenquote ist in der Regel etwas höher als die ILO-Erwerbslosenquote für Deutschland.
Große Unterschiede zwischen Frauen und Männern
Die einzelnen Formen des "ungenutzten Arbeitskräftepotenzials" unterschieden sich laut der Studie des Statistischen Bundesamts teilweise massiv hinsichtlich der Geschlechter: So liege der Frauenanteil bei den Unterbeschäftigten in Teilzeit bei 72 Prozent. Unterbeschäftigte sind Menschen mit einem Job, die mehr arbeiten wollen. Von den Unterbeschäftigten in Vollzeit ab 32 Wochenarbeitsstunden seien dagegen 73 Prozent männlich.
Ostdeutsche Frauen nannten als einen der häufigsten Gründe für ihre Unterbeschäftigung, dass sie keine andere Stelle gefunden hätten. Im Westen sieht es offenbar anders aus: Hier arbeiten Frauen laut der Studie oft aus persönlichen oder familiären Gründen in Teilzeit.
Unisono Forderung nach besserer Kinderbetreuung
Dem gewerkschaftsnahen IMK zufolge kann der Staat mit dem Ausbau von Kindertagesstätten und Ganztagsschulen dafür sorgen, dass mehr Frauen einen Job annehmen oder länger arbeiten. Bei einer qualitativ und quantitativ besseren Kinderbetreuung könnten mehr Frauen Vollzeit arbeiten, sagte Arbeitsmarktexperte Seifert: "Es gibt ein enormes Potenzial an gut ausgebildeten Frauen, das mobilisiert werden kann, wenn die Rahmenbedingungen stimmen." Damit lasse sich auch die drohende Fachkräftelücke verkleinern.
Das sieht die von der Wirtschaft finanzierte Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft genauso. "Bei der Kinderbetreuung gibt es nach wie vor den größten Handlungsbedarf", sagte ihr Geschäftsführer Hubertus Pellengahr.
Pellengahr sagte weiter, die meisten der im Aufschwung geschaffenen Jobs seien aus der "stillen Reserve" besetzt worden: "Da sind wir auf dem richtigen Weg." Zudem seien die Hartz-Reformen wichtig gewesen. Teilzeit werde von vielen Menschen gewünscht und sollte noch mehr ausgebaut werden.